Kopftuch

Gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt! Nicht für alle?

Benachteiligung aufgrund der Herkunft oder Religion gibt es überall – auch in Deutschland. Ob jemand „voll integriert“ und qualifiziert ist, spielt dabei keine große Rolle. Die Stereotype und Vorbehalte sitzen nunmal fest in den Köpfen. Wie sich diese im Alltag bemerkbar machen, schreibt Sebahat Özcan, ausgehend von einer (leider) wahren Geschichte.

01
03
2015

Rabias weißes Kopftuch flattert im Wind. Sie fühlt sich frei wie ein Vogel. So groß ist die Erleichterung. Nach einem jahrelangen harten Pharmaziestudium ist sie nun Pharmazeutin. Ganz unkontrolliert lächelt sie über ihr ganzes Gesicht. Sie hat ihr zweites Staatsexamen tatsächlich mit einer 1,7 bestanden. Sie hat zahlreiche Bewerbungen losgeschickt. Wenn sie angenommen wird, ihr praktisches Jahr zu Ende bringt und ihr drittes Staatsexamen besteht, ist sie endlich Apothekerin.

Zuhause angekommen, legt sie ihre Tasche ab. Ihr Mann begrüßt sie. „Herzlichen Glückwunsch“, grinst er freudig, „du hast morgen um 10 ein Bewerbungsgespräch.“ Rabia macht fast einen Luftsprung. „Super!“, ruft sie glücklich und macht sich direkt an die Vorbereitungen.

Am nächsten Tag ist Rabia in einer renommierten Apotheke in Frankfurt. Groß, hell und freundlich. Sie fühlt sich wohl. „Hier würde ich so gerne arbeiten!“, denkt sie sich. Das Gespräch läuft bestens. So gut, dass Rabia fast keine Zweifel daran hat, angenommen zu werden. Die Apothekenleiterin erhebt sich und reicht Rabia die Hand, Rabia tut es ihr gleich. „Schön, ich freue mich, Sie in unserem Team zu haben“, sagt die Leiterin.

Das Kopftuch ablegen?

Ganz sichtlich fällt ihr noch etwas ein: „Ehm, noch etwas. Eigentlich habe ich keinen Zweifel daran, aber ich möchte es trotzdem vorsichtshalber ansprechen. Dass Sie mit Kopftuch nicht arbeiten können, ist Ihnen klar, oder?“ Es ist wie ein schlechter Scherz, der Rabia aus ihrem Märchen reißt. Rabia ist ein wenig verwirrt. „Ich dachte, es sei kein Problem. Es steht doch sonst nichts im Weg?“ Die Apothekenleiterin lässt Rabias Hand los. Auch sie ist ein wenig verwirrt.

Anscheinend hat sie das nicht erwartet. „Ich sehe es als selbstverständlich an, dass eine Frau mit Kopftuch nicht in einer solch renommierten Apotheke arbeiten kann.“ Sie lässt sich langsam auf ihren Sessel zurückfallen. Rabia bleibt stehen und sieht sie erwartungsvoll mit großen Augen an. „Passiert das gerade wirklich?“, staunt sie und will es nicht glauben.

„Ich toleriere natürlich ihre Religionszugehörigkeit. Das ist ja ganz schön an etwas zu glauben, aber ich kann Sie doch nicht immer verstecken, wenn Kunden kommen. Immerhin müssen Sie hier Menschen beraten und betreuen. Was soll ich denen denn sagen, wenn sie mich darauf ansprechen? In meiner Apotheke kann keine Frau mit Kopftuch hinter der Theke stehen.“ Wie viele andere geht sie wohl davon aus, das Kopftuch stünde für die Unterdrückung der Frau und nicht für ihre Freiheit. „Wie Sie daran glauben, kann ich natürlich nicht beurteilen. Aber ich kann sowas nicht unterstützen.“

Sie sieht Rabia entschlossen in die Augen. Dann lächelt sie ermutigend: „Sollten Sie Ihre Meinung bezüglich des Kopftuches ändern, sind Sie bei uns herzlich willkommen. Ich kann es mir nicht leisten, Kunden zu verlieren.“

