Protestmarsch

#NichtMitUns

Zu Tausenden wollen Muslime am Samstag in Köln ein Zeichen gegen Terror setzen. Muslimische Vertreter zeigen sich gespalten. Es gibt Unterstützung und Kritik.

13
06
2017
#NichtMitUns - Gegen Gewalt und Terror © Facebook
#NichtMitUns - Gegen Gewalt und Terror © Facebook

In Großbritannien verweigerten nach den jüngsten Terroranschlägen in London und Manchester mehr als 130 Imame und muslimische Persönlichkeiten den Attentätern das traditionelle Bestattungsgebet. Auch in Deutschland haben nach der Terrorwarnung bei Rock am Ring der Veranstalter Marek Lieberberg sowie die Bundespolitikerinnen Katrin Göring-Eckhard (Bündnis 90/Die Grünen) und Cemile Gioussuf (CDU) die Muslime in Deutschland dazu aufgerufen, sich von Terror zu distanzieren. Groß angelegte Kundgebungen in diesem Sinne hatte es in der Vergangenheit des Öfteren gegeben, etwa nach dem 11. September 2001 oder nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt Ende 2016.

„Wir lassen es nicht zu, dass Terroristen im Namen des Islams, aber auch nicht im Namen anderer Religionen und anderer Ideologien Unschuldige töten und alles beschmutzen, was uns als Menschen im 21. Jahrhundert wichtig ist“, heißt es auf der Internetseite der Veranstaltung. Hinter der Demonstration stehen die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor und der Friedensaktivist Tarek Mohamad.

Ammenmärchen

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, erklärte in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, es sei ein „Ammenmärchen, wenn jemand behauptet, wir Muslime würden nicht Gesicht zeigen“, und verwies dabei auf Demonstrationen und Solidaritätskundgebungen. Er sprach aber dennoch seine Unterstützung aus.

Indes sprach sich der Generalsekretär der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), Bekir Alboğa, laut „Kölner Stadt-Anzeiger“ für die Unterstützung der Großdemo von Muslimen gegen den Terror aus: „Wir haben schon bisher jeden Anschlag aufs Schärfste verurteilt. Wenn diese Initiative dazu beiträgt, dass dies künftig auch in der breiten Öffentlichkeit besser wahrgenommen wird, wäre ich sehr glücklich“, sagte Alboğa. Die Entscheidung, ob DITIB die Aktion offiziell unterstützen wird, steht noch aus.

„Gute“ und „schlechte“ Muslime

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des ZMD, Mehmet Alparslan Çelebi, äußerte sich hingegen distanziert. „Nehmen die Verbände nicht teil, ist man plötzlich der einzige ‘humane‘ und ‘liberale‘ Ansprechpartner für die Politik und Medien im Kampf gegen Extremismus und für einen ‘modernen Islam‘.“ Die Erwartungshaltung in der Politik, Medien und Gesellschaft, dass sich Muslime nach Terroranschlägen deutlich distanzieren sei zu einem politischen Mittel geworden, Muslime und deren Religionsgemeinschaften in „gute“ und „schlechte“ zu trennen.

Ursachen von Terrorismus

Deutlich kritischer äußerte sich der Vorsitzende des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland, Burhan Kesici, gegenüber IslamiQ. Eine Demonstration sei zwar öffentlichkeitswirksam, doch wird sie das Problem nicht in seinem Kern lösen. „Allein in den vergangenen zwei Jahren gab es den bundesweiten Aktionstag des KRM gegen Gewalt, Unrecht und Rassismus, die Mahnwache in Berlin und diverse Kundgebungen nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz. Es dauerte jedoch keine zwei Wochen, bis es dann wieder hieß: Die Muslime müssen sich noch entschlossener gegen den Terror äußern“, so Kesici.

„Wir können nicht warten, bis der letzte Rockkonzertveranstalter wahrnimmt, wie die Muslime zu diesen schrecklichen Taten stehen“, so der Islamratsvorsitzende weiter. Auch könne man nicht abwarten, bis Politiker und Politikerinnen überzeugt sind, dass eine Verurteilung vonseiten der Muslime entschlossen genug ist. Kesici: „Ich denke, dass hierzu endlich die grundlegenden Ursachen des Terrors bekämpft werden müssen. Hierzu gehört, dass der Krieg und die humanitäre Katastrophe z. B. in Syrien beendet werden und Faktoren, die insbesondere Jugendliche anfällig für Terrorismus machen, angegangen werden müssen.“ (KNA, iQ)

Leserkommentare

grege sagt:
Dieser Artikel offentbart mal wieder, dass die Führungspersonen der Islamverbände zu keinerlei Selbstkritik bereit sind. Ebenso ist hier kein Engagement erkennbar, die extremistisch gesinnten Gruppierungen innerhalb der muslimisch gesinnten Community zu isolieren und sich von diesen abzugrenzen.
15.06.17
23:13