MUSLIMISCHE AKADEMIKER

„Allah – Schöpfer von Himmel und Erde“

Akademiker widmen sich den wichtigen Fragen der Zeit. IslamiQ möchte zeigen, womit sich muslimische Akademiker aktuell beschäftigen. Heute Mehmet Genç über die Schöpfungstheologie im Koran.

09
12
2017
Der muslimische Akademiker Mehmet Genç © privat
Der muslimische Akademiker Mehmet Genç © privat

IslamiQ: Können Sie uns kurz etwas zu Ihrer Person und ihrem akademischen Werdegang sagen?

Mehmet Genç: Nach meinem Abitur (2003) habe ich mein Zivildienst als Rettungssanitäter absolviert. Begeistert von der Medizin und dem Umgang mit Menschen habe ich ein Jahr später eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger begonnen und im Jahr 2008 abgeschlossen. Aufgrund einer Reihe von Erfahrungen aus dem medizinischen „Alltag“ und meinem Interesse am Islam habe ich mich schließlich der islamischen Theologie zugewandt. Im Jahr 2008 habe ich dann mit dem Bachelorstudium der Arabisch-islamischen Kultur und der katholischen Religionslehre an der Westfälische Wilhelms-Universität in Münster begonnen. Diesem folgte ein Master Studium in der islamischen Theologie ebenfalls in Münster. Seit August 2016 bin ich als Lehrer für den islamischen Religionsunterricht tätig. Zudem promoviere ich im Bereich der Koranexegese an der Goethe Universität in Frankfurt am Main.

IslamiQ: Können Sie uns Ihre Arbeit kurz vorstellen?

Genç: Der Arbeitstitel meiner Doktorarbeit lautet „Allah- Schöpfer von Himmel und Erde: Ein koranexegetischer Zugang zur Schöpfungstheologie“. Darin versuche ich u. a. die im Koran vorhandene Schöpfungserzählungen und andere relevante Stellen in einen größeren Kontext einzuordnen. Aus diesem Grund schaue ich mir z. B. auch verschiedene ältere altorientalische Schöpfungserzählungen bzw. Vorstellungen an und untersuche, welche intertextuellen Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede festgestellt werden können. Dies dient u. a. auch dazu, dass die koranische Perspektive in seiner „Eigenheit“ wohlmöglich besser verstanden werden kann. So sind z. B. verschiedene Schöpfungsvorstellungen des Korans nicht „spezifisch“ koranisch, sondern kommen in verschiedenen Texten des alten Orients vor. Diese „älteren“ Schöpfungsvorstellungen oder auch Bruchstücke dessen sind folglich in der einen oder anderen Art auch in der Gedanken- bzw. Glaubenswelt der Erstadressaten des Korans vorhanden. Insofern „arbeitet“ der Koran auch mit diesen Vorstellungen die in den Köpfen der Menschen auf der arabischen Halbinsel des 7. Jahrhunderts vorhanden waren.

Eine ganz andere aber zugleich grundlegende Perspektive meiner Doktorarbeit ist der methodische Umgang mit dem Koran. Denn nicht zuletzt entscheidet der Methodische Zugang zum Koran „wie“ bzw. „was“ vermeintlich aus dem Koran verstanden wird oder nicht. Insofern versuche ich mit adäquaten methodischen Mitteln die (schöpfungstheologischen) Inhalte des Korans „verstehbar“ und „erklärbar“ zu machen.

IslamiQ: Warum haben Sie dieses Thema ausgewählt? Gibt es ein bestimmtes Schlüsselerlebnis?

