Beschneidungsbeschluss

OLG Hamm konkretisiert Beschneidungsgesetz

Das Oberlandesgericht Hamm hat die kulturell begründete Beschneidung eines 6 Jahre alten Jungen verboten. Das Gericht konkretisierte dabei die Anforderungen an eine Beschneidung und begründete den Beschluss mit dem Kindeswohl. Die Entscheidung könnte auch Auswirkungen auf Muslime haben.

27
09
2013

Mit Beschluss vom 30. August hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm einer Mutter vorläufig verboten, ihren 6 Jahre alten Sohn beschneiden zu lassen. Das Gericht bestätigte damit einen Beschluss der Vorinstanz und konkretisierte die neuen rechtlichen Vorgaben zur Beschneidung von Jungen. Diese waren erst im Dezember des vergangenen Jahres von Bundestag und Bundesrat im Eilverfahren verabschiedet worden, um die bei Beschneidungen von muslimischen und jüdischen Jungen herrschende Rechtsunsicherheit aufzuheben.

Laut Beschluss des OLG müssten Eltern umfassend über den Eingriff der Beschneidung informiert und aufgeklärt werden und auch das Kind müsse in einer verständlichen Sprache informiert und gefragt werden. Dabei sei es unerheblich, ob das Kind selbst über seine Beschneidung entscheiden könne oder nicht. Eine Einbeziehung und Berücksichtigung bei der Entscheidung sei nötig.

Kulturelle und hygienische Gründe für Beschneidung

Im aktuellen Fall streiten sich die geschiedenen Eltern eines 6 Jahre alten Jungen in einem einstweiligen Anordnungsverfahren über die Beschneidung des Sohnes. Das Kind lebt im Haushalt der 31 Jahre alten Mutter, die aus Kenia stammt und der auch das alleinige Sorgerecht zusteht. Die Mutter will den Jungen beschneiden lassen, damit dieser bei Besuchen in Kenia als vollwertiger Mann angesehen und geachtet wird – insbesondere bei der eigenen Verwandtschaft. Außerdem hält die Mutter eine Beschneidung aus hygienischen Gründen für geboten.

Der 3. Senat für Familiensachen des OLG Hamm entschied, dass die Mutter ihren Sohn zurzeit nicht beschneiden lassen darf. Es beschloss zudem, dass die Entscheidungsbefugnis über diese Frage dem zuständigen Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen bleibt. Die zwischen den Eltern strittige Frage der Beschneidung des Jungen könne zurzeit nicht zugunsten der Mutter entschieden werden.

§ 1631 d Bürgerliches Gesetzbuch – Beschneidung des männlichen Kindes

(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.

(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.

Gericht präzisiert Beschneidungsvorschrift

Nach der neu geschaffenen Vorschrift des § 1631 d BGB habe die allein sorgeberechtigte Mutter zwar grundsätzlich das Recht, in die medizinisch nicht indizierte Beschneidung des Jungen einzuwilligen, solange der Junge diese Frage nicht selbst entscheiden könne. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einwilligung der sorgeberechtigten Mutter in eine Beschneidung lägen allerdings nicht vor.

Auch wenn ein Sechsjähriger noch nicht in der Lage sei, über seine Beschneidung selbst zu entscheiden, verpflichte die gesetzliche Vorschrift die sorgeberechtigten Eltern und – im Falle eines mehr als sechs Monate alten Kindes – auch den Arzt, die Beschneidung mit dem Kind in einer seinem Alter und Entwicklungsstand entsprechenden Art und Weise zu besprechen und die Wünsche des Kindes bei der elterlichen Entscheidung zu berücksichtigen.

Gefährdung des Kindeswohls

Im vorliegenden Fall hätten diese Anforderungen nicht vorgelegen und eine entsprechende Beteiligung des Kindes an der Entscheidung habe nicht stattgefunden. Die Einwilligung der Mutter sei nur dann wirksam, wenn diese über den Eingriff zuvor ordnungsgemäß und umfassend aufgeklärt worden sei. Es habe nicht dargelegt werden können, dass eine solche Aufklärung stattgefunden hat.

