MUSLIMISCHE AKADEMIKER

Das verborgene Wissen des Herzens

Akademiker widmen sich den wichtigen Fragen unserer Zeit. IslamiQ möchte zeigen, womit sich muslimische Akademiker aktuell beschäftigen. Heute Bilal Erkin über das Verständnis von Wissen in der mystischen Koranexegese.

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2018
Bilal Erkin
Bilal Erkin © Privat

IslamiQ: Können Sie uns kurz etwas zu Ihrer Person und ihrem akademischen Werdegang sagen?

Bilal Erkin: Ich bin als erstes Kind einer türkischen Arbeiterfamilie in Köln-Kalk geboren und aufgewachsen. Nach meinem Abitur habe ich in Köln Islamwissenschaften und Informatik studiert. Nach dem Abschluss meines Masterstudiums in Islamischer Theologie 2012 in Münster habe ich direkt mit meiner Dissertation begonnen. Als Doktorand im Fachbereich Koranexegese (Tafsîr) am Institut für Islamische Theologie (IIT) der Universität Osnabrück konnte ich auch schon erste Erfahrungen in der Lehre sammeln. Seit Ende 2013 bin ich hauptamtlicher Referent im Avicenna-Studienwerk, einem muslimischen Begabtenförderungswerk für Studierende und Promovierende in Deutschland, in dem ich neben der Betreuung von Stipendiaten auch viele Seminare im Rahmen des ideellen Förderprogramms gestalte.

IslamiQ: Können Sie uns Ihre Dissertation kurz vorstellen?

Erkin: Mein Dissertationsthema lautet: „Das Verständnis von Wissen (Ilm) in der mystischen Koranexegese“. Ich untersuche, welche Wissenskonzepte die islamischen Gelehrten ab dem 9. Jhd. kannten, und wie sie sie in ihre Koranexegese eingebettet haben. Die muslimischen Mystiker (Mutasawwifûn) nehmen in dieser Frage eine besondere Rolle ein, da sie sich oft für eine allegorische Deutung der Koranverse einsetzten, mit der sie die tiefen und auf den ersten Blick nicht so offensichtlichen Bedeutungen betonten. Sie behaupteten, dass es nicht nur das weltliche Wissen gibt, das sich die Menschen durch Erfahrung und Erlernen aneignen können, sondern auch eine Art göttliches Wissen (Ilm ladunni). Für die Überlegung ist Begegnung zwischen dem Propheten Musa (a) und Hizr (a) zentral, über die im Koran in der Sure al-Kahf berichtet wird. Demnach lehrt Gott den Propheten Mûsâ (a), dass Hizrs Handeln auf der Erde von dem verborgenen Wissen geleitet wird, das ihm Gott in sein Herz eingegeben hat.

Ich versuche zu zeigen, wie diese Gelehrten die beiden Wissensarten theologisch oder philosophisch legitimierten, und inwieweit sie sich von anderen Gelehrten unterscheiden. Mit meiner Forschung möchte ich neue Ansätze der islamischen Erkenntnistheorie auch in deutscher Sprache zugänglich machen, um anderen Forschern die Möglichkeit zu geben, aus dem reichen geistigen Erbe der Muslime heraus eine Brücke zur hiesigen Gesellschaft zu schlagen.

IslamiQ: Warum haben Sie dieses Thema ausgewählt? Gibt es ein bestimmtes Schlüsselerlebnis?

Erkin: Die Beschäftigung mit dem Koran und seinen Botschaften hat mich von klein auf sehr fasziniert. Je weiter ich im Studium vorangekommen bin, umso deutlicher habe ich aber feststellen müssen, wie wenig ich eigentlich über den Koran und seine Inhalte weiß. Obwohl sich im Verlauf der Jahrhunderte eine sehr gut durchdachte Methodologie der Koranexegese in der islamischen Tradition entwickelt hat, gibt es bis heute keine abschließende Deutung der mehrdeutigen Verse. Das zeigt uns, wie breit und wie tief die göttliche Botschaft ist. Sie bleibt in jeder Zeit und in jeder Gesellschaft aktuell. Dieser Gedanke treibt mich an, mehr über den Koran zu erfahren und tiefer in seine Materie einzudringen, um in den Tiefen weitere wertvolle Perlen zu finden.

IslamiQ: Welche positiven oder negativen Erfahrungen haben Sie während Ihrer Dissertation gemacht? Was treibt Sie voran?

