MUSLIMISCHE AKADEMIKER

Der historische Muhammad (s) in der islamischen Theologie

Akademiker widmen sich den wichtigen Fragen unserer Zeit. IslamiQ möchte zeigen, womit sich muslimische Akademiker aktuell beschäftigen. Heute Zishan Ghaffar über die Kriterienfrage zur historischen Forschung zum Leben des Propheten Muhammad (s).

17
02
2019
Zishan Ghaffar
Zishan Ghaffar

IslamiQ: Können Sie uns kurz etwas zu Ihrer Person und ihrem akademischen Werdegang sagen?

Zishan Ghaffar: Ich stamme ursprünglich aus Pakistan und bin in Deutschland aufgewachsen. Nach meinem Hochschulabschluss habe ich an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Philosophie, Islamwissenschaft und evangelische Theologie studiert. Daran anschließend habe ich meine Promotion am Zentrum für Islamische Theologie der Universität Münster in 2017 abgeschlossen. Seit zwei Jahren arbeite ich beim Akademievorhaben „Corpus Coranicum“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und bin dort für den Kommentar des Korans verantwortlich. Dabei versuchen wir insgesamt aufzuzeigen, in welches religionsgeschichtliche Milieu hinein der Koran gewirkt hat. 

IslamiQ: Können Sie uns Ihre Dissertation kurz vorstellen?

Ghaffar: Meine bisherige Forschung und akademische Laufbahn zeichnet sich durch einen komparativ-theologischen Ansatz aus. In meiner Dissertation zur „Kriterienfrage in der Leben-Muhammad-Forschung“ bin ich der Frage nachgegangen, inwiefern sich die methodischen und theologischen Herausforderungen in der islamischen und christlichen Theologie bei der historischen Forschung zu den eigenen Ursprüngen ähneln. Ganz konkret ging es mir darum aufzuzeigen, welche Methodik für die historische Forschung zu Muhammad besonders vielversprechend ist und welche Implikationen diese für die islamische Theologie hat.

IslamiQ: Warum haben Sie dieses Thema ausgewählt? Was treibt Sie voran?

Ghaffar: Meine Forschung zeichnet sich durch die tiefe Verbundenheit zum Koran als heiligen Text und dessen exegetischer Durchdringung aus. Ich verstehe dabei die historische Forschung als einen bescheidenen Weg, sich dem Sinn der Verkündigung des Korans zu nähern und zu seinem Verständnis beizutragen. 

IslamiQ: Haben Sie positive/negative Erfahrungen während Ihrer Doktorarbeit gemacht? 

Ghaffar: Während meiner Promotionsphase war ich Kollegiat beim Graduiertenkolleg für Islamische Theologie. Es war besonders schön, sich mit muslimischen Kollegen und Kolleginnen auszutauschen, die ganz unterschiedliche Themen in ihrer jeweiligen Dissertation bearbeitet haben. Da ich komparativ-theologisch gearbeitet habe, haben sich auch einige Freundschaften zu christlichen Theologen und Theologinnen entwickelt, die ich nicht missen möchte.

IslamiQ: Inwieweit wird Ihre Arbeit der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland nützlich sein?

Ghaffar: Ich bin davon überzeugt, dass die historische und komparativ-theologische Forschung von Muslimen in zahlreichen Lebensbereichen einen wichtigen Beitrag für die muslimische Gemeinschaft leistet. Sie liefert einen wissenschaftlichen Halt für das interreligiöse Gespräch und für die Verständigung mit dem Anderen. Ebenso kann diese Impulse für die einzelnen Disziplinen der islamischen Theologie geben, etwa für das islamische Recht, wenn wir das Frauenbild auf der arabischen Halbinsel in der Spätantike und die Antworten der koranischen Theologie darauf besser verstehen.   

Das Interview führte Muhammed Suiçmez.

