Gastbeitrag

Das Projekt „deutscher Islam“

Wird es eine deutsch-islamische Kultur geben? Dr. Ahmet Inam meint: ja. Jedoch könne das nur ohne staatliche Einflussnahme über Projekte geschehen. Ein Gastbeitrag.

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2020
Symbolbild: Projekt: deutscher Islam @shutterstock
Symbolbild: Projekt: deutscher Islam @shutterstock

So wie sich eine arabische, türkische oder persisch islamische Kultur historisch entwickelt hat, so wird es auch eine deutsch-islamische Kultur geben. Jedoch braucht es Zeit, damit sich eine gewisse Reife bildet und man von einer Kultur sprechen kann. Eilfertige Aktionen oder konzeptionell erarbeitete Projekte sind dessen größte Hindernisse.

Das Projekt „deutscher Islam“ ist ein solches Projekt. Das Wort Projekt kommt aus dem Lateinischen proiectum, was „das nach vorn Geworfene“ bedeutet. Es ist etwas, was nicht dem „natürlichen“ Verlauf einer Sache geschuldet ist, sondern ein geplantes und nicht selten eilfertig mit bestimmten Zielen und Intentionen behaftetes Vorhaben. In diesem Fall ist es eine bewusst „nach vorne geworfene und geplante“ Aktion, die den natürlichen Verlauf verhindert.

Welchen Verlauf? Die Entwicklung und Etablierung einer deutsch-islamischen Kultur, die von sich aus, ohne nichtmuslimische Vorgaben, ohne staatliche und mediale Erwartungen und Eingriffe, nur von deutschen und nichtdeutschen, in Deutschland lebenden Muslimen selbst sich allmählich entwickelnde Kultur. Eine solche Kultur wird es geben, egal wie nichtdeutsche Muslime oder Nichtmuslime dazustehen.

Ist der „deutsche Islam“ Zum Scheitern verurteilt?

Eine deutsch-islamische Kultur wird es jedoch nur dann geben, wenn die Muslime sich von nichtmuslimischen oder säkularen Zuschreibungen, Erwartungen oder Fremdeinwirkungen auf die Grundessenz (Glaubensgrundlagen, Tugendlehre, Gebote und Verbote) der Religion befreien. Alles andere wird ein unglaubwürdiges und unwürdiges Projekt sein. So wie der Versuch „deutscher Islam“. Und da ein Projekt meistens zeitlich begrenzt ist und zugleich auf Förderungen angewiesen ist, ist es auch eine Frage der Zeit und des Kapitals, wann dieses Projekt beendet werden wird.

Was, wenn der nächste Innenminister keine Lust mehr auf dieses Projekt hat, die Fördergelder streicht, die Minivereine gegenüber den großen Religionsgemeinschaften nicht mehr unterstützt? Was wird dann mit dem „deutschen Islam“ passieren? Doch ich befürchte, dass dieses Projekt langfristig auf mehrere Jahrzehnte angelegt ist, was den meisten muslimischen Teilnehmern und den wenigen muslimischen Befürwortern eines „deutschen Islams“ nicht bewusst sein dürfte.

Das Scheitern des Projekts könnte den Projektleitern sogar zugutekommen. Sie könnten dann erklären, dass der Islam nicht anpassungsfähig sei, nicht mit der Moderne und dem Fortschritt mithalten könne, der Demokratie zuwider sei. Man habe alles versucht, gutmütig Unmengen an Fördergeldern ausgeschüttet, freundlich dem Islam eine Plattform gegeben, wohlwollend wissenschaftliche Untersuchungen begünstigt, sogar auch die liberalsten der liberalen, die säkularsten der säkularen Muslime unterstützt, ihnen erlaubt und sie ermutigt, im Namen der Mehrheit der Muslime zu sprechen. Doch der Islam ist einfach nicht reformierbar, ist gegen eine Aufklärung, wird es am Ende heißen.

Selbst wenn das ersehnte Ziel nicht erreicht wird, so ist das Projekt „deutscher Islam“ ein stimmungmachendes Geschenk für die populistische Politik. Und auch der antiislamischen Stimmung im Lande wird das Scheitern des „deutschen Islams“ nützen. Der von Rassisten und auch insbesondere von säkularen Humanisten „intellektuell“ angefeuerte antimuslimische Rassismus und die Islamfeindlichkeit werden für sich eine Bestätigung finden.