Erkin: Sehr schön war für mich, dass ich deutlich mehr Primärliteratur als erwartet auf Arabisch gefunden und teilweise osmanische Handschriften entdeckt habe, die noch gar nicht richtig erforscht wurden. Auf der Welt gibt es nicht viele, die auf dem Gebiet der Koranexegese und islamischen Mystik forschen. Deshalb ist jede Begegnung mit einem Experten wie z. B.  Prof. Alexander Knysh Gold wert.

Die größte Herausforderung ist für mich die Textlektüre auf Arabisch. Manchmal steckt hinter einem scheinbar einfachen Begriff ein großes mystisches oder philosophisches Konzept, das es erst einmal zu verstehen gilt, bevor man weitermacht. Solche Sachen halten mich eher auf.

IslamiQ: Inwieweit kann Ihre Dissertation für die muslimische Gemeinschaft in Deutschland nützlich sein?

Erkin: Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich einen bescheidenen akademischen Beitrag für die universitäre islamische Theologie leisten kann, der nicht nur in den Bücherregalen der Uni-Bibliotheken verstaubt, sondern an die  Lebensrealität der muslimischen Community anknüpft. Nur wer die Komplexität und die Fülle seiner eigenen religiösen Überzeugung kennt, wird toleranter gegenüber anderen Positionen und damit weniger anfällig für Extremismus und Radikalisierung. Ich danke der Redaktion vom Herzen, dass IslamiQ durch dieses Interview einen großen Schritt dafür geht. Vielen Dank!

Das Interview führte Muhammed Suiçmez.

 

