Interview mit Saliha Kocaman

Die älteren türkischen Migranten in Deutschland

Es gibt nur wenige Arbeiten und Studien, die sich aus verschiedenen Blickwinkeln heraus mit der ersten Generation von Migranten in Deutschland auseinandersetzen. Saliha Kocaman hat sich diesem Thema gewidmet, aus Interesse, eigener Vergangenheit und vor allem, weil sie Vorurteilen begegnete. Ein Gespräch.

06
04
2014
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Saliha Kocaman arbeitete seit 2010 als Beraterin in einem Integrationszentrum. Sie befasste sich während ihres Masterstudiums in Hamburg mit dem Thema „Ältere türkische Migranten in Deutschland“. Wir sprachen mit Frau Kocaman über die Ergebnisse ihrer Untersuchungen und über ihre Erfahrungen mit älteren türkeistämmigen Migranten in Deutschland.

IslamiQ: Wenn Sie gestatten, möchten wir mit einer etwas persönlichen Frage beginnen: Wie ist Ihr Verhältnis zu älteren Menschen?

Saliha Kocaman: Ich habe meine Kindheit nicht wie gewohnt in einer kleinen Familie mit Mutter, Vater und Kindern verbracht. Zu meinem familiären Umfeld gehörten auch Oma und Opa, sodass ich – wie es auch in den meisten türkischen Familien gängig ist – mit drei Generationen unter einem Dach gelebt habe. Bevor ich auf die Welt kam, hat meine Familie sogar mit vier Generationen zusammengelebt; die Mutter meiner Oma, meine Oma, meine Mutter, mein Vater und meine älteren Geschwister.

Meine Erinnerungen sind voller schöner Momente, die ich zu der Zeit erlebt habe, als meine Oma noch lebte. Der respektvolle Umgang meiner Mutter und meines Vaters gegenüber meiner Oma war ein sehr gutes Vorbild für uns. Deswegen sind mir die älteren Mitglieder meiner Familie auch so wichtig. Der Ausdruck „meine Familie“ umfasst demnach nicht nur meinen Mann und meine Kinder, sondern ebenso die Familie meines Mannes und meine eigene Familie. Wir versuchen, unseren Kindern dieses Verständnis zu vermitteln.

 

IslamiQ: Weshalb betreiben Sie Studien über die erste Migrantengeneration?

Saliha Kocaman: Das hat viele Gründe. An der Universität wurde ich mit vielen Fragen über die  Gastarbeiter aus der Türkei konfrontiert und bemerkte auch, dass dieser Bereich aus einem eher überwiegend von Vorurteilen behafteten Blickwinkel betrachtet wird.

Als Zweites haben mich die Gespräche, die ich mit den Einwanderern aus der ersten Generation in meiner Umgebung geführt habe, dazu verleitet, ihre Geschichten näher zu untersuchen. Ich hatte hierbei die Gelegenheit, zu erfahren, mit welchen Schwierigkeiten sich die ersten Einwanderer auseinandersetzen mussten und wie sie diese trotz vieler Einschränkungen meistern konnten.

Ihre Lebensgeschichten haben mich sehr geprägt. Die Erzählungen derer, die 1961 als erstes kamen, haben mich dazu angetrieben, ihr Leben zu untersuchen. Während meiner Studienzeit hat mich das Thema dann stets begleitet. Zudem gab es schon einige Untersuchungen über die Gastarbeiter, die aus der Türkei nach Deutschland kamen und hier bis ins Rentenalter gearbeitet haben. Die Informationen, die ich damals aus diesen Quellen erarbeitet habe, waren allgemein auf den statistischen Bereich und auf einige biographische Arbeiten beschränkt. Auch die Medienquellen berichteten von der ersten Generation leider nur, dass sie die deutsche Sprache nicht sprechen, sich nicht integrieren und eher untereinander in einer verschlossenen Art und Weise leben würden.

Was ich aber beabsichtigt habe, war, das Thema aus vielen verschiedenen Perspektiven zu bearbeiten. Deswegen habe ich Interviews mit Frauen und Männern aus der ersten Generation der Migranten aus der Türkei geführt. Ich wollte mehr über ihre Lebensweise und -bedingungen vor ihrer Auswanderung erfahren und auch die Gründe wissen, die sie zur Auswanderung getrieben haben.

