Eine führende Vereinigung von Genozidforschern wirft Israel vor, im Gazastreifen Völkermord zu begehen. Während Hilfsorganisationen Alarm schlagen, sorgt ein umstrittener US-Nachkriegsplan für weitere Kontroversen.

Die International Association of Genocide Scholars (IAGS), die weltweit führende Fachgesellschaft für Völkermordforschung, hat in einer Resolution festgestellt, dass Israels Handeln im Gazastreifen die Kriterien für Völkermord nach der UN-Konvention von 1948 erfüllt. Die Erklärung wurde am Montag mit einer Zustimmung von 86 Prozent der Mitglieder verabschiedet, wie die Präsidentin der IAGS, Melanie O’Brien, mitteilte. Eine Stellungnahme aus Jerusalem blieb bislang aus.
Israel weist den Vorwurf zurück und betont, im Gazastreifen ausschließlich in Selbstverteidigung gegen die Hamas zu handeln. Zugleich läuft in Den Haag eine Klage wegen des Vorwurfs des Völkermords. Fachleute wie der US-israelische Holocaustforscher Omer Bartov hatten den Vorwurf bereits zuvor öffentlich erhoben. Unterstützung erfährt die Resolution unter anderem von der Hamas, deren Sprecher erklärte, die Entscheidung untermauere die vor internationalen Gerichten vorgelegten Beweise.
Die Lage im Gazastreifen bleibt dramatisch: Nach Angaben der Gesundheitsbehörde sind seit Beginn des israelischen Genozids im Oktober 2023 mehr als 200.000 Menschen, getötet worden, die meisten Gebäude zerstört und fast alle Bewohner zur Flucht gezwungen. Zudem warnte die internationale IPC-Initiative jüngst vor einer Hungersnot, die über eine halbe Million Palästinenser betrifft. Allein in den letzten 24 Stunden seien nach Behördenangaben neun weitere Menschen, darunter drei Kinder, an Unterernährung gestorben.
Parallel dazu haben Frauen- und Hilfsorganisationen am Montag in Wien auf das Leid der Zivilbevölkerung aufmerksam gemacht. Sie forderten bei einer Kundgebung vor der Diplomatischen Akademie ein sofortiges Ende der Kämpfe sowie uneingeschränkte humanitäre Hilfe. Unter den Beteiligten waren auch Amnesty International, WILPF Austria und Frauen*Solidarität.
Unterdessen sorgt ein Bericht der Washington Post für Aufsehen: Demnach kursiert in den USA ein Nachkriegsplan für den Gazastreifen, der eine mindestens zehnjährige Verwaltung durch die USA, eine Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung sowie einen späteren Wiederaufbau des Gebiets als Tourismus- und Industriezentrum vorsieht. Der sogenannte „Great Trust“-Plan, der offenbar von der Gaza Humanitarian Foundation entwickelt wurde, sieht finanzielle Anreize und digitale Tokens für Palästinenser vor, die ihre Grundstücke aufgeben. Die Vorschläge erinnern an Äußerungen von Ex-Präsident Donald Trump, der Gaza als „Riviera des Nahen Ostens“ wiederaufbauen wollte – ein Vorstoß, der international scharf kritisiert wurde.