Leserkommentare

Kritika sagt:
L.S. kann man sich ein Langweiligeres unsinnigeres, überflüssigeres und unwichtigers Tema vorstellen als « Ich untersuche, welche Wissenskonzepte die islamischen Gelehrten ab dem 9. Jhd. kannten, und wie sie sie in ihre Koranexegese eingebettet haben. Die muslimischen Mystiker (Mutasawwifûn) nehmen in dieser Frage eine besondere Rolle ein ». ?? Es muss sich um ein spezielles MuslimSyndrom handeln, an dem kein normaler Mensch leidet. Kein Wunder, dass - - bis auf Kaffee-Rösten vielleicht, und die bahnbrechende Erfindung der Vorsilbe " Al " - - alle wichtigen Entdeckungen, Erkenntnisse und Erfindungen von westliche Wissenschaftler stammen und es keinerlei Arabische Beiträge gibt. * In einer Antwort an Herrn Joh. Disch hat Kritika vor kurzem ausführlich vielerlei Belege geliefert. Gruss, Kritika * Keine Entdeckung zB. die Radioaktivität, entdeckt von dem Ehepaar Curie) Oder dasPeriodische System der Chem Elemente. Oder diee Entdeckung der Jupiter Monde Nicht zu sprechen von E=mc² stammt von einem Araber.
05.05.18
20:03
Agnostiker sagt:
Der vorherige Kommentar zeugt in seiner Art von einer großen Lücke des im Artikel genannten "göttlichen Wissens". Warum verfasst man eine solche kleinkarierte Beleidigung? Erfindungen haben nicht unbedingt was mit Religion zu tun. Ihre Aufzählungen sind peinlich. War dadurch gezwungen hier eine Antwort zu verfassen. Finde das Thema interessant. Mystik ist ohnehin gerade ein sehr aktuelles philosophisches Thema. Religionsübergreifend. Wir sind alle Kontextbezogen und aus uns spricht unser Umfeld und unsere Vergangenheit. Ihr Kommentar zeigt da keine schöne Seite. Eine leichte Steuerung ist uns möglich. Gehen sie mal in sich und denken ein wenig mehr nach bevor sie sowas schreiben.
06.05.18
12:49
Agnostiker sagt:
Der vorherige Kommentar zeugt in seiner Art von einer großen Lücke des im Artikel genannten "göttlichen Wissens". Warum verfasst man eine solche kleinkarierte Beleidigung? Erfindungen haben nicht unbedingt was mit Religion zu tun. Ihre Aufzählungen sind peinlich. War dadurch gezwungen hier eine Antwort zu verfassen. Finde das Thema interessant. Mystik ist ohnehin gerade ein sehr aktuelles philosophisches Thema. Religionsübergreifend. Wir sind alle Kontextbezogen und aus uns spricht unser Umfeld und unsere Vergangenheit. Ihr Kommentar zeigt da keine schöne Seite. Eine leichte Steuerung ist uns möglich. Gehen sie mal in sich und denken ein wenig mehr nach bevor sie sowas schreiben.
06.05.18
12:49
Lustig sagt:
Sowas hätten die Ägypter vor 4000 Jahren auch über die Juden schreiben können. Sie sind ein Spalter! Hass erzeugt Hass. Wir wollen alle geliebt werden. Ich hoffe für Sie!
06.05.18
12:53
Jim Ray sagt:
Das Beispiel in der Kritik mit den Jupitermonden ist gut: Wie konnte nämlich Galilei diese entdecken? Nur durch die Technik des Linsenschleifens, die er von "den Arabern" gelernt hatte! (Weitere Beispiele solcher Art finden sich in Manfred Schmutzers Wissenschaftsgeschichte: "Die Wiedergeburt der Wissenschaften im Islam")
06.05.18
22:41
Ute Fabel sagt:
"Theologie" ist keine Wissenschaft, genauso wenig wie Astrologie. Konfessionsbezogene Fakultäten, an denen nur bestimmte Religionsangehörige lehren und lernen dürfen, widersprechen dem universitären Ideal der allgemeinen Zugänglichkeit der Wissenschaft diametral.
07.05.18
10:51
Emanuel Schaub sagt:
Bei aller Liebe..?... Kritika ,so einen KÄSE habe ich bezüglich des Beitrags arabischer Wissenschaft schon lange nicht mehr gelesen. Mit Hans Lungwitz(deutscher Arzt und "Erkenntnistherapeut") zu manchen Einlassungen kann man nur schweigen. Meine Hoffnung ist auch dass Ihre Arbeit nicht in den Bibliotheks "katakomben" verstaubt...! Ich bin überzeugt dass mind.90 % aller Bücher inden Bibs nicht einmal berührt werden und von restlichen vielleicht 5 gelesen(was immer das bedeuten mag;Goethe hat 70 Jahre gebraucht um LESEN zu können ... mfg emanuel
07.05.18
11:10
Saadet sagt:
@Kritika Immer wieder hoch amüsant wie sie „schreiben“. Wie herrlich unsachlich, populistisch und komplett inkorrekt. Steht L.S. eigentlich für „Lapidare Sprache“ oder für „Lose Synthax“ oder vielleicht für „Leseschwäche“. Wortschöpfungen wie „MuslimSyndrom“( man beachte die phänomenale Schreibweise), oder orthografische Höhepunkte wie „ Tema“ u.v.m Es gibt so ein Buch mmmhhh wie heißt es doch gleich? Ah, jetzt hab ich es: DUDEN. Wurde uns bereits in der Grundschule ans Herz gelegt. Ich muss zugeben, der Duden ist wahrhaft eine deutsche Erfindung. Diese können Sie unbedenklich verwenden. Hingegen, von der Verwendung der Zahlen würde ich Ihnen tunlichst abraten, außer Sie verwenden die römischen Zahlen.Ihre Kontoauszüge druckt Ihre Bank des Vetrauens gerne in einer solchen Variante aus und auch beim örtlichen Supermarkt wird man Ihnen sicherlich Entgegenkommen. Falls Sie Auto fahren, sollten sie schnell auf das Fahrrad umsteigen. Arabisches Öl könnte durch das Auto hindurch in Ihre Gehirngänge gelangen und fiese Dinge anrichten. Auch Vorsicht beim Arzt! Viele medizinische Errungenschaften stammen aus Arabien oder von den sogenannten Muslimen. Das Leben ist wirklich sehr kompliziert. Ich muss Ihnen sicherlich nicht sagen, dass Sie auf orientalischen Gewürze komplett verzichten und auch antike philosophische Texte nur mit Vorsicht genießen sollten. Naja zumindest trage Sie ungewollt dazu bei, dass diesem guten Artikel mehr Beachtung geschenkt wird. Das kann ich nur befürworten.
07.05.18
22:06
Sven Anatoli sagt:
Das verborgene Wissen des Herzens - oder all das, was sich da hinein interpretieren lässt - kann man in vielen Texten möglicherweise aufspüren oder Aspekte davon und das religionsübergreifend. Mystik oder mystische Erfahrungen mag es überall geben. Da haben Koran & Islam keinen Alleinvertretungsanspruch.
08.05.18
22:55
Saadet sagt:
@Anatoli Wo genau im Interview steht was von „Alleinvertretungsanspruch“?
09.05.18
11:45
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