interreligiöses Projekt

Der letzte Wunsch – die Kaaba in Mekka sehen

Ein krebskranker Junge hat einen einzigen Wunsch. Er möchte die Hadsch-Reise antreten. Ein interreligiöses Projekt will ihm diesen Wunsch erfüllen, wenn auch nur symbolisch.

16
07
2022
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Kaaba in Mekka
Kaaba in Mekka

Ein Junge wird sterben, er hat Krebs – und einen Herzenswunsch: einmal nach Mekka reisen und die Kaaba umrunden. Jedoch ist es nicht klar, ob es sein gesundheitlicher Zustand erlauben wird. Doch eine christlich-muslimische Initiative will ihm diesen Wunsch erfüllen.

Hierzu wurde ein Imam eingeladen. Und so fährt an einem Montagmittag ein nicht allzu unauffälliges, großes Auto vor das Elternhaus einer Kinderklinik und ein jung aussehender Mann, eine durchsichtige Tasche mit weißem Inhalt an der Hand, klingelt an der Tür. Es ist der Imam. Freundschaftlich legt er dem Jungen die Hand auf die Schulter und hat einige lockere Sprüche auf den Lippen. Die Atmosphäre ist anfangs sehr harmonisch und gar nicht so, wie man es erwartet hätte, in einer solch schweren Situation. Der Imam zeigt dem Jungen Fotos von vergangenen Reisen nach Mekka. Und so vorsichtig nährt man sich den Themen des Glaubens an.

Viele Anwesende sind irritiert, sie haben eine etwas anderen Imam erwartet. Der junge Imam habe Wirtschaft studiert, sei Mitglied eines Stadtrates und Vater zwei Kinder, die in diesem Jahr als Familienurlaub nach Mekka pilgern. Ansonsten begleite er gerne Jugendliche nach Medina und bringe ihnen den rechten Weg des Islams bei.

Eine etwas kleinere Frau mittleren Alters, die die Pflegedienstleitung des Reiseunternehmens ist, stößt dazu. Diese ist notwendig, da (anders als im Christentum, wo z.B. das Pilgern von Kranken nach Lourdes in Südfrankreich Hoffnung schaffen soll) die Pilgerfahrt im Islam eine der fünf Säulen ist und für jeden Muslim einmal im Leben verpflichtend ist. Unter den Pilgern sind auch ältere und pflegebedürftige Menschen, die dort dann entsprechend begleitet werden.

„Vor Gott sind alle gleich.“

Bevor die symbolische Reise nach Mekka startet, sitzen und speisen alle Teilnehmer zusammen, bis auch die letzten Mitarbeiter erscheinen. Die Mutter des Jungen hatte Kleinigkeiten für das leibliche Wohl vorbereitet. 

Auf dem großen Fernseher der Klinik erscheint eine Live-Schalte nach Mekka und Medina. Eine kleine Überraschung für Mutter und Sohn, die Mut machen sollte. In Saudi-Arabien ist es derzeit 50 Grad heiß, sodass das Video zeitweise stoppte. Dennoch: Keiner der Beteiligten gibt auf.

Es wird auf Arabisch (was keiner der Anwesenden versteht), Türkisch, Bengalisch, Deutsch und Englisch gebetet. Alle beten für ihn, dessen Name sinnhaft, den Glauben an die Einheit Gottes bekennen, ausdrückt. Hier und in Saudi-Arabien – dazwischen ein „Vater unser“ Alle glauben an einen Gott und der Junge, dessen Namen genau diese Bedeutung trägt, bringt alle zusammen.

„Inschallah – so Gott will!“, ist oft zu hören. So Gott will, wird die Reise auch physisch stattfinden. Finanzierung, Begleitung, Ausländerbehörden-Probleme, Visa-Angelegenheiten, Reiseunternehmen usw., alle Herausforderungen scheinen aus dem Weg, nur der Körper muss es schaffen. Wie sehr der junge Mensch kämpfen möchte und zeitgleich schon so schwer gezeichnet ist, wird beim folgenden Szenario deutlich: Die weiße Tasche, die der Imam mit sich brachte, kommt zum Einsatz. Der Imam macht es vor und hilft dem Jungen, die Tücher korrekt anzulegen. „Vor Gott sind alle gleich“ und dies wird durch die einheitliche Kleidung symbolisiert. Danach geht es in den Garten, gut einsehbar von umliegenden Häusern steht nun die aufgebaute Kaaba-Attrappe.

„Der beste Tag meines Lebens“

Beim Auszug wird auf Arabisch vorgebetet und nachgesprochen. Der Imam, der Jugendliche und seine Mutter beginnen die Kaaba siebenmal zu umrunden. An der Ecke, an der der schwarze Stein ist, muss besonders viel gebetet werden. Der Stein ist heilig. Er sei aus dem Paradies und früher weißer als Milch gewesen. Eine Runde ist nicht weit und dennoch dauert sie lang. Immer wenn sie wieder betend um die Ecke kommen, sehen die Anwesenden bedenklich zu. Er würde eher zusammenbrechen, als diese Zeremonie zu verlassen, das wissen alle. Die freundliche Kamerafrau schreitet ein, ruft auf Türkisch, dass er ihn einhaken muss. Der Fuß schwillt zusehends, die Haut wird blass, aber er gibt nicht auf, geht weiter mit einem großen strahlenden Lächeln.

Nach dem Umrunden der Kaaba wird die symbolische Reise gefeiert, mit Wasser aus Mekka und Datteln an. Alles haben sie mitgebracht, aus Nächstenliebe. Unabhängig ob die nun muslimisch oder christlich motiviert ist, sie ist spürbar. Die anwesenden Menschen sind aus Hagen, Köln und Aachen angereist, umsonst und nur des Glaubens wegen. Und sie bedanken sich bei uns für die Ehre, diesen wunderbaren Jungen kennenzulernen. Unfassbar.

Am Ende erhält der kleine Junge eine kleine Kiste mit Geschenken, unter anderem eine Gebetskette, ein Stück Stoff von der Kaaba aus Mekka und einen digitalen Bilderrahmen mit den Aufnahmen dieses besonderen Tages. Der Junge ist sichtlich gerührt, er strahlt mit allen Zähnen, kann es nicht glauben, ruft seine Mutter dazu. Erneut fließen Tränen. Wie oft an diesem Nachmittag, ist nicht zu zählen. Eins ist klar, diesen Tag wird er so schnell nicht vergessen. „Der beste Tag seines Lebens“, wie er selber sagt.