Es ist ja bekannt, dass zu dieser Zeit weder die aus der Türkei nach Deutschland einreisenden Gastarbeiter noch die deutsche Regierung sich so etwas vorgestellt haben. Die Arbeiter aus der Türkei sollten nur als Gastarbeiter ihrer Arbeit nachgehen und nach ein paar Jahren wieder in ihre Heimat zurückkehren.

Sie sind aber gekommen und geblieben; warum sind sie gekommen, wie haben sie hier gelebt und warum sind sie immer noch hier, unter welchen Lebensbedingungen leben sie heute? Diesen und ähnlichen Fragen bin ich nachgegangen. Denn in der Gesellschaft gibt es durchaus negative Vorstellungen von älteren Menschen. Über sie sagen Deutsche wie auch Türkeistämmige der zweiten und dritten Generation: „Sie sind seit mehr als 50 Jahren hier, haben immer noch nicht die Sprache gelernt und sich bis heute nicht integriert.“

 

IslamiQ: Entsprechen diese negativen Aussagen auch der Realität? Ist aus Ihren Untersuchungen auch ein ähnliches Resultat hervorgegangen?

Saliha Kocaman: Das Resultat meiner Untersuchung ist ganz anders ausgefallen. Sie sind vor 50 Jahren hierher gekommen und leben seitdem hier. Und das ist nicht nur aus eigenem Wunsch geschehen, sondern ebenso auf Wunsch derer, die die damaligen Migranten hierher gebracht haben. Sie wurden vom deutschen Staat eingeladen, der sie nach paar Jahren wieder zurückschicken und andere Arbeiter aufnehmen wollte. Jedoch hat der deutsche Staat bemerkt, dass eine neue Aufnahme von Arbeitern die Arbeitskraft erheblich senken würde, da die neuen Arbeiter erneut Zeit dafür investieren müssten, sich an die Sprache und Arbeit zu gewöhnen. Die Aufenthaltsverlängerung für die schon vorhandenen Gastarbeiter war somit von wirtschaftlichem Vorteil. Genauso war es auch für die ersten Gastarbeiter von Vorteil; das verdiente Geld reichte nicht aus, um in der Türkei das erträumte Leben aufzubauen. Demnach war es für sie angemessener ihre Rückwanderung zu verschieben.

Die Behauptung, sie würden die Sprache immer noch nicht beherrschen, entspricht ebenso nicht der Realität. Obwohl sie anfangs die Sprache nicht sprechen konnten, wussten sie sich genug zu verständigen, um ihrer Arbeit nachzugehen. Ansonsten wäre es ja unlogisch zu denken, dass sie ohne ihre Arbeitgeber und Arbeitskollegen zu verstehen, es geschafft haben bis zu ihrer Rentenzeit zu arbeiten.

In Bezug auf die Meinung, dass die älteren Migranten sich nicht genug integrieren konnten, ist zu sagen, dass sie sich im Rahmen der ihnen bereitgestellten Möglichkeiten und Erwartungen sehr wohl integriert haben. Eine Gesellschaft besteht aus mehreren Systemen und Bereichen, zu denen auch der Arbeitsbereich gehört. Die erste Generation der Migranten haben sich in viele dieser Systeme integriert und haben als ein Teil dieser gelebt. Beispielsweise haben sie gearbeitet, Steuern und Versicherung gezahlt, ihre Kinder hier zur Schule geschickt.

Angesichts dieser Bemühungen ist es nicht richtig, zu erwarten, dass sie so gut Deutsch sprechen sollten wie ein Deutscher, ihre Lebensweise den deutschen Werten entsprechend sein sollte wie die eines Deutscher. Dennoch zu sagen, dass sie sich nicht integrieren konnten, würde all ihre Bemühungen und ihre Arbeit außer Acht lassen.

Die älteren türkischen Migranten in Deutschland: Eine Sekundäranalyse und empirische Erhebung zu Lebenslagen und -perspektiven dieser Gruppe [Taschenbuch], von Saliha Kocaman (Autor), Bautz, Traugott Verlag, ISBN: 978-3883096124

IslamiQ: Inwieweit ist es Ihrer Meinung nach richtig, eine Unterscheidung zwischen älteren einheimischen und zugewanderten Menschen zu treffen? Falls es diesen Unterschied gibt; was sind die Probleme, die alle älteren Menschen gemeinsam haben?

