IQ-WAHLPRÜFSTEIN SAARLAND

Grüne: „Gleiche Rechte für Muslime, wie sie für Christen und Juden gelten“

Am 26. März finden die Landtagswahlen in Saarland statt. Was steht in den Parteiprogrammen zu Islam und Muslimen? IslamiQ liefert die Antworten. Heute Bündnis 90/Die Grünen. Wähl mit iQ!

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03
2017
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Wahlrpüfstein - Wähl mit iQ © IslamiQ

IslamiQ: Seit dem Schuljahr 2015/16 gibt es islamischen Religionsunterricht als Modellversuch an ausgewählten Grundschulen im Saarland. Was sind Ihre politischen Ziele in diesem Bereich?

Bündnis 90/Die Grünen: Wir halten die Einführung des Islam-Unterrichts für einen wichtigen Schritt, um Menschen muslimischen Glaubens erfolgreich in unsere Gesellschaft zu integrieren und die Willkommenskultur im Saarland zu stärken. Mit dem konfessionellen Religionsunterricht für Muslime wird auch eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen, um die Verständigung zwischen den hier lebenden Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen sowie deren Verständnis füreinander zu fördern.

Infolge der Flüchtlingssituation ist die Zahl von Schülerinnen und Schülern muslimischen Glaubens in den Schulen im Saarland in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Diesen Kindern und Jugendlichen einen konfessionellen Religionsunterricht anzubieten, ist eine wichtige Voraussetzung, um die Verständigung zwischen den in unserem Land lebenden Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen sowie ihr Verständnis füreinander zu verbessern. Insofern leistet der im vergangenen Jahr an vier saarländischen Grundschulen in der Klassenstufe 1 eingerichtete Islam-Unterricht einen wichtigen Beitrag zur Integration.

Da durch die steigende Anzahl von Flüchtlingskindern die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit muslimischen Glauben in diesem Schuljahr noch weiter angewachsen sein dürfte, sollte auch der Islam-Unterricht konsequent ausgebaut werden. Deshalb fordern wir, den Islam-Unterricht sukzessive an weiteren Grundschulen und auch auf weiterführenden Schulen im Saarland auszuweiten. Dazu ist es nötig, deutlich mehr Lehrkräften Fortbildungsmöglichkeiten zu geben, damit sie diesen Werteunterricht erteilen können.

IslamiQ: In Niedersachsen, Hamburg oder Bremen gibt es bereits Staatsverträge mit islamischen Religionsgemeinschaften oder werden welche ausgehandelt, um die Kooperation mit den islamischen Religionsgemeinschaften zu stärken. Wie wollen Sie die Zusammenarbeit mit den Muslimen stärken?

Bündnis 90/Die Grünen: Religionsgemeinschaften können eine wichtige Säule für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie konstitutiv für eine lebendige Demokratie sein. Voraussetzung ist, dass sie die Grundprinzipien der Verfassung achten, sich dem öffentlichen Diskurs stellen, eigene Ansichten im gesellschaftlichen Diskurs nicht verabsolutieren und insofern nicht fundamentalistisch agieren. Islamische Gemeinschaften können und sollen als Religionsgemeinschaften anerkannt werden, wenn sie die rechtlichen Voraussetzungen dazu erfüllen. In den letzten Jahren sind in einigen Bundeländern Vereinbarungen und Verträge mit den verschiedenen islamischen Religionsgemeinschaften zu Sachverhalten wie Religionsunterricht, Feiertagen, Bestattungsrecht, Bildung, Rundfunk oder Anstaltsseelsorge geschlossen worden. Wir GRÜNE erkennen dies als Schritte des Respekts gegenüber den muslimischen Gläubigen ausdrücklich an und werden dies im Falle einer Regierungsbeteiligung für den konstruktiv-kritischen Dialog nutzen.