Leserkommentare

m.belal el-mogaddedi sagt:
Setzen wir das Ganze doch einmal in einen anderen Kontext und überlegen wir dann, wie die deutsche Öffentlichkeit wohl reagieren würde, wenn das Gespräch so abgelaufen wäre: "Ganz sichtlich fällt ihr noch etwas ein: “Ehm, noch etwas. Eigentlich habe ich keinen Zweifel daran, aber ich möchte es trotzdem vorsichtshalber ansprechen. Dass Sie mit Kippa nicht arbeiten können, ist Ihnen klar, oder? Ich sehe es als selbstverständlich an, dass ein Mann mit Kippa nicht in einer solch renommierten Apotheke arbeiten kann. Ich toleriere natürlich ihre Religionszugehörigkeit. Das ist ja ganz schön an etwas zu glauben, aber ich kann Sie doch nicht immer verstecken, wenn Kunden kommen. Immerhin müssen Sie hier Menschen beraten und betreuen. Was soll ich denen denn sagen, wenn sie mich darauf ansprechen? In meiner Apotheke kann kein Mann mit einer Kippa hinter der Theke stehen. Wie Sie daran glauben, kann ich natürlich nicht beurteilen. Aber ich kann sowas nicht unterstützen.”
02.03.15
15:06
Lothar sagt:
Das Kopftuch steht in Deutschland weder für Unterdrückung noch für Befreiung, es steht einfach nur für Starrsinn auf beiden Seiten. Es scheint ein Machtkampf stattzufinden, bei dem es darum geht, dass Muslime in Deutschland versuchen, ihre Position zu erkämpfen. Dafür sind sie bereit, jedes Register zu ziehen. Das ist mindestens genauso dumm, wie auf der anderen Seite die Diskriminierung von Frauen mit Kopftuch. Die selbstbewußte muslimische Frau hat zwei Möglichkeiten: Sie kann starrsinnig darauf beharren, dass das Kopftuch für sie Pflicht ist, weil sie von ihren Anführern gesagt bekommen hat, dass sie andernfalls in der Hölle landet oder sie legt es zeitweise einfach ab und praktiziert ihren Glauben ansonsten brav weiter, in der Hoffnung, dass diejenigen, die ihr mit der Hölle drohen, entweder lügen oder sich irren.
02.03.15
16:08
Omar sagt:
Für so einen Arbeitgeber würde ich auch gar nicht arbeiten wollen...
02.03.15
16:20
Fatima Özoguz sagt:
" Ich toleriere natürlich ihre Religionszugehörigkeit." Mir kommen die Tränen ob dieser Großzügigkeit
02.03.15
21:26
Thomas sagt:
Warum müssen Muslime eigentlich immer damit kommen, dass wir bösen Deutschen uns ihnen gegenüber Dinge herausnehmen, die wir uns Juden gegenüber nie herausnehmen würden? Es sind nun einmal nicht radikale Juden, die den Westen bedrohen, sondern radikale Muslime. Also haben viele Deutschen nun einmal Angst vor dem Islam und nicht vor den Juden. Das wiederum führt zu einer gewissen Ablehnung des Islam, die man teilweise durchaus auch Islamfeindlichkeit nennen kann. Während aber beispielsweise Israel mit dem Westen nicht nur verbündet ist und in weiten Teilen unsere Werte teilt, wird selbst in den muslimischen Ländern, die sich als Verbündete des Westens ausgeben, gegen den Westen gehetzt.
03.03.15
10:43
Tallaui sagt:
Lothar dir sollte klar sein, dass es bei dem Kopftuch keinen Zwang gibt. Keiner entscheidet oder sollte entscheiden dürfen, wer ein Kopftuch trägt und wer nicht. Ich gehe sehr stark davon aus, dass auch Frauen, die keinen Kopftuch tragen, weil Sie nicht möchten, aber ein reines Herz besitzen sehr wohl in das Paradies kommen. Diese Debatten hier und alles durch Medien gepushte ist einfach nicht die Wahrheit über den Kopftuch oder den Islam.

Sieh es mal aus einem anderen Blickwinkel: Die Frauen in Europa und der westlichen Welt sind emanzipiert und fühlen sich selbstständig und wissen, dass sie alles erreichen können. Dazu gehört auch, dass sie sich kleiden können, wie sie möchten. Dazu gehören auch wiederum kurze und knappe Bekleidung, was Sie gerne tragen können, denn es ist ihr Recht. Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass genau diese Art von Bekleidung der Frau keine Selbstständigkeit und Emanzipation oder Befreiung bringt? Sie glauben es, aber in Wahrheit unterwerfen sie sich der Männerwelt, indem sie sich selbst auf ihr Äußeres reduzieren und sich dann fragen, wieso so viele nur nach dem Äußeren gehen. Sie instrumentalisieren ihre Körper und machen genau das, was die Männerwelt hofft. Und seien wir alle ehrlich: wenn du eine sexy gekleidete Frau siehst, wird es schwer sich auf sie oder ihr Inneres zu konzentrieren. Ich weiß, dass es 100 Abstufungen der Kleiderform zwischen Kopftuch und nackt gibt. Dennoch sollte man sich mal darüber Gedanken machen. Eine Frau die ein Kopftuch trägt ist meiner Meinung nach sehr selbstbewusst, weil Sie das einerseits in dieser kontroversen und schweren Zeit ihrem Gott zuliebe macht, ohne Angst zu haben und andererseits, weiß sie definitiv, was sie zu bieten hat und braucht dazu keinen Ausschnitt oder Haut zeigen.