Saliha Kocaman: So eine Unterscheidung zu treffen ist möglich, sogar notwendig. Die älteren Menschen, die in Europa gelebt und alt geworden sind, haben vorerst ganz andere Arbeits- und Lebensumstände als die eingewanderten Arbeiter, die Europa zum Arbeiten aufgesucht haben und hier alt geworden sind. Folglich erwartete sie zur ihrer Rentenzeit auch eine andere Umgebung und Lebensstandard.

Ein Beispiel hierfür sind gesundheitliche Probleme. Deutschland wollte nicht irgendwelche Arbeiter aus der Türkei, sondern solche, die vollkommen gesund, arbeitsfähig und jung waren. Demnach forderte Deutschland Gesundheitsberichte und hat sie sogar noch bevor sie eingereist sind, von eigenen Ärzten untersuchen lassen, damit wirklich nur die gesunden Arbeiter hierhin kommen. Heute jedoch müssen sich alte Menschen mit verschiedenen physischen Erkrankungen auseinandersetzen. Obwohl sie kerngesund hier angekommen waren, sind sie aufgrund der schwierigen und ungesunden Arbeitsbedingungen erkrankt. Da sie nur ein paar Jahre arbeiten, so viel wie möglich an Geld ansparen und wieder zurückkehren wollten, haben sie jede ihnen angebotene Arbeit angenommen. Sie haben viele Schichten freiwillig übernommen und bei mehreren Arbeitsstellen auch länger als vorgeschrieben gearbeitet, mit der Hoffnung mehr Geld zu verdienen.

Dabei war ihnen nicht bewusst, was für Auswirkungen diese Arbeitsweise für sie haben würde. Zumal sie auch meist unter schlechten Umständen gelebt haben. Die meisten Häuser, in denen sie lebten, hatte noch nicht mal eine Heizung, die Toilette wurde mit den ganzen Hausbewohnern geteilt, oder es gab keine Duschen. Unter solchen Umständen haben sie nicht nur ein paar Jahre gelebt, sondern lange Jahre, sodass diese Umstände schwerwiegende Auswirkungen auf ihre Gesundheit hatten.

Da sie nicht mehr gesund waren, konnten sie einer zu frühen Rentenzeit nicht entkommen, sodass ihr Rentengeld zu gering ausfiel und sie ihr Leben nur knapp finanzieren konnten. So mussten sie erneut unter nicht vorteilhaften Lebensumständen weiterleben. Einigen Untersuchungen zufolge erhalten nahezu 50% der Rentner unter den Migranten Sozialhilfe, wobei dies bei den Deutschen nur 10% beträgt.

 

IslamiQ: Allgemein ist festzustellen, dass die Lebensqualität alter Migranten, die sich im Rentneralter befinden, sehr beeinträchtigt ist und sie beispielsweise wirtschaftlich, sozial, gesundheitlich benachteiligt sind. Was müsste man tun, damit sich ihre Situation verbessert?

Saliha Kocaman: An erster Stelle ist es besonders wichtig, sie über ihre Rechte und Möglichkeiten zu informieren, die ihr Leben um ein Vielfaches vereinfachen können. Obwohl alte Migranten unter schlechten Lebensbedingungen leben, sind sie kaum in der Lage, etwas dagegen zu unternehmen.

Dass sie aufgrund ihrer nicht ausreichenden Sprachkenntnisse nicht wissen, wie sie ihre Probleme ausdrücken sollen und wo genau sie Hilfe beantragen können, ist der Hauptgrund für diese Situation. Sie haben aber jahrelang gearbeitet und den Versicherungen Geld gezahlt. Also ist es auch ihr selbstverständliches Recht, dieses zurück zu bekommen. Deswegen sollten die zuständigen Behörden ihnen die Sachlage schildern und sie über ihre Rechte informieren – und das in ihrer eigenen Sprache.

