Der neue Tugendterror

Thilo Sarrazin: Kulturrassist hat nix dazu gelernt

Thilo Sarrazins neues Buch „Der neue Tugendterror“ knüpft an den Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ an. Der Autor kritisiert erneut Islam und Muslime. Kritik an den Thesen Sarrazins äußert der Migrationsforscher Klaus J. Bade.

24
02
2014
0

Der umstrittene Autor Thilo Sarrazin hat heute in der Bundespressekonferenz Berlin sein neues Buch „Der neue Tugendterror“ der Öffentlichkeit vorgestellt. In seinem neuen Buch benennt der Ex-Banker und Ex-Finanzsenator von Berlin 14 angeblich vorherrschende Denk- und Redeverbote in Deutschland. Dabei bezieht sich das SPD-Mitglied auch auf die von ihm selbst angestoßene sog. Sarrazin-Debatte und behauptet, man habe versucht, ihm zu verbieten, seine Meinung frei äußern zu dürfen.

In seinem neuen Buch greift Sarrazin auch erneut den Islam und die Muslime an. So behauptet der Autor, dass eine „muslimische Prägung von Kulturen“ sich negativ auf die Qualifikation und Bildung von Einwanderern und ihren Nachkommen auswirke. Ebenso behauptet Sarrazin Muslime neigten zu Gewalt und der Islam sei keine friedliche Religion. Der Autor bedient sich dabei auch bei Zahlen aus Studien des Bundesinnenministeriums und des Bundesfamilienministeriums zu Muslimen und Migranten in Deutschland.

Bade: Nichts dazugelernt

Die Interpretation dieser Zahlen und der Studien in der Form, wie es Sarrazin tut, sind jedoch laut Experten nicht zulässig. Darauf macht auch der Migrationsforscher Klaus J. Bade in einer ausführlichen Rezension des neuen Buches aufmerksam. Im Migazin erklärt Bade, dass die von der damaligen Familienministerin Kristina Schröder (CDU) in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Schnellgutachten, die den „vermeintlichen Zusammenhang von muslimischem Glauben und Gewaltaffinität bei Jugendlichen nachweisen sollten“, dies gar nicht gekonnt haben. Sie dementierten sogar klar eine solche Sichtweise, „denn es geht hier nicht primär um Religionsfragen, sondern vorwiegend um eine Mischung von Milieuproblemen und sozial aggressivem Macho-Gehabe.“

Bade attestiert in seiner Rezension Thilo Sarrazin einen Kulturrassismus. Er habe von den Debatten der letzten Jahre nichts dazu gelernt und sei der substanziellen Kritik an seinen Thesen ausgewichen und habe diese gezielt ignoriert. „Er bleibt seinen Leitargumenten starrsinnig treu, breitet ihr geistiges Fundament nur weiter aus und greift in wesentlichen Argumentationslinien auf seinen Bestseller ‚Deutschland schafft sich ab‘ zurück. Er unterfliegt aber dessen wenigstens gelegentlich noch tendenziell wissenschaftlich wirkendes Niveau in normativ-weltanschaulichem Feuilleton oder gar bloßem Meinen mit eingestreuten Zitaten“, schreibt Bade.

Sarrazin von ARD zwei Mal ausgeladen

Rassismus erkannte auch der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD). Diese hatte im vergangenen Jahr befunden, dass Thesen von Thilo Sarrazin eindeutig rassistisch gewesen seien. Die in einem Interview mit der Zeitung „Lettre International“ getätigten Äußerungen zu Türken und Arabern, die auch später als Thesen Einzug in den Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ fanden, waren laut CERD rassistisch. Deutschland hätte seine Bevölkerung besser vor den Thesen Sarrazins schützen müssen, urteilte das CERD und rügte die Bundesregierung. Auch hätte laut CERD die zuständige Staatsanwaltschaft in Berlin Anzeigen gegen Sarrazin wegen Rassendiskriminierung besser nachgehen müssen. Die Staatsanwaltschaft hatte mit Verweis auf die Meinungsfreiheit Ermittlungen gegen Sarrazin abgelehnt.

Wie die BILD-Zeitung, die exklusiv vorab aus dem Buch zitierte, in ihrer heutigen Ausgabe berichtet, wurde Thilo Sarrazin unterdessen von der ARD aus zwei Sendungen ausgeladen. Ein Auftritt beim regionalen Sender RBB, in der ein Interview mit Sarrazin geführt werden sollte und ein Auftritt in der Sendung „Sandra Maischberger“ im Ersten wurden aufgrund anderer Themen und Termindruck abgesagt.