Hinz und Kunst

„Diversität ist in uns, unserer Kultur und Religion verankert“

„Die Kunst ist frei“. Frei von Grenzen und Debatten. Muslimische Künstler nutzen die Freiheit und machen deutlich: Wir gehören zu Deutschland. Heute mit Hatice Çevik.

12
04
2020
Hinz und Kunst Hatice Çevik
Hatice Çevik © Privat, bearbeitet by iQ.

IslamiQ: Kannst Du dich vorstellen?

Hatice Çevik: Mein Name ist Hatice Çevik. Ich komme aus NRW und habe Kommunikationsdesign (BA) studiert. Aktuell absolviere ich meinen Master in Design Projects und arbeite als Redakteurin bei Perspektif, Journalistin und Illustratorin für diverse Projekte.

IslamiQ: Was möchtest Du mit Deiner Arbeit bewirken?

Çevik: Ich möchte Repräsentation in diesem Bereich schaffen. Repräsentation ist sehr wichtig, damit sich Menschen als Teil einer Gesellschaft bzw. Sache verstehen und erkennen. Das finde ich vor allem für die jüngere Generation wichtig. In den Schulbüchern werden Klischees aufgegriffen und zum Teil Rassismen reproduziert. Wir brauchen sensibilisierte Illustratoren und Künstler, die dem ein Ende setzen und die Veränderung mitgestalten.

IslamiQ: Welche Bedeutung hat Dein kultureller und/oder religiöser Background für Dich?

Çevik: Aus meiner Kultur und meiner Religion schöpfe ich meine Kunst, meine Kraft und meine Identität. Ich bin Muslimin mit Migrationshintergrund, Designerin, Illustratorin, Tochter, Schwester, Ehefrau und noch vieles mehr. Ich denke, die eigenen Wurzeln sind eine Bereicherung und eine Quelle, aus der man schöpfen kann.

Die Diversität, die wir in so vielen Bereichen anstreben, ist eigentlich in uns, unserer Kultur und Religion verankert. Aus diesem Grund ist mein Background für mich sehr wichtig. Noch immer frage ich meine Großeltern und Verwandten nach unseren Wurzeln, nach diesem „noch mehr“, denn in all diesen Geschichten steckt so viel Inspiration. Diese Geschichten sind es wert festgehalten zu werden. Diese Geschichten sind unsere Wurzeln.

IslamiQ: Wie stark beeinflusst Dein Background Dein künstlerisches Schaffen?

Çevik: Meine Wurzeln beeinflussen mein künstlerisches Schaffen sehr. Das merkt man auch bei meinen Illustrationen. Ich illustriere eine kopftuchtragende Muslimin, schreibe deutsch oder englisch und, wenn ich Lust habe, auch auf türkisch. Das ich mich dabei nicht festlegen muss, macht mir Spaß. Oft mische ich vieles miteinander, denn auch ich bin mit zwei Kulturen aufgewachsen, und das prägt natürlich auch meine Kunst. Ich greife Themen auf, die mich beschäftigen. Ich bin laut mit meinen Farben und muss dafür nicht einmal schreien. Es reicht, wenn ich den Stift erhebe.

 IslamiQ: Vor welchen Hürden stehst Du als Künstlerin?

Çevik: Die Künstlerbranche in Deutschland ist noch viel zu „weiß“. Das muss sich ändern. Sobald wir diese Räume betreten können und auch betreten, werden wir Diversität erleben dürfen. In vielen Räumen ist Diversität nur eine exotische Theorie. Ich möchte diese Räume betreten und mich nicht von den Blicken oder den Wörtern angegriffen fühlen. Denn auch in dieser Branche ist man von Rassismus und Diskriminierung betroffen. Wenn ich meine Kunst zeige, ist das Publikum zu 90 Prozent immer weiß, und egal was ich zeige oder was ich schaffe, es geht immer nur um das Kopftuch. Das nervt.

IslamiQ: Ist Deiner Meinung nach Kunst wirklich frei? Wenn nein, was muss sich ändern?

Çevik: Die Kunst und der Künstler sind frei, solange sie danach streben. Freiheit ist etwas Erstrebenswertes, etwas, wofür man kämpfen muss. Der Mensch wird frei geboren, aber vergisst das im Laufe der Zeit durch Zwänge. So ist es auch mit der Kunst. Solange man versucht, sich in gewisse Bilder hineinzuzwingen, ist die Kunst nicht mehr frei.

Wenn der Künstler frei ist, ist auch seine Kunst frei. Macht etwas Ungewöhnliches, euch zuliebe, eurer Seele zuliebe und der Kunst zuliebe. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir aus der Quelle der Liebe kommen. Wir müssen sie nur wiederentdecken, sie lieben und annehmen.

Leserkommentare

Der Hammer sagt:
Sehr geehrte Frau Çevik, ich verstehe Ihre Kritik nicht wirklich. Der Kunstmarkt besteht aus Anbietern und Kulturinteressenten/Kaufinteressenten. Es ist ein freier Markt bis auf die Teile die subventioniert werden. z.B. Theater, Konzerthäuser etc.. Ist es nicht toll, das so viele Weiße (wer auch immer das ein soll ?) Ihre Ausstellung besuchen? Was würden Sie schreiben wenn diese nicht Ihre Ausstellungen besuchen ? Müssen Sie nicht eher Nichtweiße (wer auch immer damit gemeint ist?) anspornen sich mehr für Kultur und insbesondere für Ihre Kunst zu interessieren?
15.04.20
15:05