Todesfahrer von Magdeburg

Magdeburger Anschlag: Asyl, Islamkritik und ein rechtsextremes Netzwerk

Er erhielt Asyl wegen Islamkritik – Jahre später tötete er sechs Menschen auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. Ein Gutachten zeigt: Taleb al-Abdulmohsen war Teil eines rechtsextremen Netzwerks.

27
10
2025
Innenstadt von Magdeburg - Polizeiabsperrungen @ Anadolu Ajans, bearbeitet by iQ.
Innenstadt von Magdeburg - Polizeiabsperrungen @ Anadolu Ajans, bearbeitet by iQ.

Neue Erkenntnisse zum sogenannten „Todesfahrer von Magdeburg“ werfen ein komplexes und widersprüchliches Bild auf die Biografie und Motivation des mutmaßlichen Täters Taleb al-Abdulmohsen. Während der Mann 2016 in Deutschland Asyl erhielt, weil er sich kritisch gegenüber dem Islam und der Herrscherfamilie in Saudi-Arabien geäußert hatte, belegen aktuelle Gutachten, dass er sich Jahre später einem internationalen rechtsextremen Netzwerk zugehörig fühlte.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt befasste sich jüngst erneut mit der Vorgeschichte des Mannes. Nach Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte al-Abdulmohsen zwei Tage vor seiner Anhörung Kontakt mit der saudischen Botschaft aufgenommen und dort seine Abkehr vom Islam und Kritik an der saudischen Monarchie dokumentiert. Diese Haltung galt als glaubwürdig – da in Saudi-Arabien auf „Abfall vom Islam“ und Regimekritik die Todesstrafe steht, wurde ihm politisches Asyl gewährt.

„Er hat genau gewusst, was er sagen muss, um eine positive Entscheidung zu erreichen“, erklärte die CDU-Abgeordnete Kerstin Godenrath. Ein anderer BAMF-Mitarbeiter betonte, dass es bei einer drohenden Verfolgung keine Alternative zur Erteilung von Schutz gegeben habe. 2016 erhielt al-Abdulmohsen Asyl, absolvierte eine Facharztausbildung und arbeitete ab 2020 als Psychiater im Maßregelvollzug in Bernburg, wo er suchtkranke Straftäter behandelte.

Am 20. Dezember 2024 raste der Arzt mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt – sechs Menschen starben, mehr als 300 wurden verletzt. Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg wirft ihm sechsfachen Mord und versuchten Mord an 338 Personen vor. Der Prozess soll am 10. November beginnen.

Gutachten: Rechtsextreme Motivation – kein Einzeltäter

Ein Gutachten des Leiters der Fachstelle für Gewalt- und Radikalisierungsprävention „Salam“, Hans Goldenbaum, das dem Untersuchungsausschuss vorliegt, zeichnet nun ein anderes Bild als die bisherigen Ermittlungen von BKA und LKA. Während die Behörden zunächst eine islamistische Motivation vermuteten und später eine politische Motivation ausschlossen, kommt die neue Analyse zu dem Schluss: Der Anschlag war ein gezielter rechtsextremer Terrorakt.

Demnach habe sich Taleb al-Abdulmohsen selbst als Teil eines internationalen rechtsextremen Netzwerks verstanden. „Tatort und Opfergruppe sind bewusst ausgewählt und gezielt angegriffen worden“, erklärte Goldenbaum. Die Fachstelle „Salam“ wertete rund 2.000 Onlinebeiträge des Angeklagten aus. Darunter fanden sich Inhalte bekannter rechter Akteure und Verschwörungstheorien über eine angebliche „Islamisierung Europas“. Ziel seiner Tat sei gewesen, diese vermeintliche Entwicklung zu stoppen.

Das Gutachten widerspricht damit klar den bisherigen Bewertungen von BKA und LKA. Wie die Welt berichtet, sei diese Neubewertung für die Opfer auch deshalb bedeutsam, weil sie Einfluss auf mögliche Entschädigungen und Unterstützungsleistungen hat.

Im September hatte das Landgericht Magdeburg erklärt, die Tat sei geeignet, „die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen“. Dennoch lehnte der Generalbundesanwalt in Karlsruhe die Übernahme der Strafverfolgung ab. Nach der Tat kam es in Magdeburg zu einem deutlichen Anstieg rechtsextrem motivierter Übergriffe auf ausländisch gelesene Menschen – ein weiteres Indiz dafür, dass der Anschlag nicht nur eine persönliche, sondern eine politische Dimension hatte. (dpa/iQ)

Leserkommentare

Marco Polo sagt:
Der Prozess gegen den arabischen Mörder aus dem islamischen Saudi-Arabien soll am 10. November 2025 beginnen. Es wäre wünschenswert, wenn bis um Gerichtsurteil hier nicht ständig alle möglichen Spekulationen rund um ein rechtsextremes Netzwerk etc. dieses Magdeburger Anschlagsthema am Köcheln halten sollen. Vielleicht gibt es auch ein islamextremes Netzwerk, das Beachtung verdient. Warten wir also den Abschluß des Gerichtsverfahrens erst einmal ab - ohne sich vorher in einem spekulativen Vermutungs-Tohuwabohu zu verlieren. Wenn ein arabischer Muslim einen christlichen Weihnachtsmarkt in Deutschland mit einem mörderisch-extremistischen Terroranschlag lahmlegt, weil er damit angeblich gegen eine Islamisierung Europas arbeiten will, dann stellt sich mir schon diese Frage: Warum macht er das nicht bei muslimischen Ramadan-Festen?
28.10.25
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