MUSLIMISCHE AKADEMIKER

„Die Sünde im Koran“

Akademiker widmen sich den wichtigen Fragen der Zeit. IslamiQ möchte zeigen, womit sich muslimische Akademiker aktuell beschäftigen. Heute Dr. Ahmet Inam über die verschiedenen Aspekte und Dimensionen der Sünde im Koran.

17
02
2018
Ahmet Inam über die Sünde im Koran. © privat
Ahmet Inam über die Sünde im Koran. © privat

IslamiQ: Können Sie uns kurz etwas zu Ihrer Person und Ihrem akademischen Werdegang sagen?

Dr. Ahmet Inam: Ich bin 1976 als der fünfte Sohn von insgesamt 6 Söhnen in Herne geboren. Ich bin verheiratet und habe drei Töchter. 1997 begann ich mit dem Studium der Sozialwissenschaften an der RUB. Nach ein paar Jahren wechselte ich zur Orientalistik/Islamwissenschaften und später kam die Religionswissenschaft dazu. Nach meinem Master in der Islamwissenschaft begann ich am „Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam“ in Frankfurt zu promovieren und schloss meine Promotion 2015 ab. Während dessen arbeitete ich zwei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Theologischen Fakultät in Gießen. Derzeit bin ich Abteilungsleiter der neu gegründeten Abteilung für „Übersetzung, Lektorat und Edition“ bei der DITIB-ZSU GmbH.

IslamiQ: Können Sie uns Ihre Arbeit kurz vorstellen?

Inam: Die Doktorarbeit befasst sich mit den verschiedenen Aspekten und Dimensionen der Sünde im Islam bzw. Koran, wie auch der Titel „Die theologischen, juristischen und sozialen Dimensionen der Sünde im Koran“ verrät. Neben semantischen Analysen und Vergleiche – insbesondere zu den verschiedenen Begriffe der Sünde – wurden mehrere theologische Themen (wie die Fürsprache, große und kleine Sünden, die Reue bzw. Umkehr von der Sünde), sozial-menschliche Themen (wie die Beschaffung des Menschen, die Einflüsse auf den Menschen) oder juristische Themen (wie die Strafe oder die Intentionsfrage bei einer Sünde) einbezogen, womit auch ein Kompendium zu diesem Thema entstanden ist. Sowohl klassische als auch zeitgenössische koranexegetische Werke waren die Hauptquellen in dieser Arbeit.

IslamiQ: Warum haben Sie dieses Thema ausgewählt? Gibt es ein bestimmtes Schlüsselerlebnis?

Inam: In einem religionswissenschaftlichen Seminar mit dem Titel Sünde übernahm ich das Referat zum Thema „Sünde im Islam“ und merkte bei der Suche nach geeigneten Literaturquellen sehr schnell, dass zu diesem Thema eine große Lücke vorhanden war. Es gab seitens der Muslime lediglich wenige Artikel, die das Thema oberflächlich anrissen oder es gab Bücher, die mehr eine Art Sündenregister waren. Dagegen gab es viele Bücher und Artikel von nichtmuslimischen Orientalisten/Islamwissenschaftlern, die die Sünde thematisierten, doch konzentrierten sich diese wiederum zumeist auf die gleichen Themen: die Entstehung der theologischen Schulen, die Diskussionen um den großen Sünder etc. Eine wissenschaftliche Abhandlung aus der muslimischen Binnenperspektive mit den verschiedensten Themen und Aspekten über dieses Thema, was für Gläubige – eigentlich aller Religionen – existenziell wichtig ist, gab es in der westlichen Islamforschung nicht.

IslamiQ: Haben Sie positive/negative Erfahrungen während Ihrer Doktorarbeit gemacht? Was treibt Sie voran?

Inam: Die Hoffnung, diese große Lücke etwas zu schließen war etwas Motivierendes für mich. Da ich ein externer Doktorand und nicht mit einer wissenschaftlichen Doktorandenstelle verbunden war, kann ich von negativen Erfahrungen als Doktorand im akademischen Alltag – wie im Gegensatz zu vielen Freunden – nicht sprechen. Mein Doktorvater Prof. Takım habe ich des Weiteren zu verdanken, dass er meinen Kompetenzen vertraute und wir somit eine sehr gute Zusammenarbeit hatten, womit ich auch den Mut besaß, eigene Ansätze, Analysen und Theorien zur Diskussion zu stellen. Wenn ich allerdings ergänzen darf, und ich spreche sowohl aus eigener Beobachtung als auch aus den vielen Unterhaltungen mit akademischen Freunden: Es ist nicht nur im Bereich der Theologie, sondern generell in den Geisteswissenschaften in den letzten Jahren gar Jahrzehnten schwierig geworden, erstens Zeit für die eigene Promotions- oder Forschungsarbeit aufgrund der vielen eigentlich als Nebentätigkeit gedachten Beschäftigungen (Bürokratie, Organisation von Veranstaltungen etc.) zu finden, als auch von nichtwissenschaftlichen Faktoren (Politik, Fördergelder etc.) unabhängig zu forschen.

