Ar-Rihla

Ibn Battûtas Reisebericht aus dem Mittelalter

Ibn Battûta zählt zu den berühmtesten Reisenden in der islamischen Welt. Sein detaillierter Reisebericht eröffnete den Zugang in damals noch nicht erkundete Kulturen.

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Symbolbild: Reisebericht
Symbolbild: Reisebericht © Shutterstock, bearbeitet by IslamiQ.

Ibn Battûta (1304-1369) ist ein berühmter muslimischer Reisender des Mittelalters. Seine Reiseberichte, die in der Literatur unter dem Namen „Rihlatu Ibn Battûta“ bekannt wurden, sind in einem einzelnen Werk zusammengefasst, die aus Überlieferungen seiner achtundzwanzig jährigen Reise bestehen.

Dieses Werk bildet auch die Hauptquelle der Informationen über das Leben und die Persönlichkeit Ibn Battûtas. Laut dem Reisebericht war er aufgrund seiner Bekleidung und seines Verhaltens wie das eines Derwisches, beim Volk und den Gelehrten sehr beliebt. Dadurch, dass Ibn Battûta sich den Sufis und den Asketen nahe fühlte, hatte er ihre Aussprüche und Äußerungen auswendig gelernt. In dieser Hinsicht gibt der Reisebericht auch Informationen über das religiös-mystische Leben dieser Zeit. Trotz seines herkömmlichen Scheins ist der Reisebericht im Besitz einer farbenfrohen Ausdrucksweise.

Vom Reisenden zum Diplomaten

Ibn Battûta hat außer Europa nahezu die gesamte „alte“ Welt erkundet. Die Zeit, in der er gereist ist, kann als das türkisch-mongolische Jahrhundert betrachtet werden, da die Mehrheit der bereisten Länder von diesen Völkern beherrscht wurden. Ibn Battûta, der die türkischen und mongolischen Herrscher kennenlernte, wurde in vielen Ländern aufgrund seiner Persisch- und Türkischkenntnis zum Richter ernannt. Wegen seiner vielfältigen politischen Erfahrungen durch seine Reisen und Aufenthalte wurden ihm auch einige diplomatische Aufgaben anvertraut. Deshalb sind die Informationen in seinem Reisebericht für die Geschichte dieser Völker von großer Bedeutung. Sein Werk eignet sich durchaus als Primärquelle.

Teilhabe am sozialen Leben

Obwohl Ibn Battûta und Marco Polo als bekannteste Reisende im Mittelalter angesehen werden, hat Ibn Battûta weitaus mehr Territorien bereist und die wichtigsten Kulturzentren auf drei Kontinenten erreicht. Ibn Battûta nahm auf seinen Reisen auch am sozialen Leben teil. Zum Beispiel heiratete er auf seiner Reise oder ließ seine Erinnerungen von einer vertrauenswürdigen Person aufschreiben. Ibn Battûta ließ nie die Einzelheiten, die er an den Menschen beobachtete, außer Acht und ist als der Reisende bekannt, der den Lebensumständen der Menschen am meisten Bedeutung schenkte.

In Anbetracht dessen, dass er detaillierte Beschreibungen über die Kleidungsgewohnheiten, den Traditionen und den Glauben verschiedener Völker anfertigte, wird er von einigen Wissenschaftlern als erster Anthropologe bzw. als erster Ethnologe angesehen.

Wie auch Abdullah Abdulgâni Ganim, der Ibn Battûta als den ersten Anthropologen würdigte, zeigen die Daten aus dem Reisebericht, wenn man sie im Lichte der Tradition oder aus wirtschaftlicher und rechtlicher Perspektive betrachtet, eine differenzierte Perspektive auf die Welt. Beispielsweise wird berichtet, wie eine Bestattungszeremonie in Indien durchgeführt wird, wie in der iranischen Stadt Firuzan eine Bestattungszeremonie in einer hochzeitlichen Atmosphäre verläuft, dass in der Stadt Izec während einer Bestattung Haarsträhnen abgeschnitten werden und die Leute schreien, dass in Sinop diejenigen, die den Leichnam tragen, ihre Köpfe enthüllen und ihre Kleidung verkehrt herum anziehen, dass bei einer Beisetzung bei den chinesischen Kaganen mit mongolischer Herkunft eine Gruppe von Dienern und Knechten lebendig begraben werden und dass auf den Inseln der Malediven der Leichnam eines Getöteten nicht beigesetzt wird, ehe der Mörder gefunden und ebenfalls getötet wird.

