MUSLIMISCHE AKADEMIKER

Islamische Wirtschaftsethik am Beispiel Gazâlîs

Akademiker widmen sich den wichtigen Fragen unserer Zeit. IslamiQ möchte zeigen, womit sich muslimische Akademiker aktuell beschäftigen. Heute Idris Nassery über Recht und Ethik in der islamischen Rechtswissenschaft.

20
01
2019
Idris Nassery, bearbeitet by IslamiQ

IslamiQ: Können Sie uns kurz etwas zu Ihrer Person und ihrem akademischen Werdegang sagen?

Idris Nassery: Ich bin als ältester von vier Kindern in einem von Vielfalt geprägten Stadtteil Kabuls (Afghanistan) in einfachen Verhältnissen im Jahre 1986 geboren. Mit neun Jahren bin ich gemeinsam mit meiner Familie nach einer langen Odyssee aufgrund des anhaltenden Bürgerkriegs nach Deutschland geflüchtet. In Paderborn, meiner neuen Heimat, habe ich das Abitur gemacht und war während dieser Zeit in der Gründung und Etablierung diverser Hilfsorganisationen für den Wiederaufbau in Afghanistan involviert. 

Nach dem Zivildienst in Paderborn habe ich Rechtswissenschaften in Bielefeld studiert und zusätzlich neben dem rechtswissenschaftlichen Studium ein Ergänzungsstudium in Wirtschaftswissenschaften absolviert. Anschließend habe ich als Stipendiat im Rahmen eines Masterprogramms (LL.M.) an der School of Oriental and African Studies (SOAS University of London) und an der Oxford University, Islamisches Recht und Rechtsvergleichung studiert. Sodann folgte die Promotion als Stipendiat der Stiftung Mercator im Rahmen des Exzellenzprogramms Graduiertenkolleg Islamische Theologie.

IslamiQ: Können Sie uns Ihre Dissertation kurz vorstellen?

Nassery: In meiner Arbeit habe ich mich der Frage nach einer Verhältnisbestimmung zwischen Recht und Ethik in der islamischen Rechtswissenschaft anhand der Ansätze von Abû Hâmid al-Gazâlî (gest. 1111) gewidmet. Hierbei habe ich mich Im Rahmen der Verhältnisbestimmung auf die konkrete Rechtspraxis im Kontext der Wirtschaft bezogen, um so im Gespräch mit den herrschenden wirtschaftsethischen Ansätzen im deutschsprachigen Raum, Skizzen einer möglichen islamisch-theologischen Wirtschaftsethik aufzuzeichnen. 

IslamiQ: Warum haben Sie dieses Thema ausgewählt? Gibt es ein bestimmtes Schlüsselerlebnis?

Nassery: Das Thema hat mich persönlich sehr interessiert, weil ich als Jurist nicht selten von meinen geschätzten Kollegen mit der Frage nach dem Spezifikum der islamischen Rechtswissenschaften konfrontiert wurde. Zugleich beschäftigte mich in autobiographischer Perspektive schon immer die Frage, was der ethische Geist der Scharia ist und welche Rückbezüge zu den dem islamischen Recht immanenten ethischen Aussagen der koranischen Botschaft und prophetischen Praxis sich entnehmen lassen und inwieweit sich diese für die Gegenwart fruchtbar machen lassen.

IslamiQ: Haben Sie positive/negative Erfahrungen während Ihrer Doktorarbeit gemacht? Was treibt Sie voran?

Nassery: Ich habe meine Promotionsphase als eine intensive, aber zugleich sehr lehrreiche und positive Zeit empfunden, in der ich vor allem den Austausch mit anderen Nachwuchswissenschaftlern und die Begegnungen mit bereits etablierten Wissenschaftlern äußerst bereichernd war. Was mich persönlich vorantreibt, ist die tiefe Dankbarkeit, mich wissenschaftlich und damit in gänzlicher Unabhängigkeit und Freiheit mit der reichen islamischen Rechtstradition und Theologie auseinandersetzen setzen zu dürfen.

