









Ein Berliner Polizist beleidigt eine syrische Frau während eines Einsatzes rassistisch – doch das Gericht sieht darin keine Herabwürdigung. Die Entscheidung sorgt für Empörung und wirft Fragen zum Umgang mit Alltagsrassismus in der Justiz auf.
Ein Berliner Amtsgericht hat entschieden, dass ein Polizist, der eine syrische Frau während einer Wohnungsrazzia anschrie „Das ist mein Land und du bist hier Gast!“, nicht wegen rassistischer Beleidigung belangt werden kann. Nur eine einzelne Aussage des Beamten – „Halt die Fresse, fass mich nicht noch mal an“ – wurde als mögliche Beleidigung gewertet. Der Rest seiner Äußerungen, darunter die mehrfach betonte Abgrenzung zwischen „unserem“ und „ihrem“ Land, blieben straflos. Für die Betroffene und ihre Unterstützer:innen ist das Urteil ein weiteres Beispiel für institutionelle Blindheit gegenüber rassistischen Realitäten.
Der Fall geht auf einen Einsatz im September 2022 zurück. Die Berliner Polizei durchsuchte die Wohnung einer syrischen Familie wegen eines offenen Haftbefehls und einer sogenannten „Gefährderansprache“. In einem Videomitschnitt aus der Wohnung ist zu sehen, wie der Beamte Jörg K. die Bewohner anschreit, sie beleidigt und ihnen pauschal vorwirft, sich nicht an deutsche Gesetze zu halten. Die Familie stellte Strafanzeige, der Staatsschutz nahm Ermittlungen wegen einer „fremdenfeindlichen Beleidigung“ auf.
Nun, zweieinhalb Jahre später, sieht das Amtsgericht Tiergarten keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Herabwürdigung. Die Bezeichnung als „Gast“ sei, so das Gericht, keine eindeutige Abwertung – auch wenn sie im konkreten Zusammenhang deutlich den Eindruck vermittle, die Betroffene habe in Deutschland weniger Rechte. Zur Begründung führte das Gericht unter anderem an, dass das Gast-Narrativ auch in politischen Reden verwendet werde. Ein Argument, das bei der betroffenen Familie und ihren Anwälte für Entsetzen sorgt.
„Das Gericht spricht dem rassistischen Angriff seine Bedeutung ab und schützt den Täter“, sagt Lukas Theune, Zeugenbeistand der betroffenen Frau und Geschäftsführer des Republikanischen Anwält:innenvereins. Für ihn ist das Urteil eine doppelte Viktimisierung: „Die Betroffene wird nicht nur im Moment des Polizeieinsatzes herabgewürdigt, sondern nun auch noch vor Gericht.“ Der Beamte sei mit dieser Entscheidung faktisch bereits weitgehend freigesprochen und könne bald auf seine alte Position zurückkehren.
Auch politisch zieht das Urteil Kritik auf sich. Elif Eralp, migrationspolitische Sprecherin der Berliner Linksfraktion, spricht von einem „schockierenden Signal“: „Statt rassistische Gewalt klar zu benennen, versteckt sich das Gericht hinter sprachlichen Spitzfindigkeiten.“ Sie fordert verpflichtende Antidiskriminierungstrainings für alle Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst – insbesondere in Polizei und Justiz.