Kommentar

Religiöse Konflikte an Schulen – warum einseitige Analysen Muslime ausgrenzen

Eine Studie des Forschungsverbunds Deradikalisierung rückt muslimische Jugendliche als Konfliktfaktor in den Fokus – dabei sind die Ursachen vielschichtiger. Ein Kommentar von Dr. Hakan Aydın.

04
10
2025
Islam in Europa
Dr. phil. Hakan Aydın

Die jüngst veröffentlichte Untersuchung des Forschungsverbund Deradikalisierung über die Einschätzungen von Lehrkräften und Schulsozialarbeitern zu religiös motivierten Konflikten an Schulen verdient eine genauere Betrachtung. Zwar ist es zu begrüßen, dass das Thema aufgegriffen wird, jedoch weist die Studie mehrere Schwächen auf.

Erstens fällt auf, dass muslimische Schüler in der Darstellung häufig vor allem als Auslöser bestimmter Spannungen erscheinen. Dadurch verschiebt sich der Blick auf einseitige Defizite. Kaum berücksichtigt wird hingegen, dass diese Jugendlichen in vielen Fällen selbst Erfahrungen mit Vorurteilen, Diskriminierung und Ausgrenzung machen. Wer Konflikte verstehen und konstruktiv bearbeiten möchte, muss die Wechselwirkungen zwischen allen beteiligten Seiten in den Blick nehmen.

Zweitens bleibt die Analyse der Ursachen oberflächlich. Religiös aufgeladene Spannungen entstehen nicht isoliert. Familiäre Prägungen, gesellschaftliche Marginalisierung, Benachteiligung im Bildungssystem sowie der Einfluss von Medien und sozialen Netzwerken sind entscheidende Faktoren. Diese Aspekte werden in der Studie nur am Rande behandelt, was das Gesamtbild verzerrt.

Drittens entsteht durch die Fokussierung insgesamt der Eindruck, als seien muslimische Jugendliche in besonderem Maße konfliktanfällig. Angesichts ihrer Minderheitenposition birgt eine solche Darstellung das Risiko von Stigmatisierungen. Pädagogische Arbeit sollte jedoch auf Inklusion, Chancengerechtigkeit und die Stärkung einer positiven Identitätsentwicklung ausgerichtet sein.

Muslime erhalten kein Vertrauen

Ein Vergleich mit der Forschung von Aydın–Temel („Identity, Faith and Resilience“) verdeutlicht diese Leerstelle: Dort wird gezeigt, dass muslimische Religionslehrer häufig mit Misstrauen, einer ungleichen Behandlung im Vergleich zu anderen Religionsunterrichten sowie institutionellen Hürden konfrontiert sind.

Religiöse Bildung ist zwar verfassungsrechtlich garantiert, doch islamische Religionsgemeinschaften werden beim islamischen Religionsunterricht in Schulen oftmals ausgeschlossen oder erhalten nur begrenzte Möglichkeiten. Dies zeigt, dass zwischen den beteiligten Parteien bislang kein ausreichendes Vertrauen besteht. Gleichzeitig betonen die Befragten, dass sie selbstkritisch mit innergemeindlichen Herausforderungen umgehen und Religion als Ressource für Integration, Resilienz und gesellschaftlichen Beitrag verstehen. Diese ausgewogene Perspektive findet sich in der Studie kaum.

Wege zu einem konstruktiven Umgang

Für einen zukunftsorientierten Umgang mit religiös motivierten Spannungen braucht es mehrere ineinandergreifende Schritte. Zunächst erscheint es notwendig, den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Schulen und islamischen Religionsgemeinschaften zu intensivieren, da gerade fehlendes Vertrauen und institutionelle Hürden wiederholt als Problem benannt werden. Eine engere Kooperation könnte hier zu mehr gegenseitigem Verständnis beitragen.

Ebenso bedeutsam ist die Anerkennung der kulturellen und religiösen Hintergründe der Schülerinnen und Schüler. Viele berichten davon, dass ihre Bezüge kaum berücksichtigt werden, was wiederum zu Gefühlen der Ausgrenzung führen kann. Werden diese Dimensionen stärker gewürdigt, fühlen sich Jugendliche mit ihrer gesamten Identität respektiert. Darüber hinaus gilt es, das Heimatgefühl in Deutschland zu stärken. Religion kann Jugendlichen eine wichtige Ressource sein, um Resilienz aufzubauen und sich gesellschaftlich zu verorten; dieser Prozess gelingt jedoch nur in enger Einbindung der Familien.

Auch die Vielfalt innerhalb der muslimischen Gemeinschaften und die kulturellen Unterschiede sollten nicht allein als Herausforderung gesehen werden. Sie können ebenso als Ressource verstanden und vermittelt werden, ohne auf die Vorstellung einer einheitlichen Leitkultur fixiert zu bleiben. Schließlich ist die Qualifizierung der Lehrkräfte ein entscheidender Faktor. Pädagogische Fachkräfte benötigen vertiefte Fortbildungen im Bereich interkultureller und interreligiöser Kompetenz, damit sie sensibel auf Konflikte reagieren können, ohne bestimmte Gruppen durch pauschale Zuschreibungen zu belasten.