Wer bestimmt, was „deutscher Islam“ ist?

Ich spreche deshalb von einem Projekt, da von Anfang an nicht die große Mehrheit der Muslime die Ziele und Inhalte dieser „konzilischen Entstehung“ eines „deutschen Islams“ bestimmen darf, sondern die vermeintlichen Sprecher der „nichtorganisierten Mehrheit der Muslime“ in Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem nichtmuslimischen und säkularen Staat.

Auch wenn „nur“ 20 Prozent der Muslime in Deutschland in einer der großen Religionsgemeinschaften Mitglied sein sollten, so wurden die Gemeinschaften und Dachverbände dennoch durch diese Mitglieder dazu bestimmt, in ihrem Namen zu sprechen. Wann wurden die Einzelpersonen oder die Minivereine dazu erkoren? Wer hat sie gewählt? Woher nehmen diese sich das Recht, im Namen der „schweigenden Mehrheit“ sprechen zu dürfen? Vom nichtmuslimischen und säkularen Staat und den Medien! Und diese schreiben von vornherein vor, wie aufgeklärt, modern oder zeitgemäß der „deutsche Islam“ sein soll.

Kulturmuslime“, wie Staatssekretär Markus Kerber sie nennt, oder „säkulare, laizistische und liberale Muslime“, wie Horst Seehofer in seiner Eröffnungsrede der Deutschen Islam Konferenz (DIK) im November 2019 sie vorstellte, die sich mit einer säkularen Begriffsbestimmung der Begriffe wie modern, liberal, aufgeklärt, fromm, tugendhaft etc. identifizieren können, sind gerngesehene Muslime, während konservative Muslime, die diese Begriffe intellektuell, theologisch, politisch anders deuten, medial angegriffen oder wie im Fall der großen Religionsgemeinschaften, in eine bedeutungslose Ecke gedrängt werden, indem sie mit jedem einzelnen Miniverein gleichgestellt werden. Durch diese Gleichstellung verlieren die „konservativen Muslime“ und alle anderen Muslime, die sich mit den „Kulturmuslimen“ und den „säkularen, laizistischen und liberalen Muslimen“ nicht identifizieren, bei der inhaltlichen Definition der oben genannten Begriffe ihre Bedeutung.

Konservative Muslime, die ihr demokratisches Recht der Partizipation politisch wahrnehmen,  stellen z. B. für den Münsteraner Sozialwissenschaftler Mouhanad Khorchide in seinen populistischen und pauschalisierenden Agitationen und Aktionen den „politischen Islam“ dar, die nun eine größere Gefahr für die Gesellschaft darstelle als die radikalen Gruppen. Khorchide, der zusammen mit NRW-Staatssekretärin Serap Güler eine „Religionsgemeinschaft“/einen Miniverein gründete, ist in der deutschen Politik und in Österreich ein gerngesehener Berater und Mitstreiter für den „Kampf gegen den politischen Islam“.

Muslime, die sich als konservativ bezeichnen, sind aufgrund solcher Zuschreibungen oder politischer Streitereien (wie im Fall mit der Türkei) entweder von der inhaltlichen Bestimmung des Projekts ausgeschlossen oder spielen im Namen einer vermeintlichen „Ungebundenheit“ nur eine kleine Nebenrolle. Während christliche Konservative wie die Parteimitglieder der CDU und CSU, also auch Innenminister Horst Seehofer, keine Gefahr darstellen, ihnen nicht der Vorwurf gemacht wird, sie würden mit Anzügen und Krawatten im Geheimen einen christlichen Staat und eine christlich fundamentalistische Lebensweise herbeiführen wollen, sind solche Vorwürfe konservativen Muslimen gegenüber für die christlichen Konservativen in der Politik ausschlaggebende „Argumente“ gegen den „radikalen Islam“. Für die meisten Liberalen und Säkularen in den anderen politischen Parteien gar eine Freude!

