Berlin

Felix Körner: Auch bei Christen Gefahr der Radikalisierung

Nach dem Islamwissenschaftler Felix Körner sei der Islam nicht radikalisierungsgefährdeter als andere Religionen. Es sei falsch, dies nur dem Islam zuzuschreiben. 

24
03
2021
Felix Körner Radikalisierung
Felix Körner

Aus Sicht des Islamwissenschaftlers und Jesuiten Felix Körner ist „der Islam an sich nicht radikalisierungsgefährdeter als das Christentum“. Diese Gefahr gebe es auch auf katholischer und evangelischer Seite, sagte Körner am Mittwoch bei der Vorstellung seines neuen Buches „Politische Religion. Theologie der Weltgestaltung Christentum und Islam“ in der Katholischen Akademie Berlin.

Als Faktoren der Radikalisierung nannte der Theologe etwa fehlende gesellschaftliche Integration oder das Internet, wo Religion dazu verlocken könne, stark reduziert „neue Identität“ zu stiften. Es sei eine „Gefahr zu sagen, dies gibt es nur im Islam und nicht anderswo“.

Das Problem im Dialog der Religionen sei grundsätzlich der Fundamentalismus auf beiden Seiten, so der Theologe, der an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom lehrt. Die Frage sei, „ob Religionen nichts Spannenderes machen können, als zu konkurrieren“. Dabei müsse es um eine „umfassende Anerkennung“ des Anderen, auch einer anderen Tradition gehen. Dies könne eine „befreiende Selbstrelativierung“ sein.

