Laut dem Bericht möchte Israel, die „Palästinenser im Gazastreifen als Gruppe vernichten“. Die Kommission fordert diesen Völkermord zu beenden und die Verantwortlichen zu bestrafen.

Eine von den Vereinten Nationen eingesetzte Menschenrechtskommission hat in einem umfassenden Bericht dargelegt, dass Israel im Gazastreifen Genozid an der palästinensischen Bevölkerung begeht. Nach Einschätzung der drei unabhängigen Expertinnen und Experten erfüllt Israel vier von fünf Tatbeständen, die in der UN-Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 festgeschrieben sind.
Die Kommission führt aus, dass die gezielte Tötung von Zivilistinnen und Zivilisten, die Verursachung schwerer körperlicher und seelischer Schäden, die vorsätzliche Schaffung lebensfeindlicher Bedingungen und die Verhinderung von Geburten im Gazastreifen dokumentiert seien. Nur der fünfte Tatbestand, die Entführung und Wegnahme von Kindern, konnte nicht bestätigt werden.
Die Kommission macht deutlich, dass es sich bei diesen Verbrechen nicht um unbeabsichtigte Nebeneffekte eines militärischen Konflikts handelt, sondern um Handlungen, die mit klarer Absicht begangen werden. In Reden und Anordnungen führender israelischer Politiker und Militärs erkennt die Kommission eindeutige Belege dafür, dass die Vernichtung der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen ein erklärtes Ziel ist.
Besonders hervorgehoben wird die systematische Zerstörung ziviler Infrastruktur. Krankenhäuser, Schulen, Moscheen, Bibliotheken und archäologische Stätten seien gezielt angegriffen und vernichtet worden. Gleichzeitig blockiere Israel humanitäre Hilfe und verhindere so den Zugang der Menschen in Gaza zu Nahrung, sauberem Wasser, medizinischer Versorgung und Bildung. Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser würden dadurch in lebensfeindliche Bedingungen gezwungen, die ihre physische Existenzgrundlage zerstören.
Israel hat den Bericht der UN-Kommission umgehend zurückgewiesen. In einer Erklärung des Außenministeriums, die von Botschafter Daniel Meron in Genf verlesen wurde, bezeichnete die israelische Regierung die Einschätzung als skandalös und verleumderisch. Zugleich warf sie der Kommission antisemitische Neigungen vor und kritisierte, dass die Terrorakte der Hamas nicht im Mittelpunkt stünden. Israel betont immer wieder, dass es ausschließlich gegen die Hamas vorgehe und nicht gegen die Zivilbevölkerung. Doch die Kommission weist darauf hin, dass Israel auf ihre Anfragen nicht reagiert habe und sich einer Zusammenarbeit verweigerte.
Die Vorsitzende der Kommission, Navi Pillay, die frühere UN-Hochkommissarin für Menschenrechte und ehemalige Richterin am Internationalen Gerichtshof, erklärte unmissverständlich, dass alle Staaten nach internationalem Recht verpflichtet seien, Völkermord zu verhindern. Sie betonte, dass niemand auf ein endgültiges Urteil des Internationalen Gerichtshofs warten dürfe, da schon jetzt eine reale und unmittelbare Gefahr bestehe, dass die Rechte der Palästinenserinnen und Palästinenser verletzt werden. Pillay forderte die Mitgliedsstaaten deshalb eindringlich auf, Waffenlieferungen und finanzielle Unterstützung für Israel sofort auszusetzen, da diese direkt zur Fortführung der Völkermordhandlungen beitragen könnten.
Währenddessen zeigt sich die Bundesregierung zurückhaltend. Europa-Staatsminister Gunther Krichbaum erklärte in Brüssel, dass Deutschland die Einschätzung der UN-Kommission nicht teile. Man könne nicht von einem Genozid sprechen, so Krichbaum, wenngleich die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen zutiefst besorgniserregend sei.
Der Bericht der UN-Kommission bezieht sich auf die Entwicklungen seit dem 7. Oktober 2023, als die Hamas und andere bewaffnete Gruppen Israel angriffen. Israel rechtfertigt seinen Genozid im abgeriegelten Gazastreifen seither mit dem Ziel, die Hamas zu zerschlagen. Doch die Realität zeigt, dass nicht die Hamas, sondern die gesamte Zivilbevölkerung ins Zentrum der israelischen Kriegsführung geraten ist. Hunderttausende Menschen wurden vertrieben, Zehntausende getötet, und die überwältigende Mehrheit der Überlebenden ist Hunger, Krankheit und Obdachlosigkeit ausgeliefert.
Die Kommission stellt klar, dass die Verbrechen der Hamas am 7. Oktober kein Freibrief für die kollektive Vernichtung einer Bevölkerung sind. Die systematische Gewalt gegen die Palästinenserinnen und Palästinenser ist nicht lediglich ein Nebeneffekt militärischer Auseinandersetzungen, sondern Teil einer politischen Strategie, die auf Zerstörung und Auslöschung abzielt.
Damit stehe die Weltgemeinschaft vor einer eindeutigen Verantwortung. Vor den Augen der internationalen Öffentlichkeit geschiehe im Gazastreifen ein Völkermord. Die Kommission macht deutlich, dass nicht nur Israel verantwortlich ist, sondern auch jene Staaten, die durch Waffenlieferungen, diplomatische Rückendeckung und finanzielle Unterstützung dieses Verbrechen ermöglichen oder zumindest dulden. (dpa/iQ)