Wieso die Religionsgemeinschaften an diesem Projekt weiterhin teilnehmen, obwohl sie eine passive und bedeutungslose Rolle nun einnehmen, und mit ihrer Teilnahme dem Projekt ein gewisses Maß an Souveränität bescheinigen, ist mir ein Mysterium. Eine Alternative zum friedlichen Dialog zwischen Muslimen und dem Staat gibt es nicht. Doch Dialog sollte nicht dazu dienen, einem solchen unseligen und zum Scheitern verurteilten Projekt beizustehen und mit der Teilnahme dem Projekt den Anschein von Seriosität zu verleihen.

Projekt im Projekt

Vor diesem Hintergrund ist das akademische Forschungsprojekt „Deutscher Islam als Alternative zum Islamismus? Antworten auf  islamistische Bedrohungen in muslimischen Verbänden, Gemeinden und Lebenswelten“ vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) in Kooperation mit dem BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) keine große Überraschung.*

Wer sich einigermaßen mit akademischen Untersuchungen auskennt, weiß wie bedeutend der Titel eines Forschungsprojekts ist. Er stellt stets den Rahmen des Forschungsbereichs und nicht selten auch die Ergebnisse. Wenn nun im Titel von einem „deutschen Islam“ die Rede ist, der weder gesellschaftlich noch inhaltlich existiert, dann haben die Ergebnisse dazu zuführen, dass aus diesem Projekt ein solcher Islam hervorkommt. Und wenn der Gegenpart des erwünschten Ziels, nämlich „Islamismus“, ebenfalls im Titel genannt wird, der sogar bei den „Verbänden“ und „Gemeinden“ zu finden sei, weiß man von vornherein, in welchem Rahmen sich dieses staatlich geförderte Projekt bewegen wird. Die große Mehrheit der Muslime, die ihre Religion nicht nationalistisch etikettieren möchten und auch nichts mit „Islamismus“ zu tun haben, sind als Alternative von vornherein ausgeschlossen.

In der Beschreibung des dreistufigen Projekts stellt der Versuch der Herausbildung eines „deutschen Islams“ die dritte Stufe dar. So soll „die Frage nach dem Konzept [!] des „Deutschen Islams“ als Antwort auf Islamismus erörtert werden.“ Wie passend, wenn sie selbst von einem Konzept sprechen! In den vorherigen Stufen bzw. Modulen sollen u. a. „islamistische Fishing-Strategien“ oder „die Umgangsstrategien mit Islamismus“ untersucht werden. Das heißt, dass die Forscher zuerst eine Definition vom „Islamismus“ erstellen und diesen örtlich lokalisieren müssen, um dann als Gegenpart dessen ein Konzept „deutscher Islam“ erstellen zu können.

Wie verschwommen der Begriff „Islamismus“ ist, wie dieser Begriff von verschiedensten Parteien für ihre rassistischen und antimuslimischen Ziele als Druckmittel verwendet wird, wie unterschiedlich die Muslime selbst diesen Begriff untereinander verstehen, all das müsste in die Begriffsbestimmung miteinbezogen werden. Doch dadurch wird der Versuch eines Konzepts zum „deutschen Islam“ überflüssig sein. Denn dann müssten die Forscher eingestehen, dass die großen „Verbände“ die maßgeblichen Akteure gegen radikale Gruppierungen bzw. gegen den „Islamismus“ sind, zumal sie selbst seit Jahrzehnten gegen radikale Strömungen agieren. Eine Tatsache, die schon vor einigen Jahren seitens der Politik auch stets hervorgehoben wurde, doch aufgrund von politischen Quälereien mit den Ursprungsländern der meisten Muslime in Deutschland nun Abstand genommen wird.

In fünf oder zehn Jahren könnte der ägyptische Diktator al-Sisi mit einer neuen Revolution entmachtet werden und die Muslimbrüder könnten, wie übrigens auch vor dem arabischen Frühling, für die deutsche und europäische Politik und Medien wieder als Ansprechpartner gelten. Was die Frage angeht, wer der ägyptische (und muslimische) Feind und wer der Freund ist, hält man sich derzeit aufgrund wirtschaftlicher Interessen an die Vorgaben des Tyrannen al-Sisi. Und sobald die Beziehungen zwischen Deutschland, der EU und der Türkei sich bessern, wird die Herangehensweise an die Religionsgemeinschaften eine andere sein als es derzeit der Fall ist.

