









Die Bundestagswahl steht vor der Tür – eine Entscheidung, die die politische Zukunft Deutschlands prägen wird. Murat Gümüş schreibt über die Bedeutung von muslimischen Wählern und warum sie ihre Stimme erheben sollten. Ein Gastbeitrag.
Die kommenden Bundestagswahlen sind nicht nur entscheidend für die politische Richtung Deutschlands, sondern auch für Muslime und Menschen mit Migrationshintergrund, die einen wichtigen Teil der Wählerschaft ausmachen. Ihre Stimmen haben Gewicht, und es ist notwendig, dass sie aktiv am Wahlprozess teilnehmen.
Wissen Sie, wie viele Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund haben? Laut Mikrozensus fast jeder Vierte. Die Hälfte davon hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Muslime bilden dabei eine wichtige Gruppe. Bei den Bundestagswahlen 2021 gaben rund sechs Millionen Menschen mit Migrationshintergrund ihre Stimme ab – um die Zukunft ihres Landes mitzugestalten.
Doch die Beteiligung an politischen Prozessen im migrantischen Milieu kann durchaus gesteigert wirden. Besonders in sozialen Brennpunkten fehlt es oft an der Motivation und Anreizen zur politischen Teilhabe. Das muss sich ändern. Zu selten zeigen Kandidatinnen und Kandidaten Interesse an den Sorgen und Wünschen von Muslimen und Menschen mit Migrationshintergrund. Auf der anderen Seite sollten ebendiese proaktiv auf die Parteien und ihre Kandidaten zugehen und auf die eigenen Anliegen aufmerksam machen. Das Einbringen in die Arbeit von politischen Parteien wäre eine weitere Möglichkeit. Voraussetzung dafür ist, dass sie ihr Engagement Anerkennung bekommt und ihnen dieselben Aufstiegsmöglichkeiten offenstehen, wie allen anderen auch. In der Vergangenheit haben sich viele muslimische Parteiangehörige oder solche mit Migrationshintergrund auf eine schwach ausgeprägte Anerkennung und Aufstiegsmöglichkeiten beklagt. Fazit: Auf beiden Seiten ist noch Luft nach oben.
Die deutsche Politik hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Der Aufstieg rechter und rechtspopulistischer Bewegungen, die häufig mit antimuslimischer und rassistischer Rhetorik auftreten, stellt eine ernste Bedrohung für den gesellschaftlichen Frieden dar. Ihre Forderungen gegen Religionsfreiheit und gegen gesellschaftliche und politische Teilhabe von Migranten und Muslimen sind nicht nur diskriminierend, sondern gefährlich.
Angesichts dieser Entwicklungen ist es entscheidend, sich politisch zu positionieren. Es kann nicht tatenlos zugesehen werden, wie solche Ideologien unser Zusammenleben gefährden. In Zeiten, in denen rassistische Positionen zunehmend von der Gesellschaft akzeptiert werden, müssen wir unsere Stimmen erheben und unsere Perspektiven in die politische Debatte einbringen.
Zahlreiche Themen betreffen Menschen mit Migrationshintergrund und Muslime besonders stark. Trotz gleicher Qualifikationen haben sie oft schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Auf dem Wohnungsmarkt erleben sie ebenfalls Benachteiligungen, insbesondere in Großstädten, wo bezahlbarer Wohnraum knapp ist. Die Politik muss hier handeln, um diese Ungleichheiten abzubauen.
Des Weiteren muss das Gesundheitssystem kultursensibler werden. Der Bedarf an religionssensibler Pflege, besonders für muslimische Seniorinnen und Senioren, wächst. Doch das deutsche Gesundheitssystem ist kaum ausreichend darauf vorbereitet. Auch hier kann durch politische Beteiligung für Veränderungen gesorgt werden.
Nicht zuletzt muss auch die internationale Politik in den Blick genommen werden. Deutschland entfernt sich zunehmend von einer aktiven Friedenspolitik und setzt verstärkt auf Waffenlieferungen. Angesichts globaler Krisen, etwa in der Ukraine oder Gaza, wäre es wichtig, dass Deutschland wieder verstärkt friedenspolitische Initiativen ergreift.
Die gesellschaftliche Struktur in Deutschland ist vielfältig, und es gibt viele unterschiedliche Erwartungen an die Politik. Politische Veränderungen brauchen oft Zeit, und die gewünschten Effekte lassen häufig auf sich warten. Dennoch ist Resignation keine Option.
Viele Muslime und Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich von den etablierten Parteien nicht ausreichend vertreten. In den Parteiprogrammen werden ihre Bedürfnisse meist nur am Rande behandelt. Oft werden Muslime im Zusammenhang mit Extremismus oder Radikalisierung erwähnt, anstatt ihre positive Rolle in der Gesellschaft anzuerkennen. Diese marginalisierende Wahrnehmung trägt dazu bei, dass viele von ihnen das Gefühl haben, nicht als gleichwertiger Teil der Gesellschaft betrachtet zu werden.
Das politische System in Deutschland ist derzeit in einer schwierigen Phase. Eine hohe Wahlbeteiligung von Muslimen und Menschen mit Migrationshintergrund wird ohne Zweifel eine stabilisierende Wirkung auf die Demokratie haben. Denn nur durch aktive politische Teilhabe können wir unsere Anliegen klar formulieren und die Zukunft mitgestalten.
Es ist nicht nur eine Frage dessen, was die Parteien für uns tun können, sondern auch, was wir selbst tun können, um eine gerechte, inklusive und plurale Gesellschaft zu schaffen. Gerade in einer Zeit, in der Begriffe wie „Remigration“ salonfähig werden, müssen Parteien klarstellen, dass Muslime und Menschen mit Migrationshintergrund selbstverständliche Teile dieser Gesellschaft sind.
Die Bundestagswahlen sind eine Chance, die Stimme zu erheben und ein Zeichen für eine gerechtere Gesellschaft zu setzen. Unsere Stimmen zählen – und wir sollten sie nutzen.