Muslime zu den Nationalsratswahlen

„Österreich erlebt einen starken Rechtsruck“

Die Wahl in Österreich hat die Karten neu gemischt. Der deutliche Sieg von Sebastian Kurz (ÖVP) hat über die Alpenrepublik hinaus Bedeutung. Muslime zeigen sich besorgt.

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2017
ÖVP. Österreich, Sebastian Kurz © Facebook, bearbeitet by iQ.
ÖVP. Österreich, Sebastian Kurz führt neue Regierung als Bundeskanzler an © Facebook, bearbeitet by iQ.

Der Aufschwung der Rechtspopulisten in Europa hatte auch Auswirkungen auf die Nationalratswahlen in Österreich. Bei den Wahlen am Sonntag hat die ÖVP nach Hochrechnungen 31,6 Prozent der Stimmen. Die SPÖ erzielt 26,9 Prozent. Die FPÖ kommt auf 26 Prozent. Die Grünen liegen mit 3,9 Prozent unter der Vier-Prozent-Hürde.

Der Sieg des 31-jährigen Sebastian Kurz bei der Wahl in Österreich wird als deutlicher Rechtsruck gedeutet. Der Wahlausgang ist für viele eine Enttäuschung und Grund zur Sorge, auch für Muslime. „In nahezu allen Ländern Europas verzeichnen wir einen deutlichen Rechtsruck im Allgemeinen und eine islamfeindliche Politik im Besonderen. Auch der Wahlkampf in Österreich war geprägt von einer islamfeindlichen Rhetorik und wurde belohnt“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG).

Die FPÖ erzielte ihr bislang bestes Ergebnis, die ÖVP ging gar als Sieger hervor. Der Wahlkampf von Sebastian Kurz war geprägt von der Annäherung an den rechten Rand mit einem ganz besonderen Fokus: Muslime und ihre Einrichtungen.

Ähnliche Phänomene beobachte man leider fast überall in Europa. „Offenbar ist Islamfeindlichkeit zu einer sicheren Bank geworden, ob in Ungarn, Frankreich, Holland, Österreich und anderswo. Der Wahlausgang in Österreich ist leider kein Einzelfall, sondern ein europäisches Problem und eine deutliche Warnung, auch in Richtung Deutschland.“ Auch in Deutschland lasse sich dieser Trend deutlich erkennen, nicht nur wegen dem Erstarken der AfD, sondern vor allem wegen dem Rechtsruck der sogenannten konservativen Volksparteien, so Altaş weiter.

„Österreich wird 20 Jahre zurückgeworfen“

„Wir müssen nun damit leben, dass sich sehr viele WählerInnen für eine klar und offen rassistische Politik entschieden haben. Bei den Bundespräsidentschaftswahlen letztes Jahr hat der FPÖ-Kandidat auch bereits 49% geholt“, erklärt die muslimische Aktivisten und Bloggerin Dudu Küçükgöl. Sie erwarte einen Anstieg von Rassismus und Diskriminierung, viel Überwachung und Panikmache in Bezug auf Moscheen und islamische Vereine sowie Bildungseinrichtungen. „Österreich wird in Bezug auf Integrationsbemühungen vermutlich 20 Jahre zurückgeworfen werden“, so Küçükgöl. Viele junge Menschen haben den Glauben an eine gute, gemeinsame Zukunft verloren. Sie tun sich schwer Österreich als Heimat zu akzeptieren, haben das Gefühl, dass man sie nicht wolle.

„Restriktive Islampolitik wird voranschreiten“

Für Politik- und Islamwissenschaftler Fared Hafez werde mit Kurz als Kanzler eine restriktive Islampolitik voranschreiten. Das zeigte er bereits als Juniorpartner in einer Koalition mit der SPÖ, die diese Politik ebenso absegnete. Insofern ist in jeder Koalitionsvariante mit SPÖ, FPÖ und ÖVP eine Fortschreibung dieser Politik zu erwarten, da Mitte-Rechts und Rechtsaußen gemeinsam auf mehr als 57 % kommen“, erklärt Hafez.

Trotz der manipulierten Kindergartenstudie war der Erfolg von Sebastian Kurz (ÖVP) absehbar. Auch für Murat Başer, Vorsitzender der Islamische Religionsgemeinde Linz für Oberösterreich. Er erwartet schwierige Zeiten für die Muslime in Österreich. „Eine mögliche FPÖ+ÖVP-Koalition könne eine Ausweitung des Burkaverbots in ein Kopftuchverbot bedeuten und zu einer stärkeren und unkontrollierten Durchführung des Islamgesetzes führen, in dem die Moscheen und islamischen Einrichtungen einer ständigen Überwachung unterzogen werden”, so Başer.