Fazit: Das Projekt „deutscher Islam“ ist nichts weiter als eine Zeit- und Ressourcenverschwendung, die Populisten mehr dienlich sein dürfte als den Muslimen und das letztendlich von der Förderung, von der Laune der Regierungen und von der Außenpolitik abhängig ist.

Projekte und Konzepte kommen und gehen, doch ich bin Guter Hoffnung, dass sich in der Zukunft aus der Eigendynamik des Islams und der deutschen und nichtdeutschen Muslime eine deutsch-islamische Kultur entwickeln wird. Frei von säkularen oder staatlichen Fremdbestimmungen und in geduldiger, mühseliger und frommer Entfaltung.

*Auf Wunsch des Autors wurde hier „islamisch-theologischen Fakultät in Berlin in Zusammenarbeit mit der BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung)“ zu „Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) in Kooperation mit dem BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung)“ verändert.

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
Meine Güte, diese Dinge sind doch schon lange geklärt. Das hat Bassam Tibi schon vor über 20 Jahren auf den Punkt gebracht: Kein "deutscher Islam", sondern ein Islam, der sich an den westlichen, den europäischen Werten-- die auch die deutschen Werte sind-- orientiert. Ob man das nun "Leitkultur" oder "Euro-Islam" nennt, das ist sekundär.
18.10.20
13:42
stratmann sagt:
Natürlich darf und soll es unterschiedliche Ausprägungen oder sogar Konfessionen der Religionen geben. Doch bei „ Deutscher Islam „ assoziiere ich sofort „ Deutsche Christen „ in schlimmster Zeit. Auch die Schlagworte „ Euro-Islam“, „Reformislam“, „aufgeklärter Islam“ verheißen nichts Gutes. Bindestrich-Religionen sind immer suspekt. Den Vogel schießt die grüne Frau Renate Künast ab. In Analogie zu Cola light fordert diese nichtmuslimische Politikerin einen Islam Light! Aha, Politiker stecken ihre Nase rein und wollen Religion kanalisieren und instrumentalisieren. Diese Gefahr gilt es gegen alle Seiten abzuwehren. Wenn bei der Einweihung der Zentralmoschee in Köln nur der türkische Präsident Erdogan, aber nicht der deutsche Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen eingeladen war, so war dies nicht nur eine verletzende Diskriminierung der deutschen Mehrheitsgesellschaft, sondern es zeigte auch eine einseitige Staatsnähe und Abhängigkeit vieler Muslime in Deutschland und fördert entsprechende Befürchtungen. Umgekehrt kritisiere ich genauso, wenn deutsche politische Stellen sich in kultischen Fragen einmischen, maßschneidern und rumfummeln wollen. Darum ist für mich das sogenannte „House of One“ (für Berliner Schnauze: jüdisch-christlich-islamische Wohngemeinschaft Gottes) ein gotteslästerliches Projekt, weil ursprünglich Politiker es eingefädelt hatten und letztlich Politik entschied, wer dort die Muslime vertreten soll. Christen würden ja wohl auch verschnupft reagieren, wenn in Peking als Vertreter für die Christen staatli- cherseits beispielsweise „Christen für den Sozialismus“ oder die Neuaposto- lische Kirche ausgewählt würden. Für ein GRASWURZELprojekt interreli- giösen Dialoges (so hatte Pfarrer Hohberg es ursprünglich vorgestellt) braucht man keinen teuren kultischen Prestigebau und dafür grenzt man auch nicht willkürlich diskriminierend viele Religionen aus. Obwohl in Berlin nicht einmal 15% der Menschen in der evangelischen Kirche sind und nur 6.000 (der ca. 300.000 Muslime in Berlin) der Gülenbewegung angehören (so die Angaben der Gülenbewegung), schanzt der Staat ihrem HOUSE of ONE schamlos aus Steuerbeiträgen aller Bürger 25 Millionen Euro zu und zudem kostenlos das Grundstück. Der Innenminister de Maiziere hatte am 30.4.2017 in seiner These sechs behauptet, dass der Staat sich grundgesetzgemäß weltanschauungs- und