Leserkommentare

Frederic Voss sagt:
Hier ist auch wieder vom "islamischen Recht" die Rede. Dabei ist das islamische Recht durch die Notwendigkeit der Interpretation und Ableitung vielseitig ausgestaltet und regional sehr verschieden. Alles basierend auf behaupteten Engel-Gabriel-Erscheinungen - beginnend im Jahr 610 n.Chr. - mit dem Anspruch, die letzte und universale Gestalt der Religion zu verkünden zur Wiederherstellung der reinsten Form der Religion. Dieses auf jeden Fall von Menschen "mitgestaltete" Recht ist durchaus fehlbar und darf einem menschlichen Eingriff nicht entzogen werden. Für die Wahrung allgemeiner Menschenrechte hat das "islamische Recht" teilweise nicht viel übrig. Daher darf man selbstverständlich nicht allen islamischen Bestrebungen und Umtrieben freien Lauf lassen. Das wäre nun wirklich gefährlich. Zumal den Koran-Gläubigen strenger Gehorsam gegenüber dem Islam-Gründer - seinen (angeblichen) Wünschen & Verordnungen - und gegenüber jenen, die an der Macht sind (Sure 4 Vers 59) verordnet wird. Und sich Machthabern oder selbsternannten Autoritäten bedingungslos zu unterwerfen - das lehrt die Geschichte ständig - hat in der Regel schlimmste Folgen nach sich gezogen.
17.02.19
16:16
Emanuel Schaub sagt:
Es ist tröstlich zu lesen ,dass für den interreligiösen Austausch solche auf Rationalität basierende Arbeit geleistet wird . Und nicht -wie so oft -ohne große Sachkenntniss -über die andere Religion geurteilt wird . Ob die "Gegeseit" immer auch so denkt...? Wenn ich so an meine Gespräche mit theologisch gebildeten Gesprächpartner denke ,kommen mir doch leichte Zweifel. Betulich zur Schau gestellte Toleranz bedeutet ja eben nur das was das Wort schon andeutet :wir ertragen/dulden Euch ja schon ...was wollt Ihr mehr. Vielleicht gemeinsame Suche nach der Wahrheit? grß emanuel
18.02.19
12:48
Kafira sagt:
guten Tag, liebe Leser (oops ich hätte beinahe die liebe Leserinnen vergessen, die natürlich erst recht ) Habe ich recht verstanden, Herr Zishan Ghaffar beschäftigt mit dem Historischen Mohammed? Bekanntlich gibt es zahlreiche Römische Schriften, die belegen, dass Jesus tatsächlich gelebt hat. Der " historischen Jesus " wird von niemanden infrage gestellt. Der Charismatische Jesus ist ebenfalls allgemein akzeptiert. Das mit dem Gottessohn und der Jungfrauengeburt gehört wohl eher zur Fantasie. Der historische Mohammed ist aber keinesfalls gesichert Seriöse Wissenschaftler zweifeln daran, dass er jemals existiert hat. Es sind sogar Bücher erschienen, welche die Nicht- Existenz Mohammeds beweisen sollen. Der Koran als Einflüsterung eines Engels kann man getrost in's Reich der Fabeln verweisen. Was ist es also, das Herr Zishan Ghaffar als Fakten über den historischen Mohammed zu Tage gefördert hat? Darüber berichtet Herrr Zishan leider nichts, gar nichts. Aber genau das war die Überschrift des Berichtes. Alles Geschreibe hier also " out of Topic " ? Eine Stellungnahme des Autors würde Kafira sehr begrüssen. Kafira
19.02.19
0:15
Kritika sagt:
L.S Emanuel schreibt, - - ..was wollt Ihr mehr. Vielleicht gemeinsame Suche nach der Wahrheit? grß emanuel. Und , sehr geehrter Emanuell, wenn bei dieser gemeinsamen Suche das meist vor der Hand liegende herauskommt? Nämlich: Den Gott der Inkas hat es nie gegeben Die Mondgöttin der Ägypter hat es nie gegeben Den Gott Jaweh hat es nie gegeben Den Zeus der Griechen hat es nie gegeben Den Gott der Mohammedaner hat es nie gegeben? Wie geht es dann weiter, Emanuel? Gruss, Kritia
19.02.19
23:42
Tarik sagt:
Tatsächlich ist keine andere Person aus der damaligen Zeit (Spätantike/Übergangsphase zum sog. Mittelalter, ganz zu schweigen von der klassischen Antike) dermaßen detailliert dokumentiert wie Muhammad (s.). Wie oft wird bsp. Sokrates zitiert, dabei kennen wir ihn nur von zwei Autoren. Der eine davon, Platon, könnte sich sogar seinen Sokrates, wie er ihn darstellte, ausgedacht haben; schriftstellerisches Genie genug dazu war er jedenfalls.... Natürlich gibt es die vereinzelten populärwissenschaftlichen Werke, welche entweder die Person Muhammads (s.) in Frage stellen oder seine Rolle bei der Entstehung/Verbreitung des Islams ziemlich verkleinern. Diese Bücher, ob Luxenburg oder Tom Holland habe ich gelesen. Und ich finde die darin vorgestellten jeweiligen Thesen und Behauptungen durchaus interessant. Denn sie lassen tief blicken, z.B. zu welchem Ergebnis ein Wissenschaftler kommt, der sein Ergebnis im Grunde bereits weiß, da seine Anfangsprämisse genauso klar ist und wie sich z.B. mangelnde Kenntnisse der arabischen Sprache auf das Ergebnis auswirkt. Dies ist natürlich nicht nur ein Problem der Orientalistik als solche, dies zieht sich durch kulturübergreifend durch alle möglichen Disziplinen. Wer schreibt schon wirklich 100% objektiv? Da hilft es einem Leser, der zumindest der "Wahrheit" möglichst nahe kommen will, wirklich Bücher von ALLEN Seiten/Autoren zu lesen. Thomas Bauer hat zurecht bei seinem Kapitel über die Entstehungsgeschichte des Korans mit Hinblick auf die Forschungsergebnisse von Angelika Neuwirth (und der macht im westeuropäischen Raum niemand in Sachen Korankenntnisse etwas vor), das Fazit gezogen, dass letztlich die klassischen Versionen der Korankommentatoren und arabischen Autoren der Wahrheit höchstwahrscheinlich am nähesten kommen - etwas, das ein klassischer Orientalist vom Schlage eines Ignaz Goldziher oder Ernest Renan mit seiner ideologiebehafteten Vorurteil schon von vornherein ausschließt. Wie dem auch sei, der Autor Muhammad Hamidullah, der u.a. an der Sorbonne lehrte und selbst in den arabischen Ländern nach Quellen und Dokumenten suchte und fand, also sowohl ein Mann Feder als auch ein Mann auf dem Felde, hat mit seiner Muhammad-Biographie einen beachtenswerten anthropologischen Ansatz verfolgt, auch Martin Lings "Das Leben Muhammads" nach den frühesten Quellen" sei hier noch zu nennen, dies sind m.M. nach diejenigen Biographien von muslimischen Autoren, denen man noch am wenigsten Apologetik vorwerfen kann (naja, zumindest bei Hamidullah mit einigen Abstrichen)...... Was das "Islamische Recht" angeht. Hierzulande (zumindest im deutschsprachigen Raum) ist wohl die Tatsache unbekannt, dass Napoleon Bonaparte - bekanntlich laut seiner eigenen Briefkorrespondenz ein großer Bewunderer des Islam - Schriften und Bücher (Klassiker des islamischen Rechts) aus der malikitischen Rechtsschule (die als pragmatisch und ausgeklügelt gilt) als Vorbild für seinen "Code Civil" nahm. Bekanntlich begleiteten ihn zahlreiche Wissenschaftler und Experten aus allen möglichen Fachgebieten bei seiner Ägyptenexpedition.Es steckt also in den Gründungstexten des europäischen Rechts sehr viel mehr Scharia als der Otto-Normal-Deutsche vermutet. Und wir reden hier nicht nur von einer Art Inspiration, sondern von Artikeln, die sogar 1:1 sogar übernommen wurden, wie bsp. dass eine Person, die länger als vier Jahre als vermisst gilt, für tot erklärt wird usw. Es gibt sowohl nordafrikanische wie auch französische Rechtshistoriker, die dies im 20. Jahrhundert aufgezeigt haben. (ich hab die Namen nicht mehr auf den Schirm, da ich die Bücher a) auf französisch und b) vor 12 Jahren gelesen habe und c) es rechtliche Fachliteratur war. Aber bei Bedarf suche ich das mal zu gegebener Zeit heraus. Heute versteht man unter "Scharia" Staaten wie den Iran oder Saudi Arabien, die jedoch mit der klassischen, traditionellen Scharia nichts zu tun zu haben. Hierzu verweise ich auf den renommierten Juristen und Islamwissenschaftler Wael Hallaq und seinem Buch "The impossible State" (gemeint ist ein sogenannter "Islamischer Staat" moderner Prägung)
06.03.19
18:02
Tarik sagt:
wichtiger Nachtrag: Bei Muhammad (s.) besteht nicht das Problem von zuwenig Quellen, sondern genau das Gegenteil, es gibt eher zuviele Quellen. Es geht also weniger darum, sich aus nichtvorhandenem Material etwas zusammenzubasteln, sondern die Spreu vom Weizen zu trennen...
06.03.19
18:09