Wer nach einem oder zwei Jahren als Beispiel seinen Vertrag an der Uni verlängert haben möchte, der sieht sich meistens dazu gezwungen „sich einzupassen“. Worin? Das kann die populistische Meinung des Doktorvaters sein, obwohl eine konträre Meinung bei dem Doktoranden vorhanden ist oder es kann die „geförderte Richtlinie“ sein. Mit befristeten Verträgen und der damit verbundenen Angst/Sorge um den Arbeitsplatz und aufgrund der ständigen Suche nach Fördergeldern, ist unabhängige Forschung meines Erachtens, stark begrenzt möglich. Eigentlich sehr schade für dieses Land, das in der Geschichte wissenschaftlich und philosophisch viele bedeutende Impulse gab.

IslamiQ: Inwieweit wird Ihre Doktorarbeit der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland nützlich sein?

Inam: Ein jüdisches Sprichwort besagt „Zuviel Bescheidenheit ist halber Stolz“ und dies lässt sich, je nachdem wie Stolz verstanden wird (Freude oder Selbstherrlichkeit) verschieden interpretieren. Daher möchte ich – in Relation zu beiden Interpretationen von Stolz – meinen Doktorvater zitieren, der in seinem Vorwort schrieb: „In dieser Studie bearbeitet Ahmet Inam ein Thema, über das im deutschsprachigen Raum in dieser Form fast keine Forschung und Literatur existiert. Deswegen ist seine wissenschaftliche Untersuchung sehr innovativ. Trotz der wenigen wissenschaftlichen Literatur, die auf diesem Gebiet vorhanden ist, hat sich Herr Inam diesem Themengebiet mit einer Methodik, die er selbständig entwickelt hat, vorgewagt und hat in dieser Hinsicht eine wissenschaftliche Lücke geschlossen, die neue Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Islamischen Theologie/Islamischen Studien hervorgebracht hat und damit nicht nur die in Deutschland langsam sich entwickelnde Islamische Theologie, sondern auch die Islamwissenschaft sowie andere Theologien bereichern wird.“

Was die muslimische Gemeinschaft betrifft, so kann ich hoffen, dass manche – als selbstverständlich wahr (auf)genommene – Vorstellungen über die Sünde und über die Sünder (ob Muslime oder Nichtmuslime) zumindest überdacht werden. Anders als radikale Gruppen hochmütig selbst die kleinste Sünde als eine große auffassen und entsprechend agieren, ist Gott der Barmherzige, der auch die großen Sünden vergibt. Entsprechend sollte der Umgang mit Menschen barmherzig und die Faktoren „Mensch-Fehler-Prüfung“ stets vor Augen führend sein, zumal man selbst tagtäglich Fehler begeht und verschiedensten Prüfungen ausgesetzt ist.

Das Interview führte Muhammed Suiçmez.