religionsneutral verhalte. Doch auch bei dem kultischen „House of One“ überschreitet der Staat verfassungswidrig seine Kompetenzen und spielt Religionsingenieur zugunsten von Minderheitengruppen, und manche befürchten bei dem Projekt langfristig synkretistische Absichten. Warum klagt hier niemand? Für den notwendigen, sinnvollen interreli- giösen Dialog braucht man keinen neuen kultischen Prestigebau. Und für ihre Kultgebäude sind die Religionsgemeinschaften schon selber zuständig; der Staat darf sich nicht in Religionsfragen einmischen und zudem ihm genehme Minderheiten grundgesetzwidrig finanziell privilegieren.“ Durchaus sinnvoll ist es dagegen, wenn der Staat über schulische Lehrpläne und mit entsprechenden Angeboten bei Volkshochschulen, Akademien, politischen Landeszentralen, usw., usf. den interreligiösen Dialog fördert. Und die Religionsgemeinschaften können ihrerseits im Sinn eines Gras- wurzelprojekts interreligiösen Dialog und Trialog institutionalisieren auch ohne teuren kultischen Vorzeigebau – reihum in bestehenden Gemeinde- zentren, mal in christlichen, mal jüdischen, mal muslimischen, usw. oder auch auf neutralem Boden in öffentlichen Räumen. Oder damit man nicht diskriminierend kleinere Religionsgemeinschaften ausgrenzt, könnte man ein gemeinsames, nichtkultisches Haus der Religionen für Gespräche und gemeinsame Aktionen der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften bereitstellen. Schon jetzt gibt es auch ohne das teure kultische „House of One„, das diskriminierend ausgrenzt, pro Woche in Berlin viele Angebote. Mit welchem Recht versenkt der Staat 25 Millionen in einen neuen Prestigebau, während gleichzeitig zumindest evangelische Kirchen großenteils leer bleiben, oft umgewidmet oder sogar abgerissen werden? Ein neuer teurer Prestigebau stiehlt anderen Projekten das Geld, fördert nicht den Dialog an den Graswurzeln, sondern schafft Fronten, weil die übergroße Mehrheit der Muslime es ablehnt, wer dort nach Willen des deutschen Staates den Islam repräsentieren und gefördert werden soll. Das „House of One“ wird auch in Berlin ständig weitere Sicherheitskräfte binden, wie wir das von „ Brennpunkten aus dem Ausland kennen.
18.10.20
18:50
Vera Praunheim sagt:
Beim Lesen dieses Gastbeitrags wurde ich eher an ein buntes Projekt "Tohuwabohu Islam" erinnert, dem man nun seine Lebenszeit widmen kann oder auch nicht. Mit so einem Extra-Thema & Endlos-Fragekomplex zu den theologischen, juristischen und sozialen Dimensionen der Sünde im Koran könnte man mich wahrlich jagen. Ließe sich in der Islamischen Republik Iran ein ähnliches Projekt "iranisches Christentum" mit iranisch-christlicher Kultur - ohne staatliche Einflußnahme & Fremdbestimmung - auch etablieren? Ein übergreifendes Projekt "Religion & Spiritualität in Europa" halte ich jedoch für viel interessanter, spannender und zukunftsweisender.
18.10.20
19:29
Das Karussell der Kulturvereine – murat-kayman.de sagt:
[…] 18.10.2020 veröffentlich die der IGMG zurechenbare „Islamiq“-Onlineredaktion einen Gastbeitrag des Dr. Ahmet Inam mit dem Titel „Das Projekt „deutscher […]
18.10.20
20:09
Dilaver Çelik sagt:
Der Islam deutscher Prägung ist tatsächlich eine bunte Mischung aus jungen Muslimen der Generation Z mit religiöser Prägung, deren Heimat längst Deutschland ist und hier sozialisiert sind. Viele von ihnen sind junge Akademiker, welche sich in Eigendynamik organisieren und sich in der deutschen Gesellschaft engagieren. Hingegen ist die Konstruktion eines "deutschen Islam" durch Politik und einige Mediengeier eine Form des Social Engineering, welche kaum Rückhalt in der deutsch-muslimischen Community genießt und deshalb zum Scheitern verurteilt ist. Da kann der Staat noch so viel