Rote Moschee in Schwetzingen

In der Spargelstadt Schwetzingen gibt es eine Moschee, die eine schöne Fotokulisse, aber kein Gebetshaus ist. Sie ist die einzige Gartenmoschee in Europa, die noch existiert.

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2013
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Schwetzingen ist eine kleine Stadt, die für ihren Spargel berühmt ist. Die Moschee in der Gartenanlage des Schwetzinger Schlosses allerdings ist fast berühmter. Allerdings wohnen in der Stadt wenige Muslime und die Moschee stammt aus einer Zeit, in der noch weniger Muslime in der Gegend wohnten. Zudem erfüllt die Moschee nicht den Zweck eines Gebetshauses. Der Begriff „Türkenmode“ erklärt warum sie trotzdem so aussieht.
Die Moschee Schwetzingen wurde 1778-91 vom Hofarchitekten Nicolas de Pigage im Garten des Schwetzinger Schlosses errichtet. Bereits 1774 gab es an dieser Stelle den türkischen Garten. Das Gebäude wurde dem Gesamtkonzept des Gartens eingegliedert und hatte nie die Funktion eines Gebetshauses der Muslime gehabt. Dementsprechend weicht auch ihre Architektur von der typischen islamischen Architektur ab. Stilelemente des Christentums und des Islams treffen aufeinander, wobei die orientalische Spuren deutlich dominieren.

Die Türkenmode als Ausdruck der Neugierde an fremden Kulturen

Der Kuppelbau erinnert eher an eine spätantike Zentralkirche, als eine Moschee nach klassischer osmanischer Art. Die schlanken Minaretten allerdings sind bis ins kleinste Detail der islamischen Architektur zuzuschreiben. Sogar den umlaufenden Gang oben für den Muezzin gibt es, obwohl dieser keine Funktion hat. In dem Gebäude fehlen zudem die wichtigsten Elemente einer Moschee. Es gibt keine Mihrab-Nische und keine Minbar, die Predigtkanzel. Im Inneren der Moschee findet man orientalische Weisheiten in arabischer Schrift und auf Deutsch, jedoch keine Kuranverse. Obwohl der Innenhof mit den Wandelhallen eindeutig maurisch ist, könnten seine Vorbilder die Kreuzgänge mittelalterlicher Klosteranlagen gewesen sein.

Das Bauwerk galt lange Zeit als bloße Kulisse, wurde einige Male für Freilichtaufführungen von Opern benutzt und war Ausdruck der Türkenmode zu dieser Zeit. Diese zeigte sich nicht nur in der Architektur, sondern auch in den Werken der Malerei, der Musik und der Porzellankunst. Nachdem 1704 die arabische Märchensammlung „Tausend und eine Nacht“ in französischer Übersetzung veröffentlicht wurde, stieg das Interesse an der morgenländichen Kultur. Die Türkenmode wurde Bestandteil der europäischen Hofkultur.

Glaubt man einigen Quellen, wurde die Schwetzinger Moschee tatsächlich für eine kurze Zeit als Gebetshaus benutzt. Nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/1871 wurden Kriegsgefangene aus Nordafrika in der Nähe von Schwetzingen untergebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben Amerikaner den Innenraum als Jazz- und Swing-Club verwendet. 1990 wurde mit der Restaurierung des Gebäudes begonnen. Seit 2007 ist die Moschee für Besucher geöffnet.

Orientalische Architektur in Deutschland

Vieles, das zu dieser Zeit in orientalischem Stil gebaut wurde, hatte keinen religiösen Hintergrund. Trotzdem geht man davon aus, dass der Bauherr der Moschee, der Kurfürst Karl Theordor, ein Zeichen für Toleranz setzen wollte. Die Schwetzinger Moschee ist nicht das einzige architektonische Beispiel Bauten, die der orientalischen Architektur zugeordnet werden können.

Schon vorher wurden die Moscheen in den Parkanlagen von Schloss Wilhelmshöhe bei Kassel 1777 und Hohenheim bei Stuttgart 1778 gebaut. Darüber hinaus gab es Gebäude, die sich äußerlich von der Moscheearchitektur inspirieren ließen und in ihrem Inneren außergewöhnliche Orte verbargen. 1841-1843 wurde in Potsdam ein Dampfmaschinenhaus erbaut, das “nach Art der türkischen Moscheen mit einem Minarett als Schornstein“ errichtet wurde. In Dresden wurde 1908- 1909 eine Zigarettenfabrik im Stil einer Moschee gebaut. Der Schornstein wurde als Minarett getarnt, da zu dieser Zeit in Dresden die Vorschrift galt, keine Fabrikgebäude im Zentrum der Stadt zu errichten, die als solche erkennbar waren.