Im vorliegenden Fall sei es außerdem gerechtfertigt, der Kindesmutter die Befugnis zur Einwilligung in eine Beschneidung ihres Kindes vorläufig zu entziehen. Zurzeit spreche eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Gefährdung des Kindeswohls, wenn eine Beschneidung vollzogen werde.

Einzelfall mit Signalwirkung?

Der Senat entschied, dass die Motive der Kindesmutter für eine Beschneidung zwar grundsätzlich eine nicht medizinisch indizierte Beschneidung rechtfertigen könnten. Im vorliegenden Fall hätten sie allerdings ein geringeres Gewicht, weil die Familie der Kindesmutter ihren ständigen Lebensmittelpunkt in Deutschland habe, Besuche in Kenia selten möglich seien und der Junge auch evangelisch getauft sei.

Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Intimhygiene des Kindes ohne die Beschneidung gefährdet sei. Gegen eine Beschneidung spreche nicht, dass diese medizinische Risiken habe und Schmerzen verursachen könne, weil diese Umstände mit jeder nicht medizinisch indizierten Beschneidung verbunden seien. Im vorliegenden Fall gebe es aber gewichtige Gründe dafür, dass eine zum jetzigen Zeitpunkt durch die Kindesmutter veranlasste Beschneidung das psychische Wohl des Sechsjährigen beeinträchtige. Insbesondere weil sich die Kindesmutter nach eigenen Angaben außerstande sehe, ihren Sohn bei dem Eingriff – auch wenn er ihn ablehnen sollte – zu begleiten. Der Beschluss ist rechtskräftig. (3 UF 133/13)

Rechtsunsicherheit für Muslime

Im Juni 2012 hatte das Landgericht Köln die Beschneidung eines Jungen als mögliche Körperverletzung eingestuft und damit eine Debatte über die Praxis der Juden und Muslime ausgelöst. In der Folge verabschiedete der Deutsche Bundestag im Dezember 2012 eine Gesetzesvorlage, um für Muslime und Juden in Deutschland wieder Rechtssicherheit zu schaffen und die Beschneidung von Jungen gesetzlich zu erlauben.

Bereits damals hatte Mustafa Yeneroğlu, Jurist und stellvertretender Vorsitzende der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) auf die stellenweise unbestimmte Regelung in der Formulierung des Gesetzes hingewiesen und die Befürchtung geäußert, dass diese durch die Gerichte unterschiedlich ausgelegt werden könnten. Angesichts des jüngsten Beschlusses sieht sich Yeneroğlu in seiner damaligen Einschätzung bestätigt. Zwar weise der hier entschiedene konkrete Einzelfall Besonderheiten auf, die nicht verallgemeinerungsfähig seien und insofern der Beschluss des Gerichts nachvollziehbar wäre, doch gebe es Ausführungen in der Begründung, über die man streiten könnte. Yeneroglu weist darauf hin, dass die Begründung durch das Gericht, sollte sie so übernommen werden, zu streitigen Urteilen auch bei muslimischen Kindern führen kann. Muslimische Eltern sollten daher überlegen, nicht allzu lange zu warten und ihre Söhne möglichst früh beschneiden zu lassen.

Leserkommentare

Wilhelm sagt:
Eine religiös motivierte Beschneidung ist in der Tat eine massiv abzulehne grausame archaische Praxis, die weder ethisch noch - in überwiegend und meisten Fällen- strikt abzulehnen ist. Wenn Religionen nur solche - mehr als fragwürdigen "Fazinationen" und "Bräuche" zu bieten haben- sollten sie mal "in sich gehen". So wie es der jüdische Theologe und Relgions- Philosoph Abraham Geiger vor über 150 Jahren getan hat. Leider haben die Nazis diesen noblen Judaismus wieder kaputt gemacht, dergestallt, dass man wieder in längst zu überwindende Verhaltensmuster verfallen ist. Im Grunde gilt das Gleiche für den Islam, obwohl hier noch weniger Reform "von Innen" statt gefunden hat. Die Ergebnisse solcher - den Christen nachgemachte- Bluttheologien- produzieren tag für Tag die entsprechenden Ergebnisse.. Christian Bitte den Klarnahmen nicht veröffentlichen
29.06.16
14:53