Wie oben erwähnt, ich sage nicht, dass es verplichtend ist und ich sage auch nicht, dass alle, die gerne Ausschnitt und Haut zeigen, schlecht seien. Sie können tragen was sie wollen. Ich finde nur, dass es an der Zeit ist zu Leben und Leben zu lassen. Das letzte womit ein Kopftuch in Verbindung gebracht werden sollte, ist Angst und Terrorismus bzw Unterdrückung. Warum kriegt es der Westen nicht in die Birne rein, dass genau wie sich alle Frauen hier aus freien Stücken freizügig kleiden, es auch Frauen auf der Welt gibt, die sich aus freien Stücken ein Kopftuch umbinden. Die Medien sind durch und erzählen sehr viel Schrott. Darum wird es für den Durchschnittsbürger, der nicht in einem Ballungszentrum wohnt schwer, denn wie soll er etwas kennenlernen, was ja schlimm ist. Dass in Frankfurt sowas passieren würde, hätte ich niemals gedacht. Bin selbst aus Frankfurt und habe in meinem Leben nichts anti-islamisches gehört oder wahrgenommen. Bin selbst Muslim. Aber wie gesagt, die Medien schaffen alles. Nur der offene Dialog hilft.

Keine Ahnung, ob ich ungefähr erklären konnte, was ich meine. Fakt ist: Wenig labern und vielleicht mal lieber raus gehen und ein offenes Gespräch führen, auch wenn es schwer fällt. Naja und Rabia dir kann ich nur sagen: Fällt eine Tür zu geht eine Andere auf. Allah hat für dich wahrlich Besseres geplant. Alles, egal ob gut oder schlecht, kommt von ihm. Nimm auch das Negative dankend entgegen, denn darin liegt was Besseres für dich in der Zukunft.
03.03.15
17:39
chris sagt:
Es ist nicht das Kopftuch das die Chancen auf dem Arbeitsmarkt schmälert. Mir sind auch Menschen bekannt, die türkische Vornamen oder Nachnamen haben und es gibt welche, die blond sind und trotzdem mit Vorurteilen zu kämpfen haben GLEICHE EIGNUNG 2 PERSONEN der Türke ist immer der benachteiligte und fragt mal die Eriträerinnen und Marokkanerinnen und Jugoslawinnen die kein Kopftuch tragen aber trotz Masterabschluss keine Chance haben
28.07.16
20:21
chris sagt:
ich muss gestehen, ich würde bei einer Muslima auch darauf verweisen in bestimmten Branchen dass sie kopftuch ablegt tut sie das nicht dann hat sie Pech gehabt das ist irrsinnig und blöd auf so etwas zu pochen dennoch muss ich betonen, es ist nicht das Kopftuch sondern Vornamen, aussehen und andere Merkmale die bei Migranten trotz Qualifikation zu Diskriminuerungen führen und das ist sehr bitter am ende des Tages kriegt man einen Job nicht wegen ethnischer Herkunft das muss man sich mal vor Augen führen
28.07.16
20:24
Kritika sagt:
L.S. Allah hat der jungen Frau sehr viel Verstand und einen guten Studienplatz gegeben ein so schweres Studium erfolgreich zu meistern. Alle Achtung! Allah - wer sonst - hat die Hand der Apothekerin geführt, die Rabia eingeladen hat und damit gewährt Allah ihr eine weitere Gunst, die, eine interessante Arbeit zu bekommen. Allah hat das Herz der Apothekerin geöffnet, den fremden Namen zu akzeptieren. Allah kennt natürlich die Apotheke und weis daher, dass Rabia wie die anderen Angestellten ohne Kopftuch arbeiten soll also rechnet Er mit dem Gehorsam der Rabia, dort so zu arbeiten wie alle das tun, sonst hätte Allah sie ja nicht dahin geschickt. Es ist für Kritika daher völlig unverständlich, weshalb Rabia ungehorsam Allah gegenüber wird und dem Auftrag Allahs nicht folge leistet. Kritika legt Rabia nahe, wegen Ungehorsam Busse zu tun und der Apothekerin zu bitten sie dennoch einzustellen und zu versprechen eine fleissige loyale Mitarbeiterin zu sein. Ohne Koptuch natürlich weil Allah es so gewollt hat. Von Herzen viel Erfolg im Beruf, liebe Rabia wünscht Dir Kritika. Gruss, Kritika
10.11.16
23:47