Genç: Das Interesse an der Thematik begann während meiner Bachelorarbeit. In meiner Bachelorarbeit habe ich mir die ältesten bzw. die ersten Verse der koranischen Offenbarung angeschaut und in thematische Schwerpunkte unterteilt. Einer dieser Schwerpunkte war die Schöpfungsthematik. Das hatte ich nicht erwartet. Das Interesse nach dem „warum“, die Schöpfungsthematik überhaupt und dass diese so früh innerhalb des Offenbarungsprozesses ihren Platz in der „Rede Gottes“ einnahm, war überraschend. Dieses Interesse setzte ich in meiner Masterarbeit fort. Dort untersuchte ich die koranischen Schöpfungserzählungen zur Erschaffung des Menschen. Meine Dissertationsarbeit ist in diesem Sinne eine Fortsetzung dieser „Neugier“.

IslamiQ: Haben Sie positive/negative Erfahrungen während Ihrer Doktorarbeit gemacht? Was treibt Sie voran?

Genç: Mit jeder Seite, die ich lese, mit jedem Abschnitt, den ich verfasse, öffnen sich immer wieder neue „Türen“, die mich weiterführen und stets mein Interesse wachhalten. Insofern denke ich, dass mich meine „akademische“ Neugier zur weiteren Forschung antreibt. Darüber hinaus erhoffe ich mit dieser bescheidenen Arbeit auch einen kleinen Beitrag zur deutschsprachigen islamischen Theologie leisten zu können.

IslamiQ: Inwieweit wird Ihre Doktorarbeit der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland nützlich sein?

Genç: Der adäquate (methodische) Zugang zum Koran ist die Grundlage für die gesamte islamische Theologie und somit auch des gelebten Glaubens. In diesem Sinne betreibe ich Grundlagenforschung anhand einer bestimmten Thematik. Insofern hat meine Forschungsarbeit das Potenzial, für „alle“ Muslime von Bedeutung zu sein. So erhoffe ich mir mit meiner Doktorarbeit einen kleinen, aber dennoch bedeutenden Beitrag leisten zu können. Dies ist zumindest mein eigener Anspruch. Allah weiß es am Besten!