Geld dafür investieren, unsere Religion ist nicht käuflich. Das ist nichts anderes als Ressourcenverschwendung. Der Staat sollte mit jenem Geld besser die Armut bekämpfen. Diese staatlich initiierte Konstruktion eines "deutschen Islam" hat parallelen zur vom autoritären türkischen Militärregime konstruierten "Türkisch-Islamischen Synthese" in den 1980er Jahren, welche gescheitert ist und eine Generation von korrumpierten, korrumpierbaren sowie korrupten Muslimen mit Doppel-Standards hervorgebracht hat, wie das im Verhalten der gegenwärtigen türkischen Regierung nur überdeutlich zu sehen ist. Derartige Konstruktionen durch den Staat sind in höchstem Maße undemokratisch und ein inakzeptabler Eingriff in die Religionsfreiheit, weil Muslime, welche da nicht mitziehen wollen, als Fundamentalisten, Islamisten, Mürteci und Tarikatçı und in Deutschland zusätzlich als "nicht integriert" verunglimpft, stigmatisiert und kriminalisiert sowie zur "Gefahr für den Staat" erklärt werden. Diese pathologische Logik entspringt aus einer falsch verstandenen Säkularität antireligiöser Kreise sowie der Dajjal-Anhänger, welche Religionsgemeinschaften vom Staat ausgegrenzt und unterworfen wissen wollen statt einer wahren Säkularität, in welchem Staat und Religionsgemeinschaften gleichwertige sowie gleichberechtigte Partner auf Augenhöhe sind, welche miteinander kooperieren und interagieren.
18.10.20
20:18
Wolf D. Ahmed Aries sagt:
Es erstaunlich, wie sich die Themen wiederholen. Wir haben in den sechziger Jahren im Islam Archiv bereits darüber diskutiert. Salim Abdullah hatte einen Ansatz entwickelt, der wohl für die hinzugekommen Muslime zu deutsch gewesen ist. Er ging auf die Muslime in Preußen zurück und übersah nicht die Leiden der Muslime in der Wehrmacht. Später haben wir uns über die "Turkifizierung" geärgert. Aber alles ist Wiederholung, wie manche Philosophen schreiben oder schrieben.
19.10.20
9:16
Malte Friedrich sagt:
Erst vor kurzem hatte die DITIB groß medial bekannt gegeben eine angebliche Imamausbildung starten zu wollen und lud hierzu Staatssekretär Herrn Kerber ein; aber hier wird seine Bezeichnung "Kulturmuslime" kritisiert. Heuchlerisch nenne ich sowas. Wie man Menschen für dumm verkaufen möchte beobachte ich mittlerweile mit einem Grinsen. Ich weiß gar nicht, warum man Angst von universitären Forschungsprojekten hat, man muss dem Staat doch danken dafür, dass man Beiträge leisten will und hierfür qualifizierte Muslime anstellen möchte. Allen voran die Frage, ob es einen deutschen Islam geben wird, ignoriert die Vielfalt in dieser Gesellschaft; die Menschen, eine Ignoranz gegenüber den Menschen, die sich hier zugehörig fühlen, deutsch fühlen, auch denjenigen gegenüber, die den Islam im Nachhinein angenommen haben. Auf den Inhalt möchte ich gar nicht eingehen, denn dieser ist voll von Unterstellungen und Stimmungsmache, eine alte Masche wie wir sie kennen. Anscheinend hat der Autor eine besondere politische Sichtweise. Nämlich, so spricht er von einem "säkularen" Einfluss, blendet aber den "offiziellen" laizistischen (wenn es denn überhaupt so einer ist, so denke ich nämlich nicht) Einfluss aus der Türkei aus. Man wird nicht wirklich drum schlau, was die Intention des Autors ist, außer, dass er kategorisieren und abstempeln möchte. Zwischendurch nennt er Prof. Khorchide, ausgerechnet einen Menschen, der viel für das gesellschaftliche Miteinander und die islamische Theologie als Institution leistet, anders als die Verbandsmuslime! Dass die Verbände nicht mehr aktiv am Tisch der DIK mitbestimmen dürfen, ist allein den ideologischen und politischen Entwicklungen binnen der DITIB geschuldet, dieses blendet der Autor auch gänzlich aus und plädiert dafür, dass sich die Verbände der Debatte entziehen sollten. Eine Opferrolle, die auch öfter bekannt ist, besonders wenn es heikel wird.
