Universität Würzburg

Professorin entschuldigt sich bei Studentin

Der Streit um das Kopftuch einer muslimischen Studentin an der Universität schlägt bundesweit hohe Wellen. Nun hat die Professorin in einer E-Mail um Entschuldigung gebeten.

02
11
2017
Kopftuch, Muslimin, Kopftuchverbot
Symbolbild: Kopftuchtragende Studentin, Kopftuch © by iQ

Nachdem Kopftuchstreit in einer Vorlesung an der Universität Würzburg, habe sich die Professorin Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Dozentin für Soziologie und Politikwissenschaften, in einer E-Mail von der muslimischen Studentin entschuldigt.

Wie die „Mainpost“ berichtet, bedauere die Dozentin in dem Schreiben ihre Ausdrucksweise gegenüber der Studentin, sprach aber auch von Missverständnissen. Sie habe eine „derartige Welle der Empörung und der Aufregung“ nicht erwartet. Zudem kündigte sie an, das Schreiben in der nächsten Vorlesung öffentlich vorzutragen. Die Studentin soll die Entschuldigung angenommen haben, auch wenn sie diese als „unglücklich formuliert empfinde“.

Was war vorgefallen?

Vergangene Woche habe die Dozentin für Soziologie und Politikwissenschaften die Studentin aufgefordert ihr Kopftuch abzulegen, als Zeichen des Respekts vor einer universitären Einrichtung und vor ihr als vortragender Professorin. Da alle Männer ihre Caps und Mützen ablegen mussten, sollte die junge Frau nachziehen. Doch die Studentin weigerte sich und verließ den Saal.

Als andere Studenten auf die Religionsfreiheit verwiesen, soll die Professorin jedoch entgegnet haben, dass „solche in der Gesellschaft herrschen kann, nicht aber in der Wissenschaft“.

„Kopftuchverbot nicht akzeptabel“

Der Vorsitzende der Studierendenorganisation der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), Selçuk Çiçek, äußerte sich zu dem Vorfall an der Universität Würzburg. „Mit großer Sorge registrieren wir eine wachsende Zahl islamfeindlicher Vorfälle an Hochschulen. Offenbar werden Ressentiments gegenüber Muslimen seit den Wahlerfolgen der AfD immer ungenierter ausgelebt und kundgetan“, erklärt Çiçek. Es sei nicht akzeptabel, dass eine Professorin einer öffentlichen Universität unser Grundgesetz derart missachte und die darin verbriefte Religionsfreiheit aushohle mit einem plumpen Basecap-Vergleich.

„Eine Politik-Professorin an einer Hochschule sollte nicht nur den Wortlaut unseres Grundgesetzes kennen, sondern auch die Historie dahinter. Sie sollte in der Lage sein, zwischen einem Mode-Accessoire und einem Kopftuch oder einer jüdischen Kippa zu unterscheiden. Letztere werden aufgrund religiöser und persönlicher Überzeugungen getragen und sind Teil der persönlichen Identität“, so Çiçek weiter.

