Muslimisches Erbe

Al-Aqsa-Bibliothek digitalisiert 4.000 Handschriften

In der Al-Aqsa-Bibliothek lagern mehrere Jahrhunderte Geschichte von Muslimen. Doch die Handschriften, die einst zur Sicherheit dort gelagert wurden, sind heute größtenteils zerstört. Nun versucht man das zu digitalisieren, was noch vorhanden ist. Und hofft auf Hilfe aus aller Welt.

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02
2014
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In den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts rief die Al-Aqsa Moschee gläubige Muslime in aller Welt dazu auf, Handschriften und Bücher nach Jerusalem in Sicherheit zu bringen. Damals ahnte niemand, welchen Gefahren die Handschriften im Laufe der Geschichte ausgesetzt sein würden.

„Vor uns liegt der Schatz unserer Nation, unser Erbe und unsere Geschichte“, sagt Scheich Hamed Abu Teir. Er ist seit 35 Jahren Bibliothekar an der Al-Aqsa-Bibliothek und seit einem Jahr als Manager unter anderem für die Handschriftenabteilung verantwortlich. Oder vielmehr: was davon übrig ist. Viele Familien folgten dem Aufruf und übergaben ihren Privatbestand an die heilige Stätte.

Krieg, Lagerung, Zerstörung

Dann kamen der arabisch-israelische Krieg 1948. Die jordanische Besatzung. Der Sechstagekrieg von 1967. Die Handschriften wanderten in Säcke und Kästen. Ein Teil von ihnen verschwand. Und tauchte in Europa wieder auf. An der Universität Heidelberg zum Beispiel, sagt der Scheich und zitiert eine Notiz aus einem arabischsprachigen Buch.

Ein halbes Jahrhundert unsachgemäße Lagerung taten ihr Übriges. „Wir können nicht abschätzen, wie groß der Verlust tatsächlich ist“, sagt Mitarbeiterin Abeer Zayyad. Jetzt gelte es aufzuräumen. Wurmzerfressene Einzelseiten säumen die Tische im verschlossenen Annex zum Lesesaal aus britischer Mandatszeit. 4.000 Buchmanuskripte sind erhalten, viele von ihnen in desolatem Zustand.

Restauration und Digitalisierung

Mithilfe der Weltkulturorganisation UNESCO und der jordanischen Stiftungsbehörde werden sie seit rund sechs Jahren restauriert und digitalisiert. Fünf einheimische Restauratoren wurden in Italien ausgebildet, sagt Abu Teir. Die Arbeit an den Handschriften stellt die Fachleute vor enorme Herausforderungen, erklärt Zayyad. „Die Tinte aus Europa reagiert anders als die Tinte der Handschriften aus dem Orient. Während wir manche Dokumente mit Alkohol reinigen können, würde dies bei anderen die Tinte auswaschen“, sagt Zayyed.

Ein Schmuckstück der Sammlung ist das Original der „Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften“ (Ihya al ulum ad din) des persischen Theologen und Mystikers Mohammed al-Ghazali aus dem 12. Jahrhundert. Dazu kommen alte türkische Bücher, abgefasst in arabischen Buchstaben – Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit. Und wertvolle Koranhandschriften, die Älteste aus der Entstehungszeit des Islam. Ein großer Teil von ihnen liegt nebenan im Museum. Seit der zweiten Intifada im Jahr 2000 ist es für die nicht-muslimische Öffentlichkeit geschlossen.

Schutz der Werke und Zugang für Öffentlichkeit

Mit fortlaufender Arbeit wird der Bestand katalogisiert, um Katalog und Handschriften allen Interessierten online zugänglich zu machen. Das Ziel, neben dem Schutz bedeutenden islamischen Kulturguts, ist klar: „Wir sitzen hier im Käfig“, sagt Zayyed. Studenten und Wissenschaftler vieler arabischer Länder, die meisten Palästinenser aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen eingeschlossen, bleibt der Zutritt zu Jerusalem – und damit zu den Bibliotheken der Al Aqsa, „den wichtigsten islamischen Bibliotheken Palästinas“ – verwehrt. „Eine Schande“, findet sie, weil eine gründliche wissenschaftliche Untersuchung „zur Wissensverbreiterung in der arabischen Welt“ beitrüge.

Einen Teil der Digitalisierung haben andere Institutionen übernommen. 800 Handschriften wurden von einer jordanischen Universität online verfügbar gemacht, weitere 300 sind auf einer Londoner Internetseite zu finden. „Wir wollen die Lücken füllen. Am Ende sollen alle Sammlungen über eine einzige Internetseite zugänglich sein“, erklärt Zayyad. Bei insgesamt 4.000 Handschriften und überwiegend freiwilligen Mitarbeitern komme man dabei rasch an die Grenzen der Kapazität. „Binnen Jahresfrist“, hofft Scheich Abu Teir, „sind wir bereit.“

Übersetzungen der Handschriften oder zusätzliche Tools sind für die Onlinedatenbank derzeit nicht geplant. Aber man hofft man auf einen Schneeballeffekt. Scheich Abu Teir: „Wir hoffen, dass andere das Projekt adoptieren und mit ihren Übersetzungen zu seiner Weiterentwicklung beitragen.“ (KNA/iQ)