Bei meiner Tätigkeit als Beraterin begegne ich sehr vielen älteren Menschen, die sagen: „Eigentlich wollte das meine Tochter/mein Sohn für mich erledigen, aber sie sind gerade sehr beschäftigt. Deswegen sind wir zu dir kommen. Es tut uns leid, dass wir dir Umstände bereiten.“ Ich erkläre ihnen oftmals, dass das meine Arbeit ist und es ein Teil meiner Aufgabe ist, ihnen bei jeder Angelegenheit behilflich zu sein. Das ist nicht immer ganz einfach, weil sie denken, dass ich das nur sage, um sie zu trösten.

 

IslamiQ: Sie sagten, dass die erste Generation die schwierigen Lebensumstände ertragen haben, weil sie auf die Rückkehr hofften. Wie lang hat diese Hoffnung angehalten?

Saliha Kocaman: Eigentlich war ihr Arbeitsvertrag anfangs auf ein bis zwei Jahre befristet. Deswegen hatten die Umstände keine größere Bedeutung. Sie dachten eher daran, genug Geld für ein neues Haus, einen Traktor oder ein Ackerfeld zu verdienen und zurückzukehren. So haben sie diese Jahre mit großem Eifer gearbeitet und versucht, diese Zeit so gut wie möglich zu nutzen.

Auch der Plan des deutschen Staates stimmte mit dem der Arbeiter überein, sodass keine zusätzlichen Vorbereitungen für sie getroffen wurden. Die Gastarbeiter sind in Wohnheimen untergebracht worden, in denen sich mehrere Personen ein Zimmer geteilt haben. Als sowohl die Einwanderer wie auch die Gastgeber bemerkten, dass die Zeit nicht ausreichend ist, wurden die Arbeitsverträge verlängert. Dies dauerte bis zum Jahre 1974, weil zeitgleich das Recht für Familiennachzug eingeführt wurde. Das bedeutete, dass die Gastarbeiter mit Migrationshintergrund die Möglichkeit bekamen, ihre Familien zu sich zu holen.

 

IslamiQ: Bedeutet das also, dass mit dem Familiennachzug auch die Hoffnung auf die Rückkehr aufgegeben wurde?

Saliha Kocaman: Nein, nicht ganz. Der Familiennachzug hat ihnen gewährleistet, mit ihren Familien zusammen zu sein. Der Gedanke war, hier genug Geld zu verdienen, um in der Türkei ein besseres Leben für die ganze Familie zu gewährleisten und danach mit Kindern und Ehepartnern zusammen nach Hause zurückzukehren. Dafür haben sie gearbeitet und es vergingen viele Jahre. Die Kinder wurden groß, haben sich hier ein Leben aufgebaut und die erste Generation wurde älter und letztendlich zu Rentnern. Sie konnten nicht zurück, aber sie konnten sich auch nicht mit dem Gedanken anfreunden, dauerhaft hier zu bleiben.

Eine Studie aus dem Jahre 2000 stellt das sehr deutlich dar. Nach dieser Studie verzichten 30% der Teilnehmer auf eine Rückkehr, weitere 30% planen immer noch eine Rückkehr und die restlichen 40% haben sich noch nicht entschieden. Hinsichtlich meiner Untersuchung habe ich ihnen die Frage gestellt, für wie lange sie die Hoffnung und Planung für eine Rückkehr hatten. Eine Antwort auf diese Frage war zum Beispiel: „Ich habe die Hoffnung auf eine Rückkehr nie verloren und auch nicht aufgegeben. Also, ich werde zurückkehren.“ Eine andere Antwort lautete: „Ich hatte 25 Jahre lang die Hoffnung zurückzukehren. Dann habe ich aber begriffen, dass ich hier geblieben bin.“ Ein weitere Antwort war: „Ich möchte zurückgehen, ich muss auch, weil ich alt und krank bin. Das Wetter hier macht meine Krankheiten nur schlimmer, aber meine Kinder sind hier. Meine Tochter hat Kinder und ich helfe ihr. Wenn ich zurückkehre, wer wird sich dann um meine Tochter kümmern?“

 

IslamiQ: Aus diesen Äußerungen kann man schließen, dass die älteren Migranten in die Türkei zurückkehren möchten. Sind sie hier geblieben, um in der Türkei ein besseres Leben aufzubauen? Also sind wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend für den Aufschub der Rückkehr?