Leserkommentare

Kritika sagt:
L.S. Ausgerechnet „Die Sünde im Koran“ soll zu „ den wichtigen Fragen der Zeit » gehören? Auf welchen Planet lebt dieser merkwürdiger Mensch? Wieviel Geld der ehrlichen Deutschen SteuerZahler hat Studium und Promotion gekostet und wurde mit seiner sinnloser Promotion zum Fenster hinaus geworfen? Hat er wenigstens erkannt, dass als Parasiet von dem Geld hard arbeitenden Normalmenschen zu leben eine moralische Sünde darstellt? empört, über soviel Dreistigkeit, Kritika
17.02.18
23:22
Ute Fabel sagt:
Ich halte es für den falschen Denkansatz sich damit abzumühen, was alte Texten unklarer Autorenschaft gemeint haben könnten. In Wahrheit läuft das doch immer darauf hinaus, dass jeder in die Schriften hineinprojiziert, was er gerne herauslesen möchte. Menschliche Wertvorstellungen ändern sich durch selbständiges Hinterfragen von Althergebrachtem und nicht durch immer neue Exegesen der Bibel, des Korans und der Hadithe. Vor fünfzig Jahren haben noch viele Westeuropäer gemeint, Homosexualität sei unmoralisch. Wem schadet aber eigentlich, was Erwachsene aus freiem Willen in ihren Schlafzimmern machen? Solche Nachdenkprozesse haben dazu geführt, dass das die Mehrheit heute Schwul- und Lesbischsein anders sieht als früher und nicht eine bessere Auslegung religiöser Texte hinsichtlich großer und kleiner Sünden.
18.02.18
8:06
Frederic Voss sagt:
Das Thema "Sünde im Koran" ist wirklich ein sehr wichtiges Thema. Denn es hat gigantisch viel Leid und Elend in dieser Welt verursacht.
19.02.18
9:54
Johannes Disch sagt:
@Kritika (Ihr Post vom 17.02.18, 23:22) Dreist ist es vor allem von Ihnen, Herrn Inam als "Parasiten" zu bezeichnen. Davon abgesehen, dass diese Vokabel in der deutschen Geschichte eine unselige Tradition hat-- Goebbels verwendete es bevorzugt in seinen Propagandafilmen und Reden hinsichtlich der Juden--, ist es typisch deutsches Stammtisch-Denken, Studenten würden nix arbeiten und von anderer Leute Geld leben. Diese Sprüche kenne ich noch von meinem Onkel, der mich damit öfters "beglückte", als ich studierte.
20.02.18
12:57
Ute Fabel sagt:
Dreist ist, dass sich Herr Inam als Wissenschaftler bezeichnet. Wie wäre es vielleicht mit einer wissenschaftlichen Arbeit über die Wesensgleichheit der griechische Göttin Aphrodite mit der römischen Göttin Venus? Theologie ist keine Wissenschaft, genauso wenig wie Astrologie. Beides gehört nicht auf staatliche Universitäten. In Österreich gibt es eine Dame namens Gerda Rogers, die die Bevölkerung im Rundfunk lange Zeit mit Horoskopen beglückte. Ich würde es ärgerlich und anmaßend finden, wenn sie ihre Aktivitäten als wissenschaftlich und akademisch bezeichnen würde. Das tut sich aber richtigerweise nicht, denn sie weiß, wo ihre Grenzen liegen. Andere wissen das scheinbar nicht.
22.02.18
14:27
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (Ihr 22.02.18, 14:27) -- "Theologie ist keine Wissenschaft..." (Ute Fabel) Selbstverständlich ist sie das, ebenso, wie beispielsweise Philosophie und Soziologie eine (Geistes-und Sozial)Wissenschaft darstellen. Geistes-und Sozialwissenschaften arbeiten einfach mit anderen Instrumenten, als die Naturwissenschaften. Ihr Vergleich der Theologie mit der Astrologie ist-- wie die meisten ihrer Vergleiche-- ein Vergleich mit Äpfel und Birnen. Vielleicht machen sich erst einmal kundig über die Grundlagen eines Themas -- hier: Wissenschaft--, bevor sie zu allem ihren Senf abgeben, wo die Motivation ihrer Posts ausschließlich von ihrer Abneigung gegen Religion im allgemeinen und gegen den Islam im besonderen bestimmt ist.
23.02.18
9:10
Ute Fabel sagt:
@ Johannes Disch: Um zum Philosophie- oder Soziologiestudium zugelassen zu werden oder unterrichten zu dürfen, sind Glaube oder Unglaube sowie der politische Standpunkt völlig gleichgültig. Das macht diese Disziplinen zu Wissenschaften. Evangelische, katholische oder islamische „Theologie“ kann man hingegen nur lernen und lehren, wenn man dieser Konfession angehört. Die so genannten „theologischen Fakultäten“ sind in Wahrheit Religionsakademien auf Staatskosten. Sie sind genauso wenig wie die Parteiakademien der CDU oder SPD wissenschaftliche Einrichtungen und gehören von den Universitäten verbannt.
24.02.18
13:15
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel Dann stellen sie doch einen Antrag, um solche "Religionsakademien" (Ute Fabel) von den Unis verbannen zu lassen. Starten sie dafür eine Aktion im Netz, gründen sie eine Bürgerinitiative oder eine Partei, die sich diesem Ziel verschwört, etc... Alleine durch Posts bei "Islamiq" werden sie das nämlich nicht erreichen.
26.02.18
21:40