Freiburg

Arabistin Neuwirth warnt vor oberflächlicher Islamkritik

Islamwissenschaftlerin Angelika Neuwirth warnt vor Kritik von oberflächlich religiös gebildeten Personen. Problem sei ihr mangelndes Wissen über den Islam.

25
06
2020
Angelika Neuwirth
Angelika Neuwirth © Twitter, bearbeitet by iQ

Die Islamiwissenschaftlerin Angelika Neuwirth hat vor einer oberflächlichen Islamkritik gewarnt. Auf die Frage nach ihrer Haltung zu den Positionen von Publizisten wie Necla Kelek, Hamed Abdel-Samad und Ahmad Mansour sagte Neuwirth im Interview der jüngsten Ausgabe der „Herder Korrespondenz“: „Es lohnt sich natürlich, solche – oft – emotional vorgetragene Kritiken anzuhören, auch wenn sie oft von oberflächlich religiös Gebildeten kommen. Man findet aber meist rasch den Schwachpunkt: mangelndes Wissen über den historisch gewachsenen Islam, das solchen Sprechern die Selbstsicherheit gibt, vermeintlich für den Islam charakteristische Missstände anzuprangern und so das Kind mit dem Bade auszuschütten.“

Es sei nicht zu leugnen, dass heute religiöse Gewalt und Terrorismus besonders oft vom Islam ausgingen. Ihm sei nach Ende des Kalten Krieges die Rolle des „globalen Gegenspielers“ zugefallen. „Beschäftigungslose“ muslimische Kämpfer hätten sich an neue Auftraggeber wie die Terrororganisation al-Qaida gewandt. Die Anschläge vom 11. September 2001 verdankten sich jedoch nicht dem Koran, sondern saudischen Geldgebern, die extremistische Prediger finanzierten. „Die dort geförderte wortwörtliche Lesart des Koran, die keinen Kontext berücksichtigt, verhalf dazu, auch im Koran Gewalt rechtfertigende Verse zu finden und hochzuspielen.“

Neuwirth als anerkannte Wissenschaftlerin

Neuwirth leitet seit 2007 das Forschungsprojekt Corpus Coranicum an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Dabei geht es insbesondere um die genaue Dokumentation und ausführliche Kommentierung des Korantextes „in seiner handschriftlichen und mündlichen Überlieferungsgestalt“.

Sie ist Trägerin zahlreicher Auszeichnungen – unter anderem des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse, des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa und des Leopold-Lucas-Preises der Universität Tübingen.

Zuvor erhielt die deutsche Islamwissenschaftlerin den Theologischen Preis der Salzburger Hochschulwochen in Österreich. Vor allem mit ihren Forschungen zur gegenseitigen Beeinflussung von Koran und christlicher Spätantike fordere die Wissenschaftlerin die Theologiegeschichte heraus und schärfe zugleich die christliche Identität, begründete die Jury die Vergabe. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Ethiker sagt:
"Es sei nicht zu leugnen, dass heute religiöse Gewalt und Terrorismus besonders oft vom Islam ausgingen." Religioese Gewalt ist ein ungluecklicher oder sogar falscher Begriff. Richtig wuerde es heissen: politisch motiviert vorgeblich religioes legitimierte Gewalt. Terrorismus geht von den Angreifern aus aber nicht von bekennenden reliogioesen Muslimen: 8. Mai 1945 das Massaker von Setif. Frankreich wollte Algerien fuer sich einnehmen, bis heute wird in Wikipedia und anderen Artikeln von Aufstaendischen gesprochen, das ist eine typische Taetersicht, denn die sogenannten Aufstaendischen waren dort lebende Menschen, welche ihr Land verteidigten. Nicht Aufstaendische waren sie, sondern ehrenhafte Menschen. In der Geschichte bis heute sind die Agressoren bekannt und verantwortlich fuer Terrorismus sind per definitionem alle Staaten, die sich an Angriffskriegen beteiligen. An der Spitze sind das fast alle Staaten der NATO und Israel. Da braucht Frau Neuwirth nicht etwas zu verfaelschen und sich als neutral und friedlich darzustellen. Ihre Vorraussetzungen werden geschaffen durch Terrorismus, sie muss nur tiefer und genauer ihre Bedingungen hinterfragen.
27.06.20
17:07
Unschuldige Ideologen – sichtplatz.de sagt:
[…] für sich in Anspruch zu nehmen, wenn sie den Islam gegen Islamkritiker verteidigt und dafür von IslamiQ freudig zitiert wird: „Die Islamwissenschaftlerin Angelika Neuwirth hat vor einer […]
28.06.20
13:11
Ute Fabel sagt:
„Angelika Neuwirth warnt vor Kritik von oberflächlich religiös gebildeten Personen. Problem sei ihr mangelndes Wissen über den Islam.“ Der erwähnte Hamed Abdel-Samad ist Sohn eines ägyptischen Imams und hat schon in seiner Jugendzeit den Islam auswendig beherrscht. Er redet den Islam halt nicht schön, aber das liegt gerade an seinem sehr guten Wissen über den Islam. Nachdem ich den Koran selbst gelesen habe, hat sich meine Meinung über diese Religion massiv verschlechtert. Blinder Gehorsam gegenüber den Offenbarungen des vermeintlich selbst makellosen Propheten ist die vermittelte Kardinaltugend. Die Epen von Homer und die Metamorphosen des Ovid enthalten viele weit weisere Mythen. Die griechisch-römischen Götter hatten selbst ihre Fehler und Schwächen, was menschlicher und sympathischer ist.
28.06.20
16:45