Saliha Kocaman: Nicht nur das. Das ist nur ein Grund und vielleicht der wichtigste. Zu den wirtschaftlichen Gründen gehört vor allem, dass sie ihr Geld, welches sie in ihr Heimatland schickten, nicht effektiv genutzt wurde und sie deswegen finanziellen Schaden erlitten und enttäuscht wurden. Dass diejenigen, denen sie vertrauten und Geld zuschickten, dieses Geld nur für ihre eigene Zwecke nutzten, bescherte den Gastarbeitern viele finanzielle Probleme.

Neben diesem Grund kann auch die zu dieser Zeit unsichere und konfliktreiche politische Lage in der Türkei genannt werden. Diese hat ebenso dazu geführt, dass die Rückkehrpläne immer weiter verschoben wurden.

Die negativen Erfahrungen mit Verwandten in der Türkei haben dazu geführt, dass sich die Familienbeziehungen teilweise aufgelöst haben. Somit entstand auch das Bedenken, ihr angespartes Geld würde für das Weiterleben in der Türkei nicht ausreichen, was sie wieder dazu verleitete, sich vom Rückkehrplan abzuwenden.

Zudem ist die Tatsache, dass die Kinder der ersten Generation hier geheiratet und sich hier ein Leben aufgebaut haben, ein weiterer Grund, weshalb es der ersten Generation schwerfällt, zurückzukehren. Deutschland ist die Heimat ihrer Kinder geworden, sodass bei ihnen eine Rückkehr nicht in Frage kommt. Zudem möchte die erste Generation nicht getrennt von ihren Enkeln in der Türkei leben.

Die Möglichkeiten im sozialen wie gesundheitlichen Bereich, die soziale Hilfe, die ihnen bezüglich der Miete und Versorgung geboten wird, falls ihre Rente nicht ausreicht, sind ebenso wichtige Gründe. Doch vor allem die Möglichkeiten im Gesundheitssystem sind ein ausschlaggebender Faktor.

 

IslamiQ: Was bleibt den älteren Migranten als alternative Lebensweise übrig, wenn sie einerseits ihre Rückkehrpläne nicht verwirklicht haben, aber andererseits auch nicht wirklich hier bleiben möchten?

Saliha Kocaman: Die meisten haben die Lösung darin gefunden, ihre Rentenzeit in beiden Ländern zu verbringen. Das heißt also sechs Monate hier und die restlichen sechs Monate dort. So müssen sie ihre Familie und die sozialen Möglichkeiten, die sie hier nutzen, nicht aufgeben. Zudem können sie mit der Rente, die sie hier erhalten, in der Türkei besser leben als sie es hier tun. Es ist aber leider nicht möglich, zu behaupten, dass diese Lösung auch einwandfrei funktioniert. Die soziale Hilfe oder Mietzuschuss, die sie hier erhalten, hindert sie daran, länger in der Türkei zu bleiben. Ihnen wird ansonsten die Hilfe wieder entzogen und das bringt sie wieder in finanzielle Engpässe.

 

IslamiQ: Welche Geschichten der älteren Menschen, mit denen sie ein Gespräch führten, ist ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Saliha Kocaman: Ich habe sie nach ihrem Leben vor und nach ihrer Einwanderung nach Deutschland befragt. Alle antworten waren zwar sehr interessant, aber es gab zwei Fragen, die sehr speziell waren. Die Antworten auf die Frage, von wem sie in einer Situation, in der sie auf Versorgung angewiesen sind, Zuneigung bzw. Fürsorge erwarten, haben mich sehr berührt. Und zudem das Ideal, in ihre Heimat zurückzukehren.

Egal wie, und aus welchem Grund sie auch geblieben sind, egal wie sie gelebt haben, die meisten von ihnen haben ihren Wunsch nach der Rückkehr nie aufgegeben. Jeder von ihnen wünschte sich, im Heimatdorf neben den anderen Familienmitgliedern begraben zu werden. Deswegen haben mich die Antworten auf die Frage „Wo möchten sie nach ihrem Tod begraben werden?“ am meisten berührt.

Das Gespräch führte Rahime Söylemez.