#meinmoscheereport

Mein Leben in der Moschee

Mit der Hashtagaktion #meinmoscheereport teilten Hunderte Muslime ihre schönsten Erinnerungen aus ihrer Moschee. Was die Moschee für Muslime bedeuten kann und warum eine solche Aktion wichtig war, erklärt IslamiQ-Redakteur Muhammed Suiçmez.

29
04
2017
Symbolbild: Religionslehrer und Schüler © Tanti Ruwani auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet iQ.
Symbolbild: Religionslehrer und Schüler © Tanti Ruwani auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet iQ.

Die Hashtagaktion #meinmoscheereport war ein voller Erfolg. Muslime in Deutschland teilten ihre schönsten Anekdoten aus ihrer Moschee auf Facebook und Twitter. Diese Aktion war es, die Hunderte Muslime dazu bewegte, in sich zu gehen und zu überlegen, was er oder sie mit der Moschee in Verbindung bringt?

Neben zahlreichen lustigen Anekdoten kamen auch lehrreiche und zum Nachdenken anregende Beiträge zusammen. Manche Beiträge frischten Erinnerungen auf. Das Ziel der Aktion war es, eine Gegenstimme zum Buch von Constantin Schreiber zu schaffen, doch war es viel mehr wert zu sehen, wie eine solche Aktion, Menschen aus unterschiedlichsten Gemeinden Deutschlands verbindet, um dem verzerrten Bild des Islams und der Moscheen zu korrigieren.

Ich für meinen Teil hatte in meiner Kindheit das Privileg, mehrere Moscheen von den drei großen Religionsgemeinschaften (IGMG, VIKZ, DITIB) zu besuchen und von ihnen zu profitieren. Meine Eltern gehörten nicht zu der Sorte von Eltern, denen es genügte, dass ihr Kind nur in den Ferien in die Moschee gebracht wird, damit es das Rezitieren und Memorieren des Korans lernt. Ich wurde mit meinen Brüdern zusammen jedes Wochenende in die Moschee geschickt, damit ich meine Religion lerne.

Das Rezitieren des Korans lernte ich mit sechs Jahren bei meinem Onkel, der Hafiz war und somit den gesamten Koran auswendig rezitieren konnte. Er wohnte direkt neben uns, so hatte ich die Möglichkeit, ihn mehrmals die Woche zu besuchen und mit ihm das arabischen Alphabet (Elif-Ba) zu lernen. Am Wochenende traf ich mich mit meinen Freunden aus der Nachbarschaft, um zusammen in die Aliyul Murteza Moschee in Ehrenfeld zu gehen. Sie war die nächstgelegene Moschee, somit mussten unsere Eltern keine Angst haben, dass uns auf dem Weg zur Moschee etwas geschieht. Wie Eltern halt so sind. Noch heute verrichte ich meine Freitagsgebete in dieser Moschee und treffe Freunde aus dieser Zeit.

Außerdem besuchte ich die VIKZ Moschee in Köln Vogelsang. In dieser Moschee lernte ich mit jungen Jahren die Sure Yâsîn auswendig und schaffte es, den Koran einmal ganz durchzulesen. Mit 11 Jahren finge ich an, die DITIB-Moschee in Köln zu besuchen, denn jetzt besaß ich ein Schülerticket und konnte somit auch mit der Bahn zur Moschee fahren. Die meisten Erlebnisse, an die ich mich erinnere, geschahen in dieser Moschee. Bis zu meinem 16. Lebensalter ging ich jedes Wochenende in die Moschee, lernte meine Religion, las den Koran, machte neue Bekanntschaften und spielte mit meinen Freunden. Hier stand ich zum ersten Mal auf der Bühne. Mit unserer Gruppe führten wir unter anderem ein Theaterstück zum Leben des Propheten Muhammads (s) auf.

Mit 16 Jahren finge ich an, meinem Hodscha beim Koranunterricht auszuhelfen. Ich brachte Kindern das Lesen des Korans bei, so wie es mein Onkel und mein Hodscha es bei mir machten. Noch heute sehe ich meine ehemaligen Schüler, die ich damals unterrichtete. Einige erinnern sich gar nicht mehr an mich. Immer wenn der Hodscha mir die Klasse überließ, spielten wir die letzte halbe Stunde mit den Kindern Fußball in der Moschee. Dann hieß es immer, ich sei der beste Hodscha, den es gibt.

Ich verdanke der Moschee viel, vor allem aber dem Imam. Der Imam einer Moschee gleicht der Nummer 10 im Fußball, ohne ihn wäre die ganze Mannschaft zum Scheitern verurteilt. Der Imam ist Vorbeter, Rechtsgelehrter, Seelsorger, Ratgeber, Prediger, Vorbild, Wegweiser usw. Doch war es das Letztere was mich zu dem gemacht hat, was ich jetzt bin. Als Jugendlicher während der Abiturzeit war ich teils faul, teils planlos. Es war der Imam, der mir eine Tür eröffnet hat. Er war es, der meinem Vater vom Internationalen Theologie Studiengang in Istanbul erzählte und mich dazu ermutigte, diesen Weg einzuschlagen. Möge Allah diesen Imam im Diesseits und im Jenseits segnen. Denn wäre er damals nicht da, würde ich jetzt nicht diesen Beitrag schreiben können.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt keine Reue, sondern Freude. Dank des Studiums habe ich viele wichtige Menschen kennengelernt. Ich habe die Möglichkeit bekommen, von den besten Professoren meines Glaubens zu lernen.

