Projekt „Wegweiser“

Aussteigerprogramm für gewaltbereite Salafisten

In drei Städten in Nordrhein-Westfalen soll bald das Ausstiegs- und Präventionsprogramm gegen gewaltbereite und politische Salafisten, Projekt „Wegweiser“, starten. Die größten muslimischen Organisationen machen jedoch nicht mit. Der Staat sucht sich kleinere Partner vor Ort.

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03
2014
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Noch im März soll das Projekt „Wegweiser“ der nordrhein-westfälischen Landesregierung in Bochum, Bonn und Düsseldorf starten. Zunächst sollen „Anlaufstellen“ eröffnet werden, um radikalen Salafisten den Ausstieg aus der gewaltbereiten Szene zu ermöglichen. Dies kündigte Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Donnerstag im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags an.

Ursprünglich sollten auch die großen muslimischen Religionsgemeinschaften beim Projekt mitmachen. Doch die forderten Nachbesserungen am Konzept. Kurz nach der Vorstellung des Projektes kritisierte der Koordinationsrat der Muslime (KRM) den Ansatz des NRW-Innenministeriums wegen des „fehlenden ganzheitlichen und nicht ausreichenden partizipatorischen Ansatzes im Kampf gegen Extremismus“.

Bei dem Projekt „Wegweiser“ handele es sich um ein in Deutschland einmaliges Präventionsnetzwerk, das vom Innenministerium und dem Verfassungsschutz koordiniert und vor Ort von den einzelnen Kommunen umgesetzt werde. Ziel sei es, bereits einen Einstieg in die gewaltbereite salafistische Szene zu verhindern, so Innenminister Jäger.

Kulturalisierung und Vermengung darf nicht gefördert werden

Der Koordinationrat der Muslime übte jedoch bereits im Juni 2013 scharfe Kritik am Konzept. „Gerade in einer Zeit, wo fast wöchentlich Übergriffe und Schändungen an Moscheen zu verzeichnen sind, Hassdelikte und rechtsextremistische Gewalt gegenüber Muslimen zunehmen und das Thema Islamfeindlichkeit und struktureller Rassismus bis in die Mitte der Gesellschaft gerückt ist, vermissen wir ein Sicherheitskonzept zum Schutze der Muslime und ihrer Einrichtungen“, erklärte der damalige KRM-Sprecher Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime (ZMD).

An der grundsätzlichen Haltung zum Projekt „Wegweiser“ hat sich auch nach etlichen Monaten nichts geändert. Der amtierende KRM-Sprecher Bekir Alboğa, von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), bestätigte im Gespräch mit unserer Redaktion, dass keine der im KRM organisierten Religionsgemeinschaften beim Projekt mitmache. Das Innenministerium habe sich daher lokale Partner vor Ort gesucht.

Laut KRM muss das Konzept für das „Wegweiser“-Projekt sowohl inhaltlich als auch begrifflich gemeinsam mit den Vertretern der islamischen Religionsgemeinschaften überarbeitet werden. Dies ist jedoch bis dato (noch) nicht geschehen. Das Projekt dürfe „die Kulturalisierung und Vermengung nicht zusätzlich fördern“, erklärte der KRM. Nur so gebe es eine realistische Chance „nachhaltig, vertrauensvoll und effektiv im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung zu arbeiten.“

Jäger verspricht: religiöse Überzeugungen werden respektiert

Innenminister Jäger scheint diese Kritik zunächst kalt gelassen zu haben. Er kündigte an, die Hilfsangebote im „Wegweiser“-Projekt seien sehr umfassend und richteten sich an Jugendliche, die mit dem Salafismus in Berührung stünden, aber auch an deren Angehörige. Die Angebote reichten von der Unterstützung bei der Arbeitsplatz- und Studienplatzsuche bis hin zur medizinischen und psychologischen Betreuung. Hinter den Kulissen wird aber berichtet, dass der Dialog mit den Religionsgemeinschaften im KRM gesucht wird.

Alle behördlichen und gesellschaftlichen Ebenen sollen bei den Anlaufstellen eingebunden werden, um „individuelle, schnelle und nachhaltige Auswege“ aus unterschiedlichen Problemlagen realisieren zu können, sagte Jäger. Er versicherte, von den Sicherheitsbehörden würden „religiöse Überzeugungen respektiert, aber keine Gewalt zur Durchsetzung extremistischer Ziele“.

Zu den Akteuren der Anlaufstellen zählen laut Innenminister Jäger örtliche Jugend- und Sozialämter sowie städtische Integrationsstellen, aber auch Vertreter von Polizei, Sozialverbänden, Moscheegemeinden und anderen Initiativen und Verbänden. Bisher gebe es noch keine Erfahrungswerte für die Arbeit eines Ausstiegsprojekts „mit solch innovativem und umfassendem Ansatz“, so Jäger. Der Innenminister kündigte an, die Zahl der Anlaufstellen zu erhöhen, sobald die notwendigen Netzwerkstrukturen geschaffen seien. (KNA/iQ)