Mit Blick auf die Frage einer „politischen Religion“ sagte Körner, der Islam habe ihn in diesem Punkt sehr inspiriert. Muslime sähen in Religion auch die Möglichkeit, „die Welt zu verändern“. Religion sei nicht nur „was fürs Herz“, sondern etwas, was die Welt gestalten wolle. Dabei gehe es „um eine bessere Welt, nicht um Theokratie“. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Vera Praunheim sagt:
Angesichts weltweiter Terroranschläge aufgrund radikaler Islam-Gesinnung zeugen diese Körner-Zuschreibungen von einer ziemlich verdrehten Weltsicht mit unglaublichen Verniedlichungs- und Beschönigungsabsichten, was aktuell den Islam anbelangt. Wahrscheinlich will man Felix Körner nur benutzen um den Islam zu glorifizieren und Christen schlecht aussehen lassen. Ausführliche Berichte über Christenverfolgungen werden hier überhaupt nicht zugelassen, so als gäbe es sie nicht. Das wäre nämlich kontraproduktiv bei der ersehnten Islamisierung, die vehement und leidenschaftlich angestrebt wird. Wirklich liberale Islam-Vertreter werden gleichzeitig durch die "wahren" Islam-Fundamentalisten gnadenlos diffamiert und verfolgt. Was für ein islamisches Chaos-Szenario.
25.03.21
13:59
grege sagt:
Andere Religionen sind auch von Extremismus betroffen, wie z.B. der Hinduismus oder Buddhismus. Nur hat dieser Exremismus dieser Religionen im Gegensatz zum Islam keine globale Dimension. Hier in Europa muss ich keiner vor Anschlägen von Extremisten dieser beiden Religionen fürchten. Bezüglich des Islams stellt sich die Lage leider anders dar. Mittlerweile trauen sich bestimmte Medien gar nicht mehr das Recht auf freie Meinungsäußerungen wahrzunehmen, da keiner so enden möchte wie die Chefetage von Charlie Hebdo
25.03.21
20:12
Johannes Disch sagt:
Dass alle Religionen Radikalisierungspotential haben, das ist eine Binsenweisheit, für die es kein Buch braucht. Tatsache ist nun mal, dass heute der global agierende islamistische Terrorismus das Problem ist. Es ist keine radikale christliche Gruppierung bekannt, die versuchen würde, einen christlichen Gottesstaat herbei zu bomben. Es gibt aber sehr wohl Al-Kaida, Al Nusra, den IS, Bokom Haram, etc.
25.03.21
20:42
Johannes Disch sagt:
Aha, als "politische Religion" hat den Jesuiten Körner der Islam sehr inspiriert? Es gehe beim politischen Islam um eine Verbesserung der Welt und nicht um eine Theokratie? Na, da hat sich der Jesuit Körner offensichtlich sehr wenig mit dem politischen Islam beschäftigt. Dieser strebt nämlich tatsächlich eine Theokratie an, wie die maßgebenden Schriften islamistischer Ideologen (Al Maududi, Sayyid Qutb, Bin Ladn, etc.) zeigen.
26.03.21
8:24
Ethiker sagt:
Vera Praunheim Sie haben nicht im geringsten eine Ahnung von den Zusammenhängen der Geistesgeschichte Mentalität etc. führen sie ihren Islamhass weiter aus, zeigt es nur ihren traurigen Islamhass.
26.03.21
17:38
Johannes Disch sagt:
Dass alle Religionen Radikalisierungspotential haben, das ist eine Binse, wofür es kein neues Buch gebraucht hätte. Fakt ist aber, dass aktuell der islamische Radikalismus die Sicherheit gefährdet und nicht der christliche, der kaum noch vorhanden ist. Die Behauptung, der Islam sei nicht radikalisierungsgefährdeter als als anderen Religionen ist falsch. Das liegt daran, dass dem Islam eine entscheidende Errungenschaft der westlichen Welt fällt, nämlich die Trennung zwischen Religion und Politik, zwischen Religion und Staat. Das Christentum hat seinen universalen Anspruch längst spiritualisiert. Der Islam hingegen nicht.
27.03.21
10:30
Tarik sagt:
Tim Winter hat in seinem ausgezeichneten Essay "America as a Jihad State" (online abrufbar, einfach googeln) detailliet aufgezeigt, dass man die US-Außenpolitik in der arabischen Welt als Form des christliche Fundamentalismus" verstanden und wahrgenommen hatte. Dies betrifft nicht nur G.W. Bushs Politik und dessen Aussagen ("Kreuzzug" sowie den Predigten von führenden US-Generälen vor Evangelikalen Zuschauern, in denen man davon sprach, dass "deren Gott nicht der usnere sei" etc.) - schon seit den Zeiten Lyndon B. Johnsons sitzen immer wieder radikal-christliche Evangelikalen an den Schaltzentralen der Macht in Washington. Präsident Johnson selbst wurde 1967 von einem sowjetischen Diplomaten gefragt, wieso er denn so vehement Israel unterstütze (die USA schickten sogar eine Flotte nach dem 6-Tage-Krieg, bereit bei einer sowjetischen HIlfe für die Araber bis zum Äußersten zu gehen), wie könne er denn die Sache der Israelis als zahlenmäßig kleines Volk unterstützen, sie stünden doch auf verlorenem Posten. Die Antwort des zeitlebens gläubigen Johson, "weil die Bibel das sagt" (dass die Juden gewinnen werden). Und die Evangelikalen, die immerhin 40 Millionen Mitglieder zählen sowie die sog. christlichen Zionisten sehen in Israel die Erfüllung einer biblischen Prophezeiung - ja selbst in der Einnahme von Bagdad ebenfalls im Armaggedon vorhergesehene zweite Fall Babylons - Bagdad 2003 als Bedingung