Während meines Studiums habe ich beispielsweise einen Imam kennengelernt, der in einer Moschee in Hilden tätig war. Dieser Imam schaffte es, jede Woche 90 Jugendliche im Alter von 12-18 Jahren in der Moschee zu versammeln und ihnen vom Islam zu erzählen. Wäre dieser Imam sich seiner Aufgabe nicht bewusst, wären viele dieser Kinder und Jugendliche vermutlich auf Irrwegen. So wie es auch bei mir hätte sein können.

Leserkommentare

Kritika sagt:
Schade, wenn jemand sein einmaliges Leben für eine Fiktion vergeudet. Gruss, Kritika
03.05.17
1:32
Andreas sagt:
@Kritika: Wenn jemand sein einmaliges Leben für die Fiktion (einer Religion) vergeudet und dabei Gutes für die Menschen tut, hat er sein Leben gar nicht vergeudet. Ärmer dran ist da schon der, der keine Perspektive nach dem Tod hat und dann sein Leben auch noch damit verbringt, anderen Menschen mit Hass zu begegnen. Das ist dann in der Tat ein vergeudetes Leben.
03.05.17
15:12
Manuel sagt:
@Andreas: Naturwissenschaft und Technik bringen die Menschen weiter und nicht irgendwelche eingebildete Wesen oder mittelalterliche Dogmen, die Sie hier ja gerne immerwieder verteidigen!
05.05.17
15:27
Charley sagt:
Eine wunderschöne persönliche Geschichte. Wer will ein Leben beurteilen oder bewerten? Warum auch? Wenn man es nicht mal beim eigenen wirklich schafft? Je genauer, differenzierter man etwas kennt, um so schwerer ist es, dieses zu beurteilen. Das Menschliche - wie es auch in diesem Artikel heraus sticht - ent"waffnet" immer. Eine Frage, dich mir immer in der "Begegnung" mit Geistlichen auftaucht ist: Sind diese nun "Gott" wirklich etwas "näher" als andere, die andere, durchaus (auch) notwendige Aufgaben erfüllen wie Bauer, Handwerker, Lehrer, Techniker, Wissenschaftler usw. sein? Oft habe ich - gerade bei älteren Geistlichen - den Eindruck, dass es Schicksalswirkungen waren, die sie in diese ("religiöse") Sicht auf die Welt brachten, während andere eben praktische, künstlerische oder wisschaftliche Perspektiven einnahmen. Eine "Gottesnähe" kann ein frommes, ihrem Herzen folgendes Mütterlein mehr haben als der Mensch auf der Kanzel!
08.05.17
13:54
Andreas sagt:
@Manuel: Ich verteidige keine Dogmen! Ich verteidige die Freiheit. Religion steht nicht zwingend im Widerspruch zu Naturwissenschaft und Technik. Das zeigt die Zeit, als in Europa zwar das wissenschaftsfeindliche Mittelalter getobt hat, in der islamischen Welt jedoch eine Blütezeit für die Wissenschaften war.
08.05.17
14:48
Manuel sagt:
@Andreas: Weil zu dieser Zeit, die Sultane und Könige die Islamisten, die es auch damals schon gab niedergedrückt hat! Und Europa wurde erst erfolgreich, als es nach der Französischen Revolution die Religion aus dem Staat entfernte, über Jahrhunderte hat die Kirche mit ihrer Wissenschaftsfeindlichkeit die Entwicklungen behindert. Die selbe Entwicklung gibt es derzeit in der Islamischen Welt, überall Mittelalter und Rückschritt!
09.05.17
18:16
Johannes Disch sagt:
@Andreas --- "Ich verteidige keine Dogmen! Ich verteidige die Freiheit." (Andreas) Chapeau!
10.05.17
2:43
grege sagt:
"Das zeigt die Zeit, als in Europa zwar das wissenschaftsfeindliche Mittelalter getobt hat, in der islamischen Welt jedoch eine Blütezeit für die Wissenschaften war." Die Zeit liegt und schon ein wenig zurück und wird gerne verklärt. Nichts ist gefährlicher als sich auf heutige Erfolge auszuruhen. Die katastrophale Lage der muslimischen geprägten Staaten spricht hier Bände. Wer immer nur die Schuld nur bei anderen sucht, dem bleibt der Fortschritt verwehrt
16.05.17
19:11
Kritika sagt:
Andreas sagt: @Kritika: Wenn jemand sein einmaliges Leben für die Fiktion (einer Religion) vergeudet und dabei Gutes für die Menschen tut, hat er sein Leben gar nicht vergeudet. Ärmer dran ist da schon der, der keine Perspektive nach dem Tod hat und dann sein Leben auch noch damit verbringt, anderen Menschen mit Hass zu begegnen. Das ist dann in der Tat ein vergeudetes Leben. Kritika antwortet: 1)Wenn jemand Gutes für die Menschen tut, hat er sein Leben - auch nach Kritikas Meinung - nicht vergeudet. 2) Es spricht keine rationale Begründung auch nur ansatzweise für eine "Perspective nach dem Tod". Deswegen ist eine Lebensweise, die gerichtet ist auf Meriten nach dem Tot sinnlos. Andreas sagt: anderen Menschen mit Hass zu begegnen - - - ist dann in der Tat ein vergeudetes Leben. Kritika meint: Es ist zumindest verwerflich - es sei denn, die mit Hass begegneten seien des Hasses würdig. Solche wären: SelbstmordMuslims, Mufties, die unstabile MuslimJünglinge weis machen, bei Allah 72 Jungfrauen zu bekommen, wenn sie unschuldige, unbeteiligte Menschen ermorden. Gruss, Kritika
20.05.17
2:20