Das Interview führte Muhammed Suiçmez

Leserkommentare

Kritika sagt:
L.S. Wie das Sonnensystem, die Erde und das Leben darauf entstanden sind, das ahnten die Menschen zu Zeiten der Inkas, der alten Ägypter, Griechen, Israëliten, Christen, Araber und Mohammed alle nicht. Die Wissenschaft war einfach noch weit vom heutigen Stand entfernt. Da zu allen Zeiten die jeweiligen Menschen ihre Götter erfanden, waren diese folgerichtig ebenfalls auf dem wissenschaftlichen Stand zur Zeit ihrer Erfindung. Wie hätte es auch anders sein können. Also damals auf dem sprichwörtlichen Stand von Adam und Eva. Heute is die Entstehungsgeschichte von Erde und die Evolution von Leben und Menschen weitgehend wissenschaftlich geklärt. Bei allen ernst zu nehmende heutige Menschen* hat die Evolution die nette Fabel von Adam und Eva abgelöst. Auch beim ambtierenden Papst, denn er kennt sich gut aus und will sich nicht lächerlich machen. Dass die Ur-Mohammeddaner, inclusive Mohammed high himself nicht besser wussten, als das „Allah – Schöpfer von Himmel und Erde“ sein musste ist begreiflich: Sie konnten nicht besser wissen, also übernahmen sie einfach die Biblische Schöpfungsgeschichte. Schliesslich hat Darwin erst viel später die Evolution entdeckt. Der Verfasser findet das « Überraschend » Kritika dagegen findet es einen logischen, ja weisen Schritt der damaligen die Koranverfasser. Die Biblische Adam und Eva-Geschichte mit Paradies, Schlange, Kaïn und Abel, aufsteigender Rauch usw ist doch ganz symbolreich? Gutes kann man ruhig übernehmen. Wozu etwas eigenes, muslemisches erfinden? Gruss, Kritika, * Ob der Verfasser dieses Artikels ebenfalls zur Gruppe « ernst zu nehmende heutige Menschen » zählt, darüber sollte sich jeder Leser sein eigenes Urteil bilden.
10.12.17
0:54
Charley sagt:
Mehmet Genç zielt in diesem Interview zweimal darauf hin, seinen methodischen Ansatz darzustellen. Jedesmal greift es der Interviewer nicht auf, bzw. lenkt sogar davon ab! Das ist sehr schade. So bleibt dieses interessante Thema ganz im Persönlichen stecken und auch in der Nützlichkeitsidee, die gleichfalls auf der Ebene des Persönlichen angesiedelt ist. Ein ideelles Betrachten wird ("rechtzeitig", bevor es die "fromme Gemeinde" irritieren könnte) abgewürgt. Interessant ist es, dass Mehmet Genç andeutet, dass die "schöpfungstheologischen Inhalte des Korans „verstehbar“ und „erklärbar“" gemacht werden könnten, was zugleich bedeutet, dass sie per se eben nicht verstehbar und erklärbar sind. Man merke auf: Solch ein Gedankenansatz muss der Interviewer natürlich sofort abknicken, wo doch alle Frommen glauben, die "heilige Schrift" selbstverständlich verstehen zu können. Armes Islamiq!
10.12.17
10:23
Charley sagt:
"nützlich" ist etwas im Hinblick auf einen Zweck (!). Dieses Zweckmäßige, (natürlich mir und meinen vorgegebenen Intentionen!) Nützliche hat etwas Absichtliches! Man will eben prüfen, ob es "nützlich" ist, um den Islam besser "zu verkaufen".... Es ist erbärmlich, mit welchem Niveau man hier einem Wissenschaftler begegnet, der tatsächlich es wagt, eine Erkenntnisfrage aufzuwerfen. Nein, für das Erkenntnisproblem interessiert sich islamiq nicht, es wird schlichtweg ausgeblendet und nur noch am Ende gefragt, ob man diese Arbeit ausnutzen kann, ... ist sie "nützlich"! Und dann an anderem Ort von der hochherzigen Weisheit des Islam reden. Schämt Euch!
10.12.17
17:26
Ute Fabel sagt:
Der Glaube an einen Schöpfergott bietet überhaupt keine Erkenntniserweiterung. Es drängt sich dann nur die Frage auf, wer Gott geschaffen habe und wie Gott entstanden sei. Das konnte mir noch kein Theologe beantworten. Darauf höre ich immer nur, dass diese Frage so nicht stellen dürfe. Glaubt man nicht an Gott, lautet die Frage eben, wie das Universum erschaffen wurde. Für Atheisten und Theisten bleibt die Frage nach dem Beginn letztlich unbeantwortet.
11.12.17
18:04
Charley sagt:
