Türkei

Erstes Freitagsgebet in der Hagia Sophia seit 86 Jahren

Kirche, Moschee, Museum und wieder Moschee – die Hagia Sophia ist eines der beliebtesten Bauwerke Istanbuls. Erstmals seit 86 Jahren fand am Freitag wieder das Freitagsgebet in der Hagia Sophia statt.

24
07
2020
Hagia Sophia
Hagia Sophia

Die Hagia Sophia in Istanbul ist offiziell wieder eine Moschee. In dem historischen Bauwerk über dem Bosporus fand heute Mittag das erste Freitagsgebet seit 86 Jahren statt. Mehr als Tausende Muslime in und außerhalb der Moschee nahmen am Freitagsgebet statt.

Anfang Juli hatte das Oberste Verwaltungsgericht den Status der einstigen Kirche als Museum annulliert und damit den Weg für eine Umwandlung in eine Moschee freigemacht. Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass die Hagia Sophia Eigentum der von Sultan Mehmet II gegründeten Stiftung sei. Dieser hatte die Hagia Sophia nach der Eroberung Konstantinopels 1453 in eine Moschee umgewandelt. Die Gerichtsentscheidung wurde international von Politikern und Kirchenvertretern kritisiert, aber auch als gerechtfertigter Schritt beurteilt.

Auch als Moschee könnten Touristen die Hagia Sophia besichtigen, ähnlich wie die nahe gelegene Sultan Ahmet Moschee in der Istanbuler Altstadt. Im vergangenen Jahr zog die Hagia Sophia nach offiziellen Angaben 3,7 Millionen Besucher an. Sie war damit das meistbesuchte Museum in der Türkei. Berühmt ist sie vor allem wegen der rund 56 Meter hohen Kuppel, die nahezu schwerelos über dem Hauptraum zu schweben scheint.

Die Hagia Sophia (griechisch: Heilige Weisheit) wurde im 6. Jahrhundert nach Christus erbaut und war Hauptkirche des Byzantinischen Reiches, in der die Kaiser gekrönt wurden. Nach der Eroberung des damaligen Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 wandelte Fatih Sultan Mehmet II. die Hagia Sophia in eine Moschee um. Auf Betreiben des türkischen Republikgründers ordnete der Ministerrat im Jahr 1934 die Umwandlung der Hagia Sophia in ein Museum an.

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Gott sei Dank. Ein längst überfälliger Schritt mit 70 Jahren Verspätung. Hätten schon damals die Demokraten unter Adnan Menderes es geschafft, diese wichtigste Moschee des Landes - was nicht verhandelbar ist und nicht zur Diskussion steht - sowie das wichtigste Gotteshaus Kontinentaleuropas wieder zu eröffnen, wäre das heute längst kein Thema mehr und alle hätten den Umstand so wie es ist akzeptiert wie schon in den Jahrhunderten zuvor. Wie dem auch sei, habe ich zu diesem Thema einmal ausführlich Stellung bezogen und halte mich deshalb hier kurz. Die im Artikel erwähnte "internationale Kritik" ist lediglich ein Sturm im Wasserglas, was irgendwann sowieso vorbei geht, und gehört ignoriert. Ich freue mich jetzt schon darauf, in dieser ehrenvollen Moschee zu beten, sollte ich eines Tages inschaallah nach Istanbul zu reisen. Wer kein Muslim ist, der kann dieses prachtvolle Gotteshaus nun kostenlos besichtigen und bestaunen wie alle anderen Moscheen Istanbuls auch.
24.07.20
19:31
Vera von Praunheim sagt:
Die "Rückeroberung" der Hagia Sophia mit martialischen Gesten - so berichtete die Tagesschau. 85 Jahre lang ein Museum, jetzt werden in der ursprünglichen byzantinischen Kathedrale die christlichen Symbole versteckt. Kemal Atatürk, der türkische Republikgründer, veranlaßte 1934 die Säkularisierung des Gebäudes. 1985 erklärte die UNESCO den Bau zum Weltkulturerbe. Ein Erdogan-freundliches Gericht in Ankara kippte all das vor 2 Wochen. Und nun besteigt der Chef der Religionsbehörde & Chefkleriker Erbas die islamische Gebetskanzel symbolträchtig mit einem Schwert in der rechten Hand. Damit offenbart er demonstrativ seine Absicht, es auch zu benutzen und Feinde einzuschüchtern. Das gleichzeitige Protestgeläut vieler Kirchen in Griechenland und auf Zypern war vor Ort nicht zu hören. Das Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche bezeichnete die Umwandlung als einen "unheiligen Akt der Schändung". Erdogan und seine ergebenen Anhänger feiern das Ereignis als ein islamisches Symbol für den Sieg des Islam über das Christentum. Gleichzeitig dient es auch als geschicktes Ablenkungsmanöver von all den wirtschaftlichen Problemen, die Herrscher Erdogan jeden Tag unpopulärer werden lassen. "Heute ist ein Tag der Trauer für das gesamte Christentum", sagte Erzbischof Hieronymos. Insgesamt sollen mehr als 20.000 Polizisten im Einsatz gewesen sein um diese islamische Machtdemonstration Erdogans abzusichern. Wird der Sieg des Islam über das Christentum in Deutschland auch kräftig gefeiert? Und klatschen und beten die christlichen Kirchenvertreter demütig und tolerant mit?
25.07.20
1:28
Mathias Rohe sagt:
Seit 50 Jahren bin ich oft in meiner Lieblingsstadt Istanbul. Ein Mangel an Moscheen ist mir nicht aufgefallen.Neben der Hagia Sophia (das ist Griechisch und heißt "Heilige Weisheit") steht die prachtvolle Sultan Ahmet Moschee, die auch freitags noch reichlich Raum für Betende lässt, und auch die großartige Süleymaniye ist nicht weit. Als Sultan Mehmet II Konstantinopel erobert hat, wurde die größte Kirche der Christenheit - sicherlich als politisches Symbol für den Herrschaftsanspruch der neuen Herren - zwangsweise zur Moschee umgewandelt, was durchaus nicht der Tradition des islamischen Rechts entspricht, das den religiösen Minderheiten seine Kultstätten belässt. Solche Politik hat eine unheilige Tradition: Die wunderbare Moschee in Cordoba wurde nach der Reconquista mit einer hineingebauten Kathedrale verunziert. Der spanische König hat den fanatischen Bischof, der das betrieben hat, schon damals getadelt, er habe etwas Einzigartiges zerstört, um eine von vielen zusätzlichen Kirchen zu erhalten. Wenn nun die Rückumwandlung der Hagia Sophia als "Sieg des Islam"gefeiert wird, so ist das ein starkes Zeichen einer aggressiven geistigen Schlichtheit und Kulturlosigkeit. Was sind das für arme Würstchen, die so etwas nötig haben?
25.07.20
8:33
stratmann sagt:
Mein Leserkommentar beruft sich auf den Koran – warum wird er nicht gebracht? Völlig unverständlich ist es, dass man am 24. Juli vor dem Freitagsgebet in der Hagia Sophia das Mosaikbild von Maria und Jesus zugehängt hat. Nach Sure 4,42-49 kündigen Engel der Maria die Geburt ihres Sohnes an. Ihr Sohn Jesus wird hier im Koran als Messias (der Gesalbte = al-masih = Christus) bezeichnet – z.B. in Sure 3,45. Und die Geburtsgeschichte in der Sure „MARIA“ (19,16ff) ist noch wunderbarer als entsprechende biblische Erzählung. Also völlig unkoranisch, Maria und Jesus zuzuhängen.
28.07.20
19:39