Wissenschaftler

Keine Radikalisierung in Moscheen

Islamwissenschaftler lehnen Kauders Radikalisierungsvorwürfe gegen Moscheen ab und fordern eine sachliche Debatte. Radikalisierungen fänden oftmals im Umfeld und nicht in der Moschee statt.

02
05
2016
Symbolbild: Merkez-Moschee der DITIB in Duisburg-Marxloh © by Arne List auf flickr.com (CC BY 2.0), bearbeitet IslamiQ

Der Islamwissenschaftler Bülent Uçar fordert nach dem Vorstoß des Unions-Fraktionschefs Volker Kauder zur Moschee-Kontrolle eine sachlichere Debatte. „Es ist wissenschaftlich nicht belegt, dass Extremisten und Gewaltverherrlicher aus dem Umfeld von Moscheen stammen“, sagte der Professor und Leiter des Instituts für Islamische Theologie an der Universität. „Religiöse Extremisten und Salafisten radikalisieren sich oft durch Bücher, Internet und das Umfeld.“

Eine „Kollektivhaftung“ von Moschee-Besuchern sei daher „befremdlich“. Stattdessen sei eine Versachlichung der Debatte notwendig. Uçar sagte: „Wir brauchen keine weitere Intensivierung der ohnehin bestehenden gesellschaftlichen Hysterie im öffentlichen Islamdiskurs.“ Die demokratischen Kräfte dürften sich in dieser Frage nicht von Rechtspopulisten treiben lassen.

Der Jurist und Islamrechtler Ҫefli Ademi weist den Radikalsierungsvorwurf gegen Moscheegemeinden ebenfalls zurück und kritisiert die Aussage Kauders als Populismus. „Das Problem sehe ich eher in einem populistischen Aktionismus, wie er zurzeit von Herrn Kauder betrieben wird. Dieser Vorstoß ist verfassungsfeindlich, weil er Moscheegemeinden und Muslime generell unter einen Pauschalverdacht stellt“, so Ademi in einem Interview.

Die große Mehrheit der Moscheen in Deutschland arbeite präventiv gegen Radikalisierung und müsse kooperativ unterstützt werden meint der Wissenschaftler. „Ich glaube ein Radikalisierungsproblem gibt es in den Mehrheitsmoscheegemeinden in Deutschland nicht. Ganz im Gegenteil. Sie leisten Graswurzelarbeit um gerade Radikalisierung vorzubeugen. Das bedeutet, dass wir eine stärkere Kooperation mit den Moscheegemeinden suchen sollten, anstatt diese wieder zu problematisieren“, fordert der Jurist.

Ҫefli Ademi ist wissenschaftlicher Mitarbeit am Zentrum für islamische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. (KNA/iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Der bekannte Schriftsteller Günter Wallraff (Buch "Ganz Unten", in welcher er in die Rolles des Türken Levent (Ali) Sigirlioğlu geschlüpft ist) und entschlossener Kämpfer gegen Ausländerhass hat schon 2007 angeboten, in Moschen aus Salman Rushdies Werk "Die satanischen Verse" zu lesen. Dies könne die Integration der in Deutschland lebenden Muslime erleichtern, indem ein Zeichen für die demokratisch-aufgeklärte Grundordnung gesetzt und ein deutliches Zeichen gegen den Islamismus gesetzt würde. DİTİB lehnte den Vorschlag leider ab.
02.05.16
13:23
Das Bedenklichste sagt:
Warum sollten in einem Gotteshaus weltliche Texte zur Erbauung, literarischen Bildung oder was auch immer gelesen werden? Ein Gotteshaus und das ist eine Synagoge, Tempel, Kirche und auch eine Moschee dient allein der Andacht und Versammlung zur Feier religiöser Riten. Mag sein dass sich Religionsgemeinschaften deren Gotteshäuser permanent leer stehen dazu entscheiden sie auch für nicht religiöse Aktivitäten umzuwidmen, doch das geschieht nur aus der Not heraus. Orte zum Beglücken des eigenen Sendungsbewusstseins sind und bleibt das Café, der Stammtisch und seit neuesten auch das Internet.
02.05.16
18:30
Manfred sagt:
@Ute Fabel: Warum sollen Muslime zustimmen, dass in ihren Moscheen aus einem Buch gelesen wird, von dem sie sich beleidigt fühlen? Das ist aber ein rechter Blödsinn. Dass Wallraff das vorgeschlagen hat, macht den Vorschlag nicht besser.
02.05.16
18:40
Manuel sagt:
Die Al-Nur-Moschee in Berlin, ein Hort der Salafisten, hat der gute Wissenschaftler wohl vergessen! Außerdem wird über DİTİB der türkische politische Islam a la Erdogan verbreitet.
04.05.16
12:16
otto sagt:
@Manfred vielleicht sollte man sich auch mit Menschen und deren Ideen auseinandersetzen die man nicht teilt. Stichwort Toleranz, etwas ertragen erdulden können. Ist eine Fatwa ein Todesurteilen ein Zeichen von Toleranz ?
05.05.16
3:08