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
In Moscheen ziehen sich auch Nichtmuslime die Schuhe aus. Aus Respekt vor dem religions- und weltanschauungsübergreifenden Charakter staatlicher Universitäten und der wissenschaftlichen Methode sollte in Hörsälen auf religiöse und politische Uniformen generell verzichtet werden, wozu auch das Kopftuch, Parteiabzeichen oder eine Freimaurerschürze zählt. In der Türkei galt auf staatlichen Universitäten jahrzehntelang das konsequente optische Neutralitätsprinzip, das erst die amtierende autoritär-klerikale Regierung gekippt hat. Es ist bedauerlich, dass Teile der deutschen Linken der islamischen Rechten bei ihren Lobbying-Aktivitäten tatkräftig behilflich sind. Im englischsprachigen Raum hat sich für jene Linken, die sich willfährig der islamischen Rechten unterwerfen, der Begriff "regressive left" etabliert.
02.11.17
14:21
Martina sagt:
Das Kopftuch wird nicht aufgrund religiöser Überzeugungen der Frauen getragen, sondern weil ihnen die Repräsentanten der Religion einreden, dass das Kopftuch Pflicht sei. Die Frauen werden also von den Religionsvertretern ihre Selbstbestimmung beraubt, was durch die Religionsfreiheit keineswegs gedeckt ist, da die Grundrechte persönliche Rechte sind und nicht Rechte der islamistischen Organisationen. Dass gerade ein islamistischer Studentenvertreter auf die Historie des Grundgesetzes verweist, während er zugleich nicht erkennt, dass auch das Kopftuch lediglich eine historische Erscheinung der Zeit Mohammeds war, ist bezeichnend für den Islam und zeigt, dass er eben doch mehr eine Ideologie denn eine Religion ist. Das bedeutet dann aber auch, dass die Religionsfreiheit nicht gelten kann.
02.11.17
15:11
Johannes Disch sagt:
@Herr Selcuk (IGMG) Das Kopftuch gehört nicht zu den "5 Säulen" des Islam. Der Hinweis auf die Religionsfreiheit bzw. die religiöse Überzeugung, geht also fehl. Das Kopftuch ist im Islam nicht zwingend vorgeschrieben und lässt sich aus dem Koran nicht ableiten. Nirgends im Koran steht, dass die Verhüllung der Haare eine religiöse Pflicht wäre.
02.11.17
19:46
Johannes Disch sagt:
Die Dozentin hat sich sicherlich nicht sehr geschickt verhalten. Und auch ihr Hinweis, Religionsfreiheit hätte in der Wissenschaft nichts verloren geht irgendwie am Thema vorbei. Dass Wissenschaft und religiöser Glaube 2 verschiedene Paar Schuhe sind, das ist richtig. Aber die Studentin verliert ihr Grundrecht auf Religionsfreiheit nicht, weil sie einen Hörsaal betritt. Das Kopftuch mag ein Symbol für "Identität" oder eine Phase der "Identitätsfindung" darstellen. Es ist aber keineswegs religiös zu legitimieren. Es ist für eine Muslimin nicht zwingend erforderlich, ein Kopftuch zu tragen, um als gläubig zu gelten. Das säkulare/laizistische Europa zeichnet sich dadurch aus, dass das Primat der Vernunft herrscht und alles hinterfragt und in Frage gestellt werden darf. Man sollte nicht jeden Vorbehalt gegen religiöse Dogmen und Symbole gleich in die Nähe der Islamfeindlichkeit rücken, so wie es IGMG-Funktionär Selcuk Cicek tut.
02.11.17
20:14
Ute Fabel sagt:
Ich kenne zahlreiche türkische Kemalisten, die mit großer Leidenschaft bei ihren Vereinstreffen die typischen Atatürk-Hüte aufsetzen. Am Arbeitsplatz und auf der Universität trägt diese Kopfbedeckungen keiner. Dieselbe Flexibilität kann von Muslimen und Musliminnen auch erwartet werden.
03.11.17
12:01
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (Ihr Post 02.11.17, 14:21) Diese Linken, die Sie treffend beschreiben, sind Multikulturalisten und damit Kulturrelativisten. Die relativieren allles, vor allem die europäischen Werte, setzen aber neo-absolutistische Weltanschauungen im Namen einer falsch verstandenen Toleranz absolut aus "Respekt vor dem Fremden." Es ist immer wieder erstaunlich, dass die erste Maßnahme islamistischer Regime und Regierungen stets die Wiedereinführung des Kopftuchs ist. Das war im Iran Chomeinis so. Und es ist in Erdogans "Islamokratie" der Fall. So harmlos kann das "Stück Stoff" also gar nicht sein, und so harmlos ist es auch nicht. Auch in Deutschland nimmt der Kopftuch-Islam zu. Diesmal wird es uns als "Identität" verkauft. Aufgrund eines fehlenden Laizismus können wir in Deutschland an öffentlichen Schulen und Universitäten nicht so entschieden vorgehen wie beispielsweise Frankreich. Wir können es an Schulen und Universitäten also nicht verbieten. @Herr Selcuk Cicek Die Professorin hat sich nicht grade geschickt verhalten. Aber sie hat sich entschuldigt, und die Studentin hat diese Entschuldigung angenommen. Man muss nicht jeden Kopftuch-Konflikt gleich zum Rassismus-Hype aufblähen.
03.11.17
15:18
SoWas sagt:
Ein wichtiger Aspekt wird gerne übersehen: Die Aufforderung alle Kopfbedeckungen abzulegen hat diese Professorin schon seit Jahren gegenüber allen anwesenden Studenten ausgesprochen. Insoweit hat sie vielleicht im Moment des Erkennens, dass eine Muslima sich auf ihre Religionsfreiheit berufen will, nicht perfekt reagiert. Entscheidend finde ich jedoch: Eine einfache Artikulation bricht sofort in hysterisches "Gekreische" aus. IGMG mit Selçuk Çiçek an vorderster Front. (Wie immer, das Grundgesetz wird nur mit dem Artikel der Religionsfreiheit anerkannt. Das hier dieses Grundrecht gar nicht tangiert ist, will er gar nicht erkennen, sondern lauthals in die Kerbe schlagen...) und die Folge? anstatt einfach auch mal zu akzeptieren, dass es eine Entschuldigung zwischen Prof und Studentin gab? Nein, die Universität stellt sie noch an den Pranger. Bei der nächsten Vorlesung soll sie ein öffentliches Statement abgeben. Ein unproblematischer Austausch zwischen Muslimen und Nichtmuslimen ist anscheinend in Deutschland nicht mehr möglich. (wobei ich Wert darauf lege, dass dieses emotionale Überhitzen nicht von den Nichtmuslimen kommt)
08.11.17
16:14