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
Es ist verständlich, dass die in Österreich lebenden Muslime besorgt sind. Schließlich ist "Basti" durch eine monatelange Angst-Kampagne gegen Muslime ins Amt gekommen.
17.10.17
9:54
Ute Fabel sagt:
Kritische - auch konfrontative - Auseinandersetzung mit Religionen und ihren oft irrationalen Dogmen ist meiner Überzeugung nach ein geradezu unverzichtbares Thema für die politische Linke. Die österreichische Sozialdemokratie hat in den 1970er-Jahren den Konflikt mit der katholischen Kirche nicht gescheut, als es um die Legalisierung des Schwangerschaftsanspruchs ging. Ein kantigerer Kurs der Parteien links der Mitte gegenüber den konservativen Islamverbänden wäre daher dringend geboten. Die österreichischen Grünen waren bekannt durch ihre Politik des Unter-den-Teppich-Kehrens von Problemen, die ein rückständiger politische Islam auch in Österreich auslöst. Von den österreichischen Grünen hat sich unter anderem deshalb ihr jahrzehntelanger Mitstreiter Peter Pilz abgespaltet und ist mit einer eigenen Liste angetreten. Die österreichischen Grünen werden an der 4 %-Hürde scheitern, die Liste Peter Pilz wird ins Parlament kommen.
17.10.17
11:32
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel Der Wahlkampf, den Sébastian Kurz geführt hat, hatte nix zu tun mit kritischer Auseinandersetzung mit Religion. Kurz Wahlkampf war nix anderes als populistisch, rassistisch und islamfeindlich. Zwischen Kurz und Strache -- zwischen der ÖVP und der FPÖ-- gibt es inzwischen keinen Unterschied mehr. Die ÖVP ist heute genauso populistisch wie die FPÖ.
19.10.17
9:09
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: Es ist richtig, dass Sebastian Kurz einen teilweise populistischen Wahlkampf geführt hat. Teilweise hat er aber auch einfach davon profitiert, dass die politischen so manchen islamischen Befindlichekeit scheuen, vor lauter falscher Hysterie, man könnte das als Rassismus oder Ausländerfeindlichkeit deuten. Dieses Vakuum konnte sich Herr Kurz zunutze machen. Erfreulicherweise ist bei der SPÖ und der neuen linken Liste Pilz da gerade.eine Änderung in Gang. Der bisherige islamophile Kuschelkurs der österreichischen Linken scheint langsam zu Ende zu gehen. Das ist gut so!
19.10.17
13:07
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Wer nur schön, wenn Sie statt für Erdogan die Fahnen zu schwingen, auch über den extremen Rechtsruck in der Türkei genauso besorgt wären. Aber da hört man selten Kritik, sondern eher das Gegenteil.
19.10.17
18:29
Johannes Disch sagt:
@Manuel (Ihr Post vom 19.10.17, 18:29) -- "Wer nur schön, wenn Sie statt für Erdogan die Fahnen zu schwingen..." (Manuel über mich) Sorry, das ist einfach nur zum schmunzeln. Sie lesen offenbar Dinge, die gar nicht da stehen. Wo bitte schön rede ich hier Erdogan das Wort?? ----"...auch über den extremen Rechtsruck in der Türkei so besorgt wären." (Manuel über mich). Und über den Rechtsruck in der Türkei bin ich nicht besorgt? Dieser Vorwurf ist leicht zu entkräften. Es ist noch gar nicht so lange her, dass hier bei "Islamiq" Artikel über die Türkei erschienen sind. Und da habe ich mich immer klar positioniert-- und zwar Contra Erdogan. Wenn Sie einige wenige Wochen zurückgehen oder hier das Stichwort "Türkei" eingeben, dann werden sie die Artikel und meine Beiträge finden. Und immer wieder ihr Verweis auf die Sünden anderer. Immer dasselbe Muster. Entschuldigt das, was in der Türkei passiert, etwa den rassistischen Wahlkampf von Sebastian Kurz?
20.10.17
21:37
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (Ihr Post vom 19.10.17, 13:07) Der Wahlkampf von Sebastian Kurz war nicht "nur" populistisch. Das wäre für sich genommen schon schlimm genug gewesen. Er war in großen Teilen eindeutig rassistisch und islamfeindlich. Und dieser Wahlkampf hatte überhaupt nichts gutes. Keinen positiven Nebeneffekt. Und die SPÖ wird sich hüten, den Kurz-Stil zu kopieren. Das würde ebenso schief gehen, wie der Versuch der CSU in Deutschland, die AfD zu kopieren. Kurz wird mit seinem FPÖ-Partner Strache genauso schnell gegen die Wand fahren wie weiland der ÖVP-(Wolfgang)Schüssel mit seinem FPÖ-Partner, dem feschen Haiders Jörg. Es soll sich aber in den nächsten Monaten kein "Austrianer" beschweren. Schön die Suppe auslöffeln, die ihr euch eingebrockt habt. Na, es gibt ja noch den österreichischen Bundespräsidenten. Der hat teilweise mehr Befugnisse als sein deutsches Pendant. Er kann Minister ablehnen und eine Regierung auch auflösen. Österreich ist wirklich auf einem bedenklichen Weg. Glücklicherweise ist Österreich europa-und weltpolitisch von recht marginaler Bedeutung.
20.10.17
21:54
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Sorry, das war missverständlich, habe mit "Sie" nicht SIE gemeint, sondern diejenigen, die jetzt so besorgt tun und gleichzeitig nichts dabei finden, wenn Erdogan eine islamistische Diktatur errichtet. Und bei aller Kritik, aber rasstistisch war der Wahlkampf von Kurz nicht, eher klassisch rechtspopulistisch. Aber eine Frage, offenbar gibt es in fast allen Ländern Europas ein zunehmendes Unbehagen wegen dem Islam, wie erklären Sie sich das?
25.10.17
21:01
Harousch sagt:
Ja, aber wirklich sehr Kurz! Sebastian Kurz wurde heute kurzerhand abgewählt und für die enge Zusammenarbeit mit der fremdenfeindlichen und Islamfeindlichen FPÖ abgestraft. Das sollten Populisten und ihre Sympathisanten eine Lehre sein. Die Zusammenarbeit mit Vaterlandsverrätern und Kriminellen macht sich eben doch nicht bezahlbar oder einfach nur Kurz!
27.05.19
17:40