IslamiQ: Das Bundesverfassungsgericht erklärte 2015 ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen für verfassungswidrig. Manche Bundesländer reagierten bereits darauf und änderten das Schulgesetz. Im Saarland gilt weiterhin das Kopftuchverbot, es findet sogar eine Privilegierung christlicher Symbole statt. Wie sieht die Politik Ihrer Partei aus in dieser Frage?

Bündnis 90/Die Grünen: Das Bundesverfassungsgereicht hat in seiner Rechtsprechung zum Kopftuch die positive Religionsfreiheit gestärkt. Demnach hat der Staat nicht zu beurteilen, welche Bekleidungsvorschriften jemand aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen für sich als verpflichtend ansieht oder nicht. Pauschale Verbote kann es nach diesem Urteil also nicht mehr geben. Wir GRÜNE sagen klar: Niemand darf Frauen vorschreiben, was sie aus religiösen Gründen anzuziehen haben, noch sie zwingen, sich auszuziehen. Wir haben als GRÜNE in der Vergangenheit gegenüber den Kirchen zu ihren Vorstellungen von Geschlechterrollen oder der kirchlichen Sexuallehre kein Blatt vor den Mund genommen. Genauso werden wir auch gegen frauenfeindliche Haltungen im Islam streiten.

IslamiQ: Mehrere Studien attestieren eine zunehmende Islamfeindlichkeit in Deutschland. Wie möchte Ihre Partei dieser Entwicklung entgegenwirken?

Bündnis 90/Die Grünen: Wir bejahen Pluralität. Der Schutz vor Diskriminierung und die Gewährleistung der Grundrechte aller ist das Fundament von Freiheit und der produktiven Entfaltung gesellschaftlicher Vielfalt. Wir stehen für eine offene, plurale Gesellschaft. Sie ist für uns ohne Alternative. Eine offene Gesellschaft bietet große Chancen und bedeutet große Herausforderungen für alle, die hier leben wollen. Islamfeindlichkeit treten wir entschieden entgegen. Sie muss, wie jede Art der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, entschieden bekämpft werden. Wir stehen für eine Politik der Vielfalt und für klare Kante gegen Diskriminierung.

Es ist ein Kernanliegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, jede Art von Diskriminierung zu bekämpfen, einschließlich Diskriminierung wegen der Religion. Heute ist der Islam die zweitgrößte religiöse Gruppe in Deutschland. Wir Grüne wollen die gleichen Rechte für Musliminnen sowie Muslime und ihre Organisationen in Deutschland, wie sie für Christen und Juden gelten. Wir wollen den Islam gleichstellen und integrieren.

IslamiQ: Die Deutsche Islamkonferenz befasst sich aktuell mit dem Thema islamische Wohlfahrtspflege und Seelsorge aufgrund der steigenden Nachfrage – auch in Saarland. Wird Ihre Partei die Etablierung einer islamischen Wohlfahrtspflege unterstützen? (bitte begründen)

Bündnis 90/Die Grünen: Wohlfahrtspflege und Daseinsvorsorge sind staatliche Aufgaben, die an gemeinnützige und privatwirtschaftliche Organisationen delegiert werden. Ein islamischer Wohlfahrtsverband entspricht durchaus der organisatorischen Logik der Wohlfahrtspflege in der Bundesrepublik. Mit dem Deutschen Caritasverband, dem Diakonischen Werk und der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden gibt es bereits religiös orientierte Wohlfahrtsverbände. Wir begrüßen das soziale Engagement von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in diesem Bereich, wollen aber, dass deren Angebot (aus Gründen der Wahlfreiheit der NutzerInnen) nur einen Teil der Grundversorgung im sozialen, medizinischen, Bildungs- und Beratungsbereich darstellt.

Wir begrüßen und unterstützen Konzepte zur kultursensiblen und pluralistischen Fortentwicklung der Wohlfahrtspflege und treten dafür ein, dass den Menschen möglichst eine Vielfalt an Angeboten zur Verfügung steht