IslamiQ: Inwieweit wird Ihre Doktorarbeit der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland nützlich sein?

Nassery: Nun, ich denke in erster Linie lädt meine bescheidene Arbeit ganz im gazâlischen Sinne dazu ein, sich mit den heute uns zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Methoden und Ansätzen selbstbewusst und offen mit der vielfältigen und dynamischen Tradition der islamischen Gelehrsamkeit auseinanderzusetzen. Somit können kreative, die islamische Theologie und unsere Gesamtgesellschaft fördernde Impulse für die Fragen und Herausforderungen der Gegenwart entwickelt werden. Ebenso hoffe ich mit meinen Bemühungen die genetisch-kausale Beziehung zwischen Recht und Ethik in der islamischen Rechtstradition aufgezeigt zu haben, dessen Verständnis fern des häufig reduktionistisch angenommenen Formalismus des islamischen Rechts für das alltägliche Handeln maßgeblich ist. 

Das Interview führte Muhammed Suiçmez.

Leserkommentare

Frederic Voss sagt:
Sehr abstrakte & unkonkrete Antworten zu Formalismus, Methoden & Ansätzen, Tradition & Gelehrsamkeit, Theologie & Impulse, Fragen & Herausforderungen, Scharia-Geist & Prophetie, Skizzen & Wirtschaftsethik, Islamisches Recht & Rechtsvergleichung. Leider erinnern die Antworten mehr an vielsagende Worthülsen vom feinsten. Wo steckt bitte der Geist der Scharia, wenn bei Eigentumsdelikten die Hände von (abgeurteilten) Menschen abgehackt werden? Oder wenn Nicht-Heterosexuelle von Gebäuden in die Tiefe gestürzt werden? Hat solches Barbarentum womöglich überhaupt nichts - oder gar nichts mehr - mit dem Islam zu tun?
20.01.19
20:51
Emanuel Schaub sagt:
Wenn die Arbeit dazu beiträgt eine neue Wirtschafts Weise ,die auf echter Ethik basiert, zu fördern ,ist sie im hohen Masse zu begrüssen1 Der widerliche Raubtier kapitalismus mit sienen verheerenden Auswirkungungen aud das Leben (s) Glück sovieler Menschen und Tiere muss gebändigt weren! gruss emanuel
21.01.19
11:25
Stratmann sagt:
Es wäre gut, wenn der Verfasser oder sonst ein kompetenter Gelehrter zu folgender Wikipedia-Passage über Al-Ghazali Stellung beziehen könnte - auch hier geht es um eine ethisch-politische Frage. " Aussagen zur Stellung der Frau Al-Ghazālī hat in seiner Schrift „Das Buch der Ehe“ die wichtigsten (moral-)theologischen Grundlagen für die Systematik des schariatischen Geschlechterverhältnisses herausgearbeitet. Demnach sei die „Heirat eine Art Sklaverei“ und „die Frau die Sklavin des Mannes (...) Deshalb hat sie ihm unbedingt und unter allen Umständen zu gehorchen (...)“.[6] In diesem Zusammenhang zitiert er diverse Überlieferungen, denen zufolge der Prophet unter anderem gesagt haben soll, dass, sofern beim Tode ihres Ehemanns dieser mit seiner Gattin zufrieden war, ihr jenseitiges Seelenheil gesichert wäre.[7] Ferner soll Mohammed geäußert haben, dass „[w]enn ich jemandem befehlen würde, sich vor einem anderen niederzuwerfen, so würde ich der Frau befehlen, sich vor dem Mann niederzuwerfen (...)“.[8] Für al-Ghazālī soll die pflichtgehorsame muslimische Frau „im Innern des Hauses bleiben und an ihrem Spinnrad sitzen (...) Mit den Nachbarn soll sie nicht viel reden und nur in dringenden Angelegenheiten sie besuchen. Sie soll stets ihren Mann im Sinne haben, mag er gegenwärtig oder abwesend sein (...) Sie soll das Haus nicht verlassen, außer mit seiner Erlaubnis, und wenn sie ausgeht, sich in abgetragene Kleider hüllen und wenig begangene Wege wählen, die Hauptstraßen und Märkte dagegen vermeiden. (...) Auch soll sie bei sich auf peinliche Sauberkeit achten und in jeder Hinsicht stets so beschaffen sein, daß der Mann sie genießen kann, wenn er will. (...)“.[9] "