19.10.20
10:13
Johannes Disch sagt:
"Deutscher Islam" würde unweigerlich an "Am deutschen Wesen soll die (islamische) Welt genesen" erinnern. Das bitte nicht. Wie ich schon ausführte, muss man das Rad nicht neu erfinden (18.10.2020, 13:42). Es ist alles schon da. Was die Einflussnahme der Politik betrifft: Ohne wird es nicht gehen. Natürlich bestimmen die Religionsgemeinschaften die Inhalte ihres Glaubens selbst. Da hat ihnen der Staat nicht reinzuireden. Aber er darf bzw. muss sicherstellen, dass die Aktivitäten der Gläubigen verfassungskonform sind. Zustände, wie sie beispielsweise Constantin Schreiber in seinem "Moschee-Report" schildert, sind nicht hinnehmbar und erfordern die Intervention des Staates. Ein weiteres Problem ist die Institutionalisierung des Islam. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts vergleichbar den christlichen Kirchen ist nicht ratsam. Dann würden die konservativen Islam-Verbände die Islam-Diaspora dominieren. Bleiben Staatsverträge. Aber auch da sollte man in Zukunft genauer hinsehen. Ein Staatsvertrag wie ihn Hamburg mit dem IZH gemacht hat, ist ein Unding. Oberste Priorität hat die Bekämpfung islamistischer Tendenzen. So etwas, wie das, was vergangenen Freitag in Paris passiert ist, das ist auch in Berlin möglich. Dieser Kampf ist nur gemeinsam mit Muslimen zu gewinnen.
19.10.20
10:54
Johannes Disch sagt:
Ich habe die grundlegenden Dinge, die nötig sind, damit der Islam sich hier in Europa integriert, in den letzten Jahren unter verschiedenen Beiträgen schon häufiger genannt. Hier fasse ich sie noch einmal zusammen: -- Trennung zwischen Religion und Politik. Vorrang haben die weltlichen Gesetze vor den religiösen Vorschriften -- Vorrang des säkularen Erfahrungswissens vor religiösem Offenbarungswissen. -- Individuelle Menschenrechte (und keine Sonderrechte für Kollektive, hier: ein islamisches Kollektiv). Muslime müssen sich in erster Linie als europäische Bürger islamischen Glaubens begreifen und nicht als Teil einer (fiktiven) weltumspannenden "Umma" (= "Gemeinschaft aller Muslime"). Kurz: Sie müssen eine Bürgeridentität annehmen. Leider definieren sich viele Muslime in Europa primär noch immer über ihre Religion. Und werden dabei von den etablierten Islamverbänden bestärkt. Hier berühren wir ein Kernproblem des Islam: Die fehlende Individualidentität. Abhilfe schaffen kann hier nur die Annahme einer europäischen Bürgeridentität. -- Der Islam muss seinen Absolutheitsanspruch und Überlegenheitsanspruch aufgeben. In einer säkularen Gesellschaft ist Religion vorwiegend Privatsache und jeder Glaube ist gleichrangig und gleichwertig und gleich wahr bzw. unwahr. -- Man muss seine Religion ablegen können, ohne befürchten zu müssen, an Leib und Leben bedroht zu werden. -- Die Stellung der Frau. Hier ist ein patriarchalisches Geschlechterverständnis samt deren Symbole (Kopftuch) aufzugeben. Was das immer wiederkehrende Thema Islam und Demokratie betrifft: Der Koran kennt keine Staatslehre. Folglich ist der Islam mit jeder Staatsform vereinbar, auch mit der Demokratie.
19.10.20
12:43
Johannes Disch sagt:
Dr. Inam verwendet den falschen Begriff. Es geht nicht um einen "deutschen Islam." Zutreffender ist es, vom "Islam in Deutschland" zu sprechen. Und dieser ist vielfältig. Und der Anker für einen integrierten Islam ist das Grundgesetz. Man muss es wirklich nicht unnötig kompliziert machen. Die Grundvoraussetzungen sind doch längstr da und Muslime leben schon lange in unserem Land und können ihre Religion unproblematisch praktizieren.
20.10.20
13:15
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