Islamiq

IslamiQ: Muslime gelten als humorlos – wenn nicht gar humorfeindlich. Haben Muslime ein Humorproblem?

Tamer: Wir sollen solche Pauschalsierungen kategorisch vermeiden. Es gibt mit Sicherheit Muslime, die keinen Sinn für Humor haben. Genauso gibt es Nichtmuslime, die humorlos sind. Die Reaktionen gegen Muhammad-Karikaturen richten sich in erster Linie nicht gegen den Humor an sich, sondern gegen die Verspottung des Propheten, die die religiösen Gefühle von zahlreichen Muslimen verletzt.

IslamiQ: Kann man diese angebliche Humorlosigkeit islamisch begründen? Gibt es kulturelle oder historische Gründe dafür?

Tamer: Der Koran enthält humorvolle Passagen und ironische Beschreibungen. Es wird darüber hinaus berichtet, dass der Prophet Muhammad gelegentlich scherzte. So wird erzählt, dass er einmal einer Frau sagte: Geh zu deinem Gatten; in seinem Auge ist etwas Weißes. Die Frau erschrak sich und lief zu ihrem Mann. Als sie ihn davon erzählte, sagte er nüchtern: Ja, in meinem Auge ist freilich etwas Weißes. Aber das ist kein Unglück. Es gibt unter den Rechtsgelehrten jedoch Stimmen, die aus Gründen der Frömmigkeit Humor und Verwandtes für unangemessen halten.

IslamiQ: Können Menschen mit verschiedenen religiösen und kulturellen Hintergründen überhaupt über dasselbe lachen und scherzen? Wo liegen die Grenzen?

Tamer: Der Humor und verwandte Phänomene wie der Witz sind kulturell und historisch bedingt. Lachen Deutsche über jeden chinesischen Witz? Die Übersetzbarkeit von Humor ist keine Selbstverständlichkeit. Bei der Übersetzung von Witzen muss zum Beispiel darauf geachtet werden, dass der übersetzte Witz Lachen hervorruft.

IslamiQ: Wo liegen die Grenzen bei Muslimen, wenn es um Satire geht?

Tamer: Meiner Ansicht nach gibt es diesbezüglich drei Tabubereiche: Gott, den Propheten Muhammad und den Koran. Aus der Sicht von frommen Muslimen sind diese Themen heilig und dürfen nicht Gegenstand der Satire sein.

IslamiQ: Ist die muslimische Aufregung über Muhammad-Karikaturen gerechtfertigt?

Tamer: Solange die Aufregung friedlich ist, ja. Die Aufregung ist Folge der Verletzung religiöser Gefühle. Dies rechtfertigt Gewaltanwendung keineswegs.

Anzeige