Italien

Regierung richtet Expertenrat für Islam ein

Die italienische Regierung hat einen Rat für die Beziehungen zum Islam eingerichtet. Dr. Milena Rampoldi schreibt über den Aufbau und die Ziele des Expertenrats.

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2016
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Symbolbild: Italien, Meloni © metropolico.org auf flickr.
Symbolbild: Italien, Meloni © metropolico.org auf flickr.

Am 19. Januar 2016 fand im italienischen Innenministerium, unter der Leitung des italienischen Innenministers Angelino Alfano, das erste Treffen des Rats für die Beziehungen zum „italienischen“ Islam statt. In Italien leben mehr als 1,6 Millionen Muslime. Die Zahl der italienischen Konvertiten steigt jährlich. Das Recht auf die freie Ausübung der eigenen Religion ist in der italienischen Verfassung verankert, die auch die Gleichberechtigung zwischen den verschiedenen Religionen und Glaubensrichtungen betont.

Der Rat setzt sich aus Dozenten und Experten der islamischen Kultur und Religion zusammen. Darunter finden sich die Soziologen Enzo Pace, Stefano Allievi und Annalisa Frisina, die Islamwissenschaftler Ida Zilio Grandi, Sherazade Husmand, Massimo Campanini und Francesco Zannini. Prof. Paolo Naso ist der Koordinator des Rates.

Für die italienische Regierung ist der Islam aber nicht nur eine Religion, sondern vor allem eine Kultur oder religiös geprägte Kultur. Somit gilt der Grundsatz, dass die Beziehungen zum Islam nicht abstrakte Beziehungen zum islamischen Dogma, zur islamischen Doktrin, Glaubenslehre und zum islamischen Rechts- und Wirtschaftssystem sind, sondern zu einer Gruppe von Kulturen, die sich in der gemeinsamen islamischen Religion identifizieren und wiederfinden. Daher spricht man in Italien auch vom „italienischen“ Islam als von einer dynamischen Realität, die es zu gestalten gilt, um die Demokratie zu fördern.

Ziel des Expertenrats

Das Ziel, das der italienische Staat mit der Gründung des Rats für die Beziehungen zum Islam verfolgt besteht in der Förderung des Dialogs mit den kulturellen und religiösen Identitäten eines Islams im Plural, der die italienische Demokratie nur noch verstärken kann, weil er den Frieden, die soziale Zusammengehörigkeit und die Einheit aller in Italien lebenden Bürger voranbringt und wesentlich unterstützt. Die Religionsausübung ist ein Bürgerrecht und wer auf dem italienischen Einzugsgebiet lebt, genießt dieses Bürgerrecht als verfassungsrechtlich geschütztes und gefördertes Recht.
Nur durch den Dialog mit dem Anderen erreicht man den Frieden und das friedvolle und gerechte Zusammenleben unter verschiedenen Kulturen und Religionen: diese ist die Grundüberzeugung des Islamrates in einem Land wie Italien, das im Verhältnis zu Deutschland noch am Experimentieren ist und dessen islamische Institutionen und Gemeinschaften sich noch in der Entwicklungsphase befinden.

Italien blickt aber im Verhältnis zu Nordeuropa auf ein Jahrhunderte langes Zusammenleben mit den Muslimen zurück, vor allem wenn wir an die arabische Herrschaft in Sizilien denken. Somit sind die Muslime für die Italiener die direkten Nachbarn des südlichen Mittelmeers. Das Mittelmeer ist für die italienische Demokratie ein Ort der Begegnung, ein Ort auch des Konflikts ja, aber vor allem des Zusammenlebens und der Dialektik zwischen der südeuropäischen, christlichen und der nordafrikanischen, islamisch geprägten Kultur.

Das praktische Ziel, das der Rat verfolgt, wird von Minister Alfano wie folgt beschrieben: „Der Rat hat die Aufgabe, Stellungnahmen zu verfassen und Vorschläge zu unterbreiten, die sich um Fragen rund um die Integration der Bevölkerung drehen, die aus einer islamisch geprägten Kultur und Religion stammt und nun in Italien lebt.“ Für den italienischen Ministerpräsidenten sind die italienischen Muslime Menschen, die einen Beitrag „zu einer friedlichen Entwicklung und zum Wohlstand unseres Landes beitragen können, indem sie sich an unsere Gesetze halten und unsere christliche und humanistische Tradition respektieren“. Es geht somit nicht um ein Nebeneinander-, sondern um ein wahres Miteinanderleben von Christen und Muslimen im Land.

Das Positive an der Ansprache von Alfano ist meiner Ansicht nach der Aspekt der Kultur und des Dialogs. Es geht nicht nur darum, Muslime zu assimilieren, sondern ihnen zuzuhören, ihre Stimmen als Migranten wahrzunehmen und mit ihnen gemeinsam Formen des Dialogs und Zusammenlebens zu experimentieren. Um die Gestaltung eines „italienischen“ Islam zu ermöglichen, der für Italien ein quantitativ völlig neues Phänomen darstellt, vor allem wenn man an die demographischen Entwicklungen der Halbinsel denkt, muss man experimentieren.

Diese „Experimentierphase“ umfasst Alfano zufolge die Aspekte des Zuhörens, der Förderung der muslimischen Gemeinschaften im ganzen Land, der Kooperation und der Koordinierung derselben in Zusammenarbeit mit den Gemeinschaften, die sich mit der Integration und Aufnahme von Migranten und Gastarbeitern befassen. Es sollen Initiativen ins Leben gerufen werden, die die gesellschaftliche Eingliederung von Muslimen in Italien verbessern. Das Endziel ist die soziale „Kohäsion“ im italienischen Rechtsstaat im Sinne der Demokratie und des gegenseitigen Respekts zwischen Kulturen und Religionen. Der Weg ist noch steil und voller Hindernisse. Aber die zukünftigen Entwicklungen werden unter Beweis stellen, dass dieser „kulturorientierte“ und „dynamische“ Ansatz der richtige Weg ist, um das wahre Zusammenleben in einem Land zu fördern, das wirtschaftliche Schwierigkeiten hat und trotzdem immer wieder seine Menschlichkeit unter Beweist stellt, wenn es darum geht, Flüchtlinge aus dem Meer zu retten und sie aufzunehmen.

Ganz wichtig, bezüglich der Schwierigkeiten, mit denen der „italienische“ Islam zu kämpfen hat, möchte ich ein Zitat von Paolo Naso anführen. Paolo Naso ist Waldenser und Dozent für Politikwissenschaften an der Universität La Sapienza in Rom und koordiniert auch die Studienkommission der Föderation der Evangelischen Kirchen in Italien.
„Es braucht eine dringende Lösung des Themas des Verhältnisses zwischen dem italienischen Staat und der islamischen Gemeinschaft, das seit 10 Jahren ungelöst bleibt“.

Die Diskriminierung der Muslime in Italien ist noch groß, vor allem hinsichtlich der Ausübung der eigenen Religion und des Moscheebaus. Naso fügt hinzu, wie die Muslime in Italien „unter den katastrophalen Folgen des islamistischen Terrorismus leiden und Opfer von Verleumdung und Diskriminierung sind, die ein demokratischer Staat nicht dulden darf…“ In diesem Sinne verfolgt der neu gegründete Islamrat in Italien auch das Ziel, den Islam in Italien bekannter zu machen, um die Islamfeindlichkeit im Lande und die Unwissenheit vieler Italiener, wenn es um den Islam und die Muslime geht, zu bekämpfen.