Reisebericht thematisiert Symbole und Ordnungen

Ibn Battûta hat auch Symbole thematisiert, die auf einen sozialen Status hinweisen. So liest man, dass in China Kaufleute das erlangte Gold in speziellen Formen und Mustern schmelzen ließen und diese an ihren Haustüren aufhängten. Diejenigen Kaufleute, die fünf Goldmuster besaßen, trugen einen Ring am Finger, und diejenigen, die zehn Goldmuster besaßen, trugen zwei Ringe. Auch wurden die Kleidung und die Heiratstraditionen der maledivischen Frauen ausführlich beschrieben. Eines von dem, was ihn am meisten verwunderte, ist der Status der türkischen Frauen. In Anatolien ritten die Frauen auf Pferden wie Sturmreiter und nahmen beim Handel auf Basaren die ersten Reihen ein. Im Land von Özbek Han hatten adlige Frauen ein gleichwertiges soziales Leben wie ihre Ehemänner.

Das Signifikante an seinen anthropologischen Beobachtungen sind die Stellen, an denen er auf die matriarchalische Ordnung verweist. Die Ordnung in einigen muslimischen Gegenden Mittelwestafrikas beruht vollkommen auf matriarchalischen Grundlagen. In Angelegenheiten der Abstammung und des Erbes ist die Mutter und die mütterliche Familienseite ausschlaggebend. Die Söhne werden genealogisch nicht mit dem Vater, sondern mit dem Onkel mütterlicherseits in Verbindung gebracht.

Handelskultur und Geschäftswelt

In dem Reisebericht wird die Mittelschicht thematisiert und über deren politische und kaufmännische Wirksamkeit informiert, die sich von der Krim bis nach Konya, von Alanya bis nach Sivas erstreckte. Über die kommerzielle Betätigung in China berichtet er, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten dort auf Papier festgehalten wurden, und dass die abgenutzten und zerrissenen Papierstücke, die als eine Art Geld gesehen wurden, in der großen Druckerei umgetauscht wurden.

Auf den Malediven und bei den Afrikanern in Koko waren Muscheln das Wechselmedium. Auf diesen Inseln wurde hohen Beamten Reis als Gehalt ausgezahlt. Das, was den Reisebericht außerdem noch interessant macht, ist, dass der Reisende den Dinar und den Dirham des jeweils bereisten Landes mit dem Dinar und Dirham aus Maghreb und Ägypten vergleicht. Dadurch gibt er den Wechselwert verschiedener Landeswährungen anhand eines realen Preisvergleichs wieder.

Reisebericht: Keine Fiktion, sondern Realität

Es wird berichtet, dass nachdem Ibn Battûta in seine Heimat zurückgekehrt war, er aufgrund seiner Erzählungen hinsichtlich der weiten Gebiete und der fremden Ereignisse, die er gesehen hatte, verspottet wurde und die Erzählungen als Fiktion angesehen wurden. Auch wenn angenommen wird, dass Ibn Battûta vor seiner Abreise kein tiefere Kulturwissen hatte, beförderten ihn die Urkunden seiner Reise und das breit gefächert erworbene Wissen, sowie sein Ehrgeiz zur Neuinterpretation der Sachkenntnis früherer Autoren, zu einem erfahrenen Gelehrten.

Nach der Ankunft in seiner Heimat bekam er als ein namhafter Berater eine Stelle im Rat des Sultans ein. Ibn Battûta ließ in einigen Teilen seines Reiseberichts Platz für Zweifel offen, da an einigen Stellen historische Lücken aufzufinden sind, die allgemeinen anerkannt werden. Jedoch wurden diese von vielen Auslegern und Übersetzern Ibn Battûtas als üblich angesehen. In den letzten Forschungen wurde sogar betont, dass Ibn Battûta im Vergleich zu anderen Reisenden realistischer sei und ein zuverlässigeres Gedächtnis besitze.