Nach dem Anschlag in Hanau gehen in vielen Städten Menschen auf die Straße und gedenken der Opfer. Politisch wird über den Umgang mit rechtem Terror und neuen Sicherheitsmaßnahmen debattiert. Wir haben unsere Leser gefragt, wie sicher sie sich fühlen.
In zahlreichen Städten in Deutschland haben am Donnerstagabend Menschen bei Gedenkveranstaltungen der Opfer des mutmaßlich rassistischen Anschlags von Hanau gedacht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte die Tatorte in Hanau und traf gemeinsam mit seiner Frau Elke Büdenbender im Rathaus etwa 20 Angehörige von Opfern. Anschließend nahm er mit etwa 5000 Menschen an einer Gedenkveranstaltung teil. Steinmeier sprach von mehr als fünfzig Städten in Deutschland, in denen Menschen zu Mahnwachen zusammengefunden hätten.
Nach dem Anschlag hatten zahlreiche Politiker der AfD eine Mitschuld gegeben. Gefordert wird zudem ein härteres Vorgehen gegen rechte Gewalt. Die Ermittlungen nach der Bluttat mit elf Toten konzentrieren sich derweil unter anderem auf die Frage, ob der mutmaßliche Täter Mitwisser oder Unterstützer hatte.
„Ein schwarzer Tag“
Unter den Opfern seien auch mehrere Mitglieder der Moscheegemeinden. Einige werden aktuell noch im Krankenhaus behandelt. „Diese Angriffe werden uns nicht einschüchtern. Wir sind in Deutschland geboren und aufgewachsen, wir leben hier und sind ein Teil dieser Gesellschaft, Wir werden unseren Beitrag für ein gemeinschaftliches Zusammenleben leisten, und daran wird niemand etwas ändern können“, erklärte Macit Bozkurt, Imam der IGMG-Gemeinde in Hanau.
Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) sprach in Köln von einem „schwarzen Tag“. Die Tatorte und ein Bekennerschreiben zeigten, „dass der Terror eine bestimmte Zielgruppe hatte, nämlich Migranten, insbesondere Muslime“, so KRM-Sprecher Dr. Zekeriya Altuğ. Vor diesem rechten Terror habe der KRM seit Wochen und Monaten gemahnt und gefordert, gegen die rechte Hetze und gegen Islamfeindlichkeit deutlich Stellung zu beziehen.
Seehofer: Moscheen stärker überwachen
Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Gewalttat von Hanau als rechtsterroristischen Terroranschlag bezeichnet. „Die Tat in Hanau ist eindeutig ein rassistisch motivierter Terroranschlag“, sagte er am Freitag in Berlin. Es sei der „dritte rechtsterroristische Anschlag“ in wenigen Monaten.
Wegen möglicher Nachahmungstäter, Wut und Emotionalisierung habe er mit den Innenministern der Länder ein konkretes Vorgehen zum Schutz der Bevölkerung abgestimmt. „Wir werden die Polizeipräsenz in ganz Deutschland erhöhen. Wir werden sensible Einrichtungen verstärkt überwachen, insbesondere auch Moscheen.“ Seehofer kündigte an, dass die Bundespolizei die Länder mit Personal und Sachausstattung unterstützt werde.
„Ich habe Angst um meine Familie und mich!“
Die steigende Islamfeindlichkeit in Deutschland hat dazu geführt, dass sich Muslime nicht mehr sicher fühlen in Deutschland. „Egal wohin ich hingehe, ich habe Angst“, „Ich habe mich noch nie sicher gefühlt“, „Morgen ist Freitag. Mein Mann geht zum Freitagsgebet. Ich habe Angst“, „Ich habe Angst um meine Familie und mich“, „Ich fühle mich allein gelassen von der Mehrheitsgesellschaft“, „Ich bin jederzeit bereit angegriffen zu werden“, „Ich überlege auszuziehen“, Es hätte mich treffen können“, „Todesangst“. Dies sind nur einige der Gefühle, die IslamiQ mitgeteilt wurden.
Wir haben unsere Leser und Opferangehörige aus Hanau gefragt, wie sie sich nach dem Anschlag fühlen. Hier einige Antworten:
Abdullah Başer:
„Es trifft einen noch härter, wenn so eine Tat in der eigenen Heimatstadt passiert. Gerade in Hanau, in einer Stadt, wo sehr viele Kulturen seit mehreren Jahrzehnten friedlich miteinander leben, hätte man so etwas niemals erwartet. In solchen Momenten stellt man sich viele Fragen und die Gedanken wirren zwischen Trauer, Zweifel und Hoffnung über die Zukunft zugleich. Wir (Deutschland) müssen uns eingestehen, dass dies kein Einzelfall war! Rechtsextremismus in Deutschland ist REAL! Leider befürchte ich, dass „auch“ diese Tat nach sehr kurzer Zeit vergessen wird. Ich hoffe, dass wir in Zukunft nicht mehr mit solchen Taten konfrontiert werden. Mein tiefstes Beileid an die Familien der Opfer.“
Dilara Taycan (Name geändert):
„Gegen 23 Uhr habe ich vom Anschlag gehört und sofort meine Familie in Hanau angeschrieben. Meine Cousins waren draußen unterwegs in einem türkischen Café. Sie hatten sich dort eingesperrt. Aus Angst die nächsten auf der Liste des Schützen zu sein. Diese Angst habe ich aus Köln miterlebt. Egal wer an diesem Abend gestorben ist, es waren Menschen aus meiner Heimatstadt. Eine kleine Stadt, die niemand kannte. Eine Stadt die in Vielfalt lebte. Eine Stadt, wo jeder frei herumlaufen konnte, wie er wollte. Ohne Angst.“
Haroon Masood:
„Ich habe mich in Moscheen sicher gefühlt, doch die wurden attackiert. Ich habe mich in diesen Cafés sicher gefühlt, denn da sind Leute wie ich. Doch auch die wurden angegriffen. Unsere Safe Spaces sind nicht mehr sicher. Nein, ich fühle mich nicht sicher hier.“
(dpa, iQ)