Fast jede zweite Muslimin und jeder zweite Muslim in Europa berichtet von Diskriminierung: Der European Islamophobia Report 2024 dokumentiert einen deutlichen Anstieg antimuslimischer Vorfälle – auch in Deutschland.

Antimuslimischer Rassismus hat sich in Europa im Jahr 2024 weiter ausgeweitet und in vielen gesellschaftlichen Bereichen verfestigt. Zu diesem Ergebnis kommt der European Islamophobia Report 2024, der zum zehnten Mal Diskriminierung und Ausgrenzung von Musliminnen und Muslimen in Europa dokumentiert. Der Bericht spricht von einer zunehmenden Normalisierung islamfeindlicher Narrative in Politik, Medien, Sicherheitsbehörden und Bildungseinrichtungen.
Als zentralen politischen Kontext für die Entwicklung benennt der Report den Krieg in Gaza. Laut den Autorinnen und Autoren hätten zahlreiche europäische Staaten zivile Opfer kaum thematisiert und stattdessen Versammlungen und Proteste eingeschränkt.
Insbesondere muslimische Aktivistinnen und Aktivisten seien häufiger von Überwachung, Strafverfolgung und polizeilichen Maßnahmen betroffen gewesen. Öffentliche Debatten seien stark polarisiert worden, muslimische Stimmen häufig unter Generalverdacht geraten.
Gestützt werden diese Einschätzungen durch Daten der EU-Grundrechteagentur (FRA). Demnach gaben 47 Prozent der befragten Musliminnen und Muslime an, in den vergangenen fünf Jahren Diskriminierung erlebt zu haben – ein deutlicher Anstieg gegenüber 39 Prozent im Jahr 2016. Besonders betroffen seien Frauen, insbesondere wenn sie religiöse Kleidung tragen. Hohe Werte wurden unter anderem für Deutschland, Österreich und Finnland gemeldet.
Zugleich verzeichneten mehrere Länder einen Anstieg islamfeindlicher Straftaten. In Großbritannien dokumentierte die Organisation Tell Mama laut Bericht die höchste Zahl antimuslimischer Vorfälle seit Beginn der Erfassung. Auch im digitalen Raum habe sich die Verbreitung islamfeindlicher Inhalte verstärkt, darunter KI-gestützte Desinformation und Verschwörungserzählungen.
Für Deutschland zeichnet der Bericht ein besonders kritisches Bild. Der Bericht sieht 2024 als ein Jahr massiver politischer und gesellschaftlicher Zuspitzung. Die Bundesregierung habe Israel politisch, rechtlich und militärisch unterstützt und gleichzeitig eine restriktive Migrations- und Sicherheitspolitik verfolgt. Pro-palästinensische Demonstrationen seien laut Bericht häufig untersagt oder mit polizeilicher Härte aufgelöst worden.
Zudem kritisiert der Report Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit. An Hochschulen habe sich demnach eine Atmosphäre des Generalverdachts entwickelt, in der Fördermittel, Veranstaltungen oder Arbeitsverhältnisse von politischen Positionierungen abhängig gemacht worden seien. Muslimische, palästinensische und solidarische Stimmen seien in Politik und Medien wiederholt als „antisemitisch“ oder „terrorismusnah“ stigmatisiert worden, so der Bericht.
Als Folge dieser Entwicklungen verweist der Report auf einen deutlichen Anstieg offiziell erfasster Vorfälle. Für 2024 nennt er 1.848 polizeilich registrierte islamfeindliche Straftaten sowie 11.405 Beratungsanfragen bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die tatsächliche Dimension lasse sich jedoch nicht allein in Zahlen abbilden, betonen die Autorinnen und Autoren.
Der European Islamophobia Report fordert unter anderem, antimuslimischen Rassismus offiziell als eigenständige Form von Diskriminierung anzuerkennen und in nationale Aktionspläne gegen Rassismus aufzunehmen. Sicherheits- und Antiterrorgesetze müssten überprüft, Grundrechte wie Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit besser geschützt werden. Zudem solle die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen gestärkt und die Datenerfassung zu Hasskriminalität verbessert werden.
Nur durch koordiniertes politisches Handeln und nachhaltige Investitionen in Prävention und Bildung könne die weitere Verfestigung islamfeindlicher Strukturen in Europa aufgehalten werden, heißt es abschließend.