Fazit

Die Studie greift ein relevantes Thema auf, bleibt jedoch in ihrer Analyse und Differenzierung hinter den Erwartungen zurück. So werden zentrale Rahmenbedingungen, unter denen religiös motivierte Konflikte entstehen, nur begrenzt berücksichtigt; auch Erfahrungen von Diskriminierung werden eher randständig behandelt. Zudem steht Religion vielfach in einem problemorientierten Zusammenhang, während ihr Potenzial für Identität, Resilienz und gesellschaftlichen Zusammenhalt weniger in den Blick gerät. Für einen konstruktiven Umgang mit religiös motivierten Konflikten wäre es daher wichtig, eine breitere Perspektive einzunehmen, die sowohl Herausforderungen als auch Ressourcen sichtbar macht.

Leserkommentare

Timotheus sagt:
Diese sich differenzierend gebende Kommentierung hier läuft natürlich - wie so oft - darauf hinaus, daß Muslime bzw. Islam-Koran-Scharia-Anhänger weitgehend nur Opfer und keine Verursacher konfliktreicher Umstände und religiöser Vorbehalte sein sollen. Anderes war ja nicht zu erwarten. Die große Gewalt-Problematik des Islam, die schon tief in seiner Entstehungsgeschichte angelegt ist und heute immer noch präsent und aktiv ist, wird liebend gerne übergangen, ausgeblendet, ignoriert und abgestritten bzw. mit intellektuellen Methoden geschickt umgedeutet oder verklärt. Die kleingehaltenden Fussvolk-Gläubigen stehen hilflos davor und beugen sich vor ihren sich religiös gebenden Vorgesetzten und Autoritäten in der Hoffnung auf ein ihnen in Aussicht gestelltes ewiges Islam-Paradies, wenn sie nur brav alle von oben eingetrichterten Vorschriften einhalten und sich folgsam und leidensbereit dem System unterordnen.
06.10.25
20:37
Cumali Mol sagt:
Schaut euch um. Das Bildungssystem in Deutschland produziert massenhaft egoistischen Abschaum. Und dann stellen sie sich hin - als hätten sie die Weisheit mit Löffeln gegessen - und kritisieren die Taliban. Pfui!
11.10.25
14:58
addo sagt:
die vorprodukte kommen aus islamischen Ländern. Bildungsdefizite in muslimischen Milieus sprechen Bände
13.10.25
23:38
addo sagt:
Dieser Artikel offenbart auf klassische Weise die verantwortungslose Sichtweise und den fehlenden Handlungswillen bestimmter Islamverbände, Missstände innerhalb der muslimischen Communities anzugehen. Anstatt sich den Ursachen im Umfeld der Täter zu stellen, relativiert der Autor die Probleme so, dass Täter wie Opfer dargestellt werden. Analog könnten angeblich islamfeindliche Vorfälle, die islamiq.de regelmäßig hervorhebt, ebenfalls im Kontext von Extremismus oder kriminellen Auffälligkeiten bestimmter Gruppen betrachtet werden. Hier reagieren insbesondere die altbekannten Islamverbände des Koordinationsrates, die Kritik schnell mit Islamfeindlichkeit gleichsetzen, mit Unverständnis. Das Rechtssystem unserer Gesellschaft, wie auch das vieler islamischer Länder, ist zurecht darauf ausgelegt, dass Gesetzesverstöße zu Sanktionen gegen die handelnden Täter führen, nicht gegen die gesamte Gemeinschaft. Die vom Autor angeführten angeblichen Mängel der Studie sind inhaltlich schwach: Die Untersuchung fokussiert auf religiös motivierte Konflikte, nicht auf Diskriminierung von Migranten. Dass es statistische Auffälligkeiten bei bestimmten Deliktarten gibt, ist ein Fakt und kein Hinweis auf pauschale Schuldzuweisungen. Gerade Religionsvertreter sind moralisch verpflichtet, Fehlverhalten innerhalb der eigenen Communities zu erkennen und zu adressieren. Leider zeigt der Artikel genau das Gegenteil. Im Vergleich: Andere nichtmuslimische Gruppen lösen derartige Konflikte nicht in Gewalt auf. Dies zeigt, dass die Ursachen der Konflikte außerhalb muslimischer Communities weniger relevant sind. Die IGMG hat bisher keine klare Abgrenzung von problematischen historischen Aussagen ihres Gründers Erbakan getroffen. Als führendes Mitglied trägt Dr. Hakan Aydın Verantwortung für die Linie und öffentliche Wahrnehmung der Organisation, inklusive der Überschneidungen mit Erdoğan-nahen Strukturen. Schließlich zeigt der Autor selbst die typische Reaktionsweise: Kritik wird durch Hinweise auf Islamfeindlichkeit abgewehrt, sodass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Problemen innerhalb der muslimischen Communities vermieden wird. Diese Version spiegelt Ihre Punkte wider: Polemik bleibt erhalten, konkrete Kritik wird belegt, persönliche Unterstellungen und Mutmaßungen über Absichten wurden neutralisiert und durch sachliche Beobachtungen ersetzt.
25.10.25
19:45