Benachteiligung aufgrund der Herkunft oder Religion gibt es überall – auch in Deutschland. Ob jemand „voll integriert“ und qualifiziert ist, spielt dabei keine große Rolle. Die Stereotype und Vorbehalte sitzen nunmal fest in den Köpfen. Wie sich diese im Alltag bemerkbar machen, schreibt Sebahat Özcan, ausgehend von einer (leider) wahren Geschichte.
In der Pause macht sich Hasan auf den Weg zum Lehrerzimmer. Er klopft. Die Tür wird direkt geöffnet. „Hallo, Herr Nowak. Ich wollte gern zur Frau Schneider.“ Freundlich zwinkert er Hasan zu, „Augenblick.“ Wenig später erscheint sie vor der Tür. Sie lächelt und schaut Hasan dabei unter ihrer Brille an. „Bitte, Hasan?“ „Ich möchte mit Ihnen über meine Note sprechen. Haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich?“, fragt er. „Natürlich“, entgegnet sie und schließt die Lehrerzimmertür hinter sich.
„Frau Schneider, ich kann meine Note ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Ich habe in allen Tests eine 2 gehabt. Es ist nicht möglich, dass ich eine 4 auf’m Zeugnis bekomme.“ „Das ist wahr, Hasan. Aber mündlich bist du eher eine 5. Da kann ich nichts machen.“ Der Satz trifft ihn wie eine Ohrfeige. „W..wie?“ Hasan ist überrascht. Er hat sich doch regelmäßig gemeldet. Er hat sogar dieselbe Leistung erbracht, wie Sarah und Tom. Sie haben ebenfalls alle Tests mit einer 2 bestanden und sind mündlich wie er. Wie kann das sein? „Ich melde mich mindestens einmal die Stunde. Das kann keine 5 sein. Es gibt auch andere in der Klasse, die genau dieselbe Leistung erbracht haben. Warum haben die anderen dann bessere Noten als ich?“ „Ich weiß nicht von wem du sprichst, Hasan.“ „Frau Schneider,…“, setzt er nochmal an und spürt deutlich, wie seine Verwunderung und Aufregung zunimmt. Seine Hilflosigkeit schnürt ihm den Hals zu. „Warum tut sie das?“, denkt er sich.
Er wird von seiner Chemielehrerin unterbrochen. „Hasan, ich denke nicht, dass du ein Abitur schaffen würdest. Du solltest dich lieber für eine Ausbildung bewerben, bevor es zu spät ist.“ Starr blickt er drein. „Ich kenne so viele Beispiele. Ausländische Schüler machen meist einfach nur schlechte Erfahrungen dort und gehen dann doch wieder ab. Das Abitur ist nichts für dich. Du wirst es nicht schaffen.“ Sie schaut ihn tröstend an, lächelt kurz und verschwindet zurück ihm Lehrerzimmer.
„Hasan sah ganz schön besorgt aus vor der Tür. Was ist denn mit ihm?“, fragt Herr Nowak, sobald sie den Raum betritt. „Es ging um seine Note. Er war nicht zufrieden und wollte mit mir darüber sprechen“, sagt sie kurz. „Immerhin geht es um die 10. Klasse, Abschlusszeugnisse. Da möchte man das bestmögliche rausholen. Er will ja das Abitur machen. Was hat er denn bekommen?“ „Er, mündlich eine 5, Dieter.“ „Was?!“, Herr Nowak verschluckt sich fast an seinem Kaffee. „Hasan ist so aufgeweckt und mitteilungsbedürftig. Ich hab’ ihn im Unterricht immer sehr aktiv erlebt. Wie kann das sein?“ Frau Schneider sieht ihn entschlossen an und sagt mit ruhiger Stimme: „Ganz ehrlich, Dieter. Was soll denn werden, wenn alle ausländischen Kinder studieren? Ich denke dabei an die Zukunft. Wir brauchen auch Fabrikarbeiter, oder nicht? Es ist doch nicht schlimm, wenn Hasan ganz wie sein Vater in einer Fabrik arbeitet.“