Europäischer Gerichtshof

EU-Richter setzen muslimischer „Kafala“-Vormundschaft Grenzen

Der europäische Gerichtshof urteilt im Falle eines Ehepaares aus Großbritannien, dass die muslimische „Kafala“-Vormundschaft, wie sie in Algerien gilt, rechtlich nicht mit einer Adoption gleichzusetzen ist.

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03
2019
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Europäischer Gerichichtshof © Denis Simonet auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.
Europäischer Gerichichtshof © Denis Simonet auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.

Die muslimische Vormundschaft, arabisch „Kafala“, ist laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) nicht mit einer Adoption gleichzusetzen. Ein Minderjähriger, für den ein EU-Bürger nach der Regelung der algerischen Kafala die Vormundschaft übernommen hat, kann nicht als „Verwandter in gerader absteigender Linie“ dieses Unionsbürgers angesehen werden, wie die Richter am Dienstag in Luxemburg entschieden. Der Mitgliedstaat, in dem der Unionsbürger wohnt, muss dem Kind nach einer Würdigung aller Umstände jedoch die Einreise erleichtern.

Zwei in Großbritannien lebenden Ehegatten französischer Staatsangehörigkeit war laut Gericht in Algerien die Betreuung eines Kindes nach dem Kafala-System übertragen worden. Sie beantragten bei den britischen Behörden eine Einreiseerlaubnis als Adoptivkind, die verweigert wurde. Das Kind focht die Ablehnung mit einem Rechtsbehelf an. Der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs wollte vom EuGH wissen, ob das Kind nach der Freizügigkeitsrichtlinie als „Verwandter in gerader absteigender Linie“ des betreuenden Paares angesehen werden kann, was dem Kind ein Einreiserecht verschaffen würde.

Die EU-Richter stellten nun fest, dass die Kafala nach algerischem Recht die Verpflichtung eines Erwachsenen zur Sorge für ein Kind darstelle, genauso, wie es ein Elternteil für sein eigenes Kind täte. Im Unterschied zu einer Adoption, die das algerische Recht verbiete, verleihe die Kafala-Betreuung dem Kind aber nicht die Stellung eines Erben des Vormunds.

Laut Gericht kann das Kind zwar nicht als „Verwandter in gerade absteigender Linie“ des Paares angesehen werden, da die Betreuung kein Abstammungsverhältnis zwischen dem Kind und seinem Vormund begründe. Nach der EU- Freizügigkeitsrichtlinie falle das Kind aber unter den Begriff des anderen „Familienangehörigen“. Daher müssten die britischen Behörden eine Prüfung des Kindeswohls vornehmen. Für den Fall, dass das Kind von seinem Vormund abhängig wäre, gebiete das Grundrecht der Achtung des Familienlebens eine Einreiseerlaubnis.

Die „Kafala“ ist ein Instrument des Familienrechts in einigen muslimisch geprägten Ländern, bei dem sich ein erwachsener Muslim um die Betreuung, die Erziehung und den Schutz eines nicht mit ihm verwandten Kindes kümmert. Er übernimmt die rechtliche Vormundschaft für das Kind bis zur Volljährigkeit. (KNA/iQ)