Journalismus

Wenige Chefredakteure haben Migrationshintergrund

In Deutschland hat ein Viertel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. An den Spitzen von Redaktionen sieht das Verhältnis anders aus, wie Journalisten, die sich für Vielfalt einsetzen, beklagen. Sie haben eine Befragung vorgelegt.

12
05
2020
Migration
Symbolbild: Printmedien, Migrationshintergrund, Journalisten © shutterstock

Bei den reichweitenstärksten regionalen und überregionalen Medien in Deutschland steht einer Untersuchung zufolge selten ein Chef mit Migrationshintergrund an der Redaktionsspitze. Von 126 befragten Chefredakteuren gaben 8 an, einen Migrationshintergrund zu haben, wie der Zusammenschluss „Neue deutsche Medienmacher*innen“ (NdM) am Montag in Berlin mitteilte. Dieser beklagt eine Homogenität und verweist zum Vergleich darauf, dass in Deutschland jeder Vierte einen Migrationshintergrund habe. Damit ist gemeint, dass eine Person entweder selbst oder mindestens ein Elternteil dieser Person nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde.

Der bundesweite Zusammenschluss hatte die Befragung zum Thema Vielfalt in Redaktionen im vergangenen Jahr durchgeführt.

Migrationshintergrund überwiegend positiv bewertet

Weiteres Fazit der quantitativen Erhebung, die zum ersten Mal erfolgte: Medienhäuser wüssten so gut wie nicht, wie homogen ihre Redaktionen überhaupt besetzt seien und kennen demnach nicht den Anteil des Migrationsanteils. Zugleich betonten die Autoren dies: Diversität werde in Redaktionen überwiegend positiv bewertet. Allerdings werde wenig bis nichts dafür getan.

Die Geschäftsführerin der „Neuen deutschen Medienmacher*innen“, Konstantina Vassiliou-Enz, betonte: „Die Mehrheit hat ganz klar eine positive Haltung zum Ziel divers besetzter Redaktionen.“ 63 Prozent hätten positiv geantwortet. Das sei in der Forschung bisher nie so deutlich gewesen. Nur wenige seien gegen divers besetzte Redaktionen.

„Verlieren Anschluss an die Realität in Deutschland“

Vassiliou-Enz betonte: „Vielen deutschen Medien droht, dass sie den Anschluss an die Realität in Deutschland verlieren. Schon heute hat in vielen Großstädten die Mehrheit der eingeschulten Kinder einen
Migrationshintergrund.“

Die Verfasser der Untersuchung empfehlen unter anderem, dass Medienhäuser Strategien entwickeln sollten, um speziell Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund zu gewinnen. Zudem sollten sie sich einen Überblick in ihren Redaktionen zum Anteil von Journalisten mit Migrationshintergrund verschaffen. Dann könnten Zielvorgaben formuliert werden.

In 20 Jahren wird laut Experten jeder dritte Mensch in Deutschland ein Zuwanderer sein. In Großstädten werde der Anteil der Migranten auf bis zu 70 Prozent klettern, sagte der Leiter des Forschungsbereiches Migration am bundeseigenen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Herbert Brücker. Um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken, müsse sich Deutschland künftig vielen Nationalitäten öffnen, so der Ökonom. (dpa/iQ)

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Es ist einfach eine Schande, dass nur sehr wenige Redakteure einen Migrationshintergrund haben. Da wundert es mich nicht mehr, woher die ganzen Ängste und Vorurteile kommen, welche schlimmstenfalls zu Massakern wie in Hanau führen. Vom Moscheebau bis hin zu Shisha-Bars. Dagegen ist intensive Lobbyarbeit der Migrantenorganisationen gefragt. Aber so mancher Chefredakteur wie Helmut M. sind so selbstherrlich, dass sie sich mit ihrer Bestimmungsmacht über die Berichterstattung insgesamt stärker wähnen als jede migrantische Lobbyarbeit. Wegen solchen profilierungssüchtigen Redakteuren wird eine Homogenisierung der Gesellschaft konstruiert, welche unrealistisch ist und das friedliche Zusammenleben unterminiert. Das muss sich in Zukunft ändern.
13.05.20
13:48
Johannes Disch sagt:
Über Migranten; auch über muslimische, sowie über die bei uns lebenden und bei uns geborenen Bürger islamischen Glaubens, wird seit Jahren ausführlich berichtet, und zwar im Großen und Ganzen positiv. Auch über die tatsächlich vorhandene Diskriminierung von Migranten und Muslimen wird berichtet. Die wichtigsten deutschen Medien sehen diese Menschjen positiv, sind für die Aufnahme von Flüchtlingen und verurteilen Rassismus und Diskriminierung. Da ist völlig zweitrangig, welche Religion der Chefredakteur hat.
14.05.20
15:02
grege sagt:
Man kann natürlich immer willkürlich eine Statistik herausgreifen, deren Ergebnis als Indiz für Diskriminierung gedeutet werden kann. So lässt sich auch wunder belegen, dass unter den Sprechern von Tagesthemen und Heutejournal der Anteil der Journalisten mit Migrationshintergrund überproportional hoch ist. Vielleicht sollten Muslime auch mal dankbar sein für die Chancen, die Ihnen im diesen Land geboten werden, ganz im Gegensatz zu Angehörigen von religiösen Minderheiten in vielen islamisch geprägten Staaten.
16.05.20
21:35