für die Rückkehr des Messias. In der arabischen Welt hat man schon seit langem das Bild der US-Außenpolitik als Ausdruck christlichen Fundamentalismus - und das schon seit den Tagen, als die arabische Welt selbst äußerst säkularisiert war und es noch keine Hamas oder Hisbollah gab. Auch Trumps jüngste Nahostpolitik spiegelte die bedingungslose Unterstützung aus religiösen Gründen wider. IN seinem Stab saßen radikale Evangelikalen an den wichtigsten Positionen (Mike Pence, Vize und Außenminister Mike Pompeo). Und denken wir an ein Zitat von Ronald Reagan, das er gegenüber jüdischen Lobbyisten 1983 äußerste: "Wie Sie wissen, gehe ich immer wieder auf Eure alten Propheten im Alten Testament und auf die Anzeichen zurück, die das Armageddon ankündigen. Ich ertappe mich dabei, dass ich mich frage, ob wir die Generation sind, die erlebt, wie das auf uns zukommt. Ich weiß nicht, ob Sie in letzter Zeit eine dieser Prophezeiungen wahrgenommen haben. Aber glauben Sie mir, sie beschreiben ganz gewiss die Zeit, die wir jetzt erleben." Und dass in der arabischenWelt, die dies schon seit Jahrzehnten als christlichen Fundamentlismus auffasst - übrigens nicht nur Muslime, sondern auch Christen, wie Winter im o.g. Essay ausführt und zitiert -, als Gegenreaktion irgendwann auch eine eigene Form des Fundamentalismus aufblüht, ist absolut nachvollziehbar. Und sie ist auch von US-Seite gewollt, wenn wir uns die Verbindung USA-Saudi-Arabien anschauen, die ja seit über 50 Jahren sehr eng besteht. Dieser Einfluss von religiösen Fundamentalisten in den USA auf deren Außenpolitik wird im eher areligiösen Teil von Europa selten wahrgenommen, weshalb man der irrigen Meinung ist, dass das Phänomen des Fundamentalismus der Moderne vorwiegend ein muslimisches Phänomen sei.
30.03.21
14:47
Tarik sagt:
Ergänzend dazu: " schon seit den Zeiten Lyndon B. Johnsons sitzen immer wieder radikal-christliche Evangelikalen an den Schaltzentralen der Macht in Washington. Präsident Johnson selbst wurde 1967 von einem sowjetischen Diplomaten gefragt, wieso er denn so vehement Israel unterstütze (die USA schickten sogar eine Flotte nach dem 6-Tage-Krieg, bereit bei einer sowjetischen HIlfe für die Araber bis zum Äußersten zu gehen), wie könne er denn die Sache der Israelis als zahlenmäßig kleines Volk unterstützen, sie stünden doch auf verlorenem Posten. Die Antwort des zeitlebens gläubigen Johson, "weil die Bibel das sagt" (dass die Juden gewinnen werden)." Dies erklärt auch, wieso der moderne muslimische Fundamentalismus Anti-Amerikanisch ausgerichtet ist, obwohl die USA zumindest bis zum Nahostkonflikt keinen nennenswerten historischen Konflikt oder Disput mit der muslimischen Welt hatte - abgesehen vom kurzzeitigen Konflikt mit den algerischen Barbareskenstaat Anfang des 19. Jahrhunderts. Mehr noch, in den USA benannte nach Abdel Kader, dem Führer des Dschihad in Algerien, eine Stadt in Pennsylvania. So etwas wäre heute wohl undenkbar. Der muslimische Fundamentalismus - erst recht in seinen terroristischen Ausprägung ist eine reaktive Erscheinung, die nicht aus irgenwelchen "dem Islam innewohnenden Radikalisierungstendenzen" entsprungen ist. Gerade bei Terrorismus wird dies deutlicher als sonst irgendwo. Und wenn Vertreter des traditionellen Islams darauf hinweisen, dass emotionsgeladenes Handeln aus Wut genauso unislamisch sind wie das Töten Unschuldiger, so dient dies nicht irgendeiner Augenwäscherei, um irgendjemandem zu gefallen. Es ist einem Theisten ziemlich egal, was eine materialistische, atheistische Kultur, die universelle wie die Mode wechselt, von ihr denkt oder hält. Es geht darum, den Radikalen den Nährboden zu entziehen und als Fremdkörper zu enttarnen. Und sofern das in den Köpfen mancher hier nicht ankommt, sondern weiter von der "Islamisierung" schwadroniert wird, werden wir halt noch weiter Eskalationen und Echauffierungen sehen.
30.03.21
14:57
Johannes Disch sagt:
@Tarik Die US-Religiosität kann man nicht mit dem islamischen Fundamentalismus vergleichen oder gar gleichsetzen. US-Evangekile versuchen nicht einen christlichen Gottesstaat herbeizubomben.
30.03.21
22:54
Johannes Disch sagt:
@Tarik Amerika als "Jihad-State" zu bezeichnen, wie Tim Winter das tut, ist unsinnig. Das ist ein unseriöses Jonglieren mit Begriffen. Da werden Begriffe zweckentfremdet und ihrer Bedetung entkeidet. Das wäre, als würde man die Agrarreform der römischen Gracchen als "bolschewistisch" bezeichnen. Das wäre genauso unsinning. Djihad ist ein islamischer Begriff und in seiner Bedeutung konkret definiert. Dass der islamische Djihadismus eine reaktive Erscheinung ist, das ist richtig. Es ist ebenfalls richtig, es zurückzuweisen, dass Radikalisierungstendenzen dem Islam zwangsläufig inhärent wären. Und selbstverständlich muss man den Radikalen den Boden entziehen. Das geht aber nur, wenn Muslime aufhören, sich von reaktionären Organisationen einreden zu lassen, sie müssten Kopftuchprozesse führen.
30.03.21
23:37
1 2 3