@Kritika, Ute Fabel: Das Problem mit der Weltentstehung ist, dass keine Wissenschaft die Tatsache des Bewusstseins erklären kann und auch nicht will. Nicht, dass man die Bedingtheiten des Bewusstseins beschreiben könnte, na klar... aber damit ist die Tatsache des Bewusstseins nicht geklärt, egal wie es bedingt ist. Zugleich ist die Evolution, einer Entwicklung des Gegebenen aus sich selbst heraus, prinzipiell eine Tatsache, auch wenn es bzgl. der Projektionen mancherlei Fragen tatsächlich gibt. Das Bewusstsein enthält zunächst "Etwasse", aber jenes Göttliche ist kein "Etwas". Auch das Bewusstsein selbst ist kein Etwas, denn es macht alle Etwasse erst bewusst, bringt diese sogar erst hervor. Insofern kann Göttliches nicht als Etwas erscheinen oder erkannt werden. Daran haken fast alle "Religionskritiken", wenngleich diejenigen, die das Bewusstsein selbst anzuschauen geschafft haben, sehr selten sind. Insofern sind viele Fromme durchaus "Traditionalisten", auch wenn mancher in den Traditionen für sich Realitäten erkannt hat. Das sollte man also diesen Menschen lassen, da es genauso, wie es keine "Gottesbeweise" auf der Ebene der Betrachtung der Etwasse geben kann, so kann auf derselben Ebene auch nichts Göttliches ausgeschlossen werden, da solches erst im Verfolg der Untersuchung des Bewusstseins durch sich selbst auftauchen könnte! "Es ist leichter zu erklären, dass Unbewusstes aus Bewusstem entsteht als dass man aufzeigen könnte, wie Bewusstes aus Unbewusstem entstehen kann".. Dalai Lama
12.12.17
19:58
Kritika sagt:
L.S. « Für Atheisten und Theisten bleibt die Frage nach dem Beginn letztlich unbeantwortet.» So schreibt Frau Fabel. Auch Teologen haben ihr da nicht weiter geholfen - sagt sie. Kritika ist hier ausnahmsweise nicht ganz Ute Fabels Meinung. Teologen verfügen zwar tatsächlich nicht über das richtigen Fachwissen, aber AstroFysiker und Fachleute der ElementarFysik bieten durchaus nachvollziehbare, logische ausserGöttliche Lösungen an. Z.B. Star Stephen Hawkins, legt in seinen Büchern dar, weshalb zur Entstehung des Kosmos die Annahme eines Schöpfers entbehrlich ist. Kritika bewundert aber auch den Autor Lawrence M. Krauss, mit seinem Buch «A Universe from Nothing» "Why there is Something rather than Nothing" mit einem mehrseitigen Afterword von niemand geringeren als Richard Dawkins. Für wer das dann besser erfassen kann gibt es vermutlich auch (zwangsläufig leicht verzerrte ) Deutsche Übersetzungen. Die Autoren richten sich an interessierte Normalmenschen. Gerichtet an Fachleute schreiben beide auch in Elementar-Fysik-Fach-Chinesisch. Gruss, Kritika
13.12.17
2:04
Kritika sagt:
An Ute Fabel, Charley, Zunächst: der Charley Beitrag vom 12.12. wurde erst offenbart nachdem, Kritika den Beitrag vom 13.12. bereits herab gesandt hatte. «Das Problem mit der Weltentstehung ist, dass keine Wissenschaft die Tatsache des Bewusstseins erklären kann und auch nicht will.» So schreibt Charley. Kritika sieht die Klärung dieser Frage für das Tema "Weltentstehung" als nicht in dem Masse entscheident an, als Sie das tun, verehrter Charley. Die Antwort auf der Frage: Wie sind Kosmos Sonnensystem Erde Mensch entstanden? könnte lauten: Das war das Werk Jehovas/Jawes Gottes Allahs. Aber sogar die ReligionsGurus behaupten unisolo "Götter können wir nicht beweisen" Auch Mehmet Genç' Dis. wird auf dasselbe hinaus laufen: "Allah kann ich nicht beweisen, Dem muss man glauben oder soll es lassen" Also: Religionen und Götter scheiden aus. Filosofen scheiden auch aus, sie haben - wie Kleriker - keine Ausbildung in Kosmologie, MolekularBiologie und KernFysik, um das Tema "Wie sind Kosmos Sonnensystem Erde Mensch entstanden?" wissenschaftlich zu erfassen. Um die letzt genannte Diziplienen kümmern sich die intelligentesten Köpfe der Welt ( Muslims sind daran nach Kritikas Wissen nicht daran beteiligt ). Diese überlegen sehr komplexe Matematische, Fysische und molukular-biologische Modelle. Eines jedoch tut kein Einziger von ihnen: die Überlegung eines Gottes oder eines Gottes Wirkens oder dessen Absicht in der Teorie einbeziehen. Wenn die klügsten Köpfe der Welt der Einfluss eines Gottes auf Entstehung und Fortbestand von Kosmos, Erde und Mensch ausschliessen, wieso sollten es dan normal begabte Menschen - wie zB Kritika - tun? Wieso sollte unsere Regierung Geld zum Fenster hinaus werfen, für Religiöse PseudoForschung wie im vorliegenden Fall - aber bei Weitem nicht darauf begrenzt? Gruss, Kritika
16.12.17
0:35