21.01.19
14:19
Stratmann sagt:
Könnte der Autor des vorhergehenden Beitrags oder sonst ein kompetenter Gelehrter zu folgender Wikipedida-Passsage über al-Ghazali Stellung nehmen? Es geht hier um eine ethische Frage. Und wie sollen wir Laien ohne Arabischkenntnisse diese Wikipedia-Passage überprüfen? "Aussagen zur Stellung der Frau Al-Ghazālī hat in seiner Schrift „Das Buch der Ehe“ die wichtigsten (moral-)theologischen GrundEslagen für die Systematik des schariatischen Geschlechterverhältnisses herausgearbeitet. Demnach sei die „Heirat eine Art Sklaverei“ und „die Frau die Sklavin des Mannes (...) Deshalb hat sie ihm unbedingt und unter allen Umständen zu gehorchen (...)“.[6] In diesem Zusammenhang zitiert er diverse Überlieferungen, denen zufolge der Prophet unter anderem gesagt haben soll, dass, sofern beim Tode ihres Ehemanns dieser mit seiner Gattin zufrieden war, ihr jenseitiges Seelenheil gesichert wäre.[7] Ferner soll Mohammed geäußert haben, dass „[w]enn ich jemandem befehlen würde, sich vor einem anderen niederzuwerfen, so würde ich der Frau befehlen, sich vor dem Mann niederzuwerfen (...)“.[8] Für al-Ghazālī soll die pflichtgehorsame muslimische Frau „im Innern des Hauses bleiben und an ihrem Spinnrad sitzen (...) Mit den Nachbarn soll sie nicht viel reden und nur in dringenden Angelegenheiten sie besuchen. Sie soll stets ihren Mann im Sinne haben, mag er gegenwärtig oder abwesend sein (...) Sie soll das Haus nicht verlassen, außer mit seiner Erlaubnis, und wenn sie ausgeht, sich in abgetragene Kleider hüllen und wenig begangene Wege wählen, die Hauptstraßen und Märkte dagegen vermeiden. (...) Auch soll sie bei sich auf peinliche Sauberkeit achten und in jeder Hinsicht stets so beschaffen sein, daß der Mann sie genießen kann, wenn er will. (...)“.[9] "
21.01.19
14:30
Kritika sagt:
L.S. Herr Idris Nassery führt aus: » Zugleich beschäftigte mich in autobiographischer Perspektive schon immer die Frage, was der ethische Geist der Scharia ist Idris Nassery: weiter in wolkiger Schwelgerei: » Und Rückbezüge zu den dem islamischen Recht immanenten Aussagen der koranischen Botschaft und prophetischen Praxis sich entnehmen lassen und inwieweit sich diese für die Gegenwart fruchtbar machen lassen. « Brauchen wir tatsächlich jemand hier, der der Frage nachgeht Frage, was der ethische Geist der Scharia ist Reicht es nicht aus, sich an der Frau zu erinnern, die in Pakistan 8 Jahre lang in der Todeszelle bangen musste weil sie nach Islamischen Scharia- (un)-Rechts wegen einer Lappalie zum Tode verurteilt wurde?? Von so einem in FantasieWolken schwebender, in Islam und Koran vernarrter fanatischer Muslim, scheint mir die Gefahr aus zu gehen, dass der sich weiter radikalisiert und unter dem Ausruf "Allahu Akbar" seine wahre LebensErfüllung sucht.. Kritika meint: Herr Idris Nassery erscheint mir eher eine latente Gefahr für Deutschland denn eine Bereicherung. Gruss, Kritika
21.01.19
19:18