Spuren der Muslime

Muslimische Geschichte in Sizilien

Wenig liest man davon, dass Sizilien mehr als zwei Jahrhunderte von Muslimen regiert wurde. Hakkı Arslan über die Spuren der Muslime auf der Insel.

19
03
2016
Sizilien © Allie_Caulfield auf flickr, bearbeitet by IslamiQ

Mein Sizilien. Der hoffnungslose Schmerz
Wiederholt sich für dich in der Erinnerung
Jugend. Ich sehe die verlorenen glücklichen Verrücktheiten
Und die wundervollen Freunde wieder.
Oh Paradies, aus dem ich vertrieben wurde!
Was nützt es, sich an deinen Glanz zu erinnern?[1]

 

Als der normannische Heeresführer Robert Guiscard die Streitigkeiten zwischen den muslimischen Fürsten in Sizilien ausnutzte, um 1061 die Stadt Messina einzunehmen, leitete dies das Ende der fast 250-jährigen muslimischen Herrschaft in Sizilien ein. Im Jahre 1072 wurde die Hauptstadt Palermo erobert und 1091 fiel endgültig auch die letzte muslimische Festung in Noto im Südwesten der Insel. Vor allem nach dem Fall der Hauptstadt Palermo haben viele muslimische Intellektuelle, Gelehrte, Dichter und Kaufleute die Insel, in der sie seit mehreren Generationen gelebt haben, in Richtung Andalusien oder Nordafrika verlassen. Viele sind aber auch weiterhin in Sizilien geblieben.

Ähnlich wie die 1492 aus Andalusien vertriebenen Muslime, die im Exil ihre Heimat durch Klagelieder und Gedichte beweinten, trauerten auch muslimische Exilanten aus Sizilien über den Verlust ihrer geliebten Heimat.

Muslimische Dichter Siziliens

Die eingangs zitierten Zeilen sind aus dem Diwan des bekanntesten arabischen Dichters Siziliens, Ibn Hamdis as-Siqilli al-Azdi, der im Jahre 1054 in Syrakus geboren wurde und nach dem Sturz Palermos im Jahre 1078 nach Andalusien floh, um dort in Sevilla am Hofe des Fürsten al-Mutamid Zuflucht zu suchen. Auch dort blieb er nicht lange und reiste weiter nach Nordafrika bis er nach mehreren Aufenthalten im Jahre 1123 in Malaga starb. Nicht nur Ibn Hamdis, sondern auch zahlreiche andere Dichter und Gelehrte teilten das gleiche Schicksal, wie der bekannte Abu l-Hasan al-Ballanubi al-Katib al-Siqilli, der im heutigen Villanova – Bivona (Arabisch Ballanubi) im Süden Siziliens geboren wurde und während den Auseinandersetzungen mit den Normannen nach Ägypten floh, wo er seine berühmten Muwaššah-Gedichte verfasste.  Ibn al-Qatta (gest. 1124), der vielleicht bekannteste Belletrist Siziliens, floh ebenfalls nach Andalusien, wo er sein Hauptwerk „Durra al-khatirah fi Schuara al-Jazira“ verfasste, in welchem er die Biographien und Dichtungen von über 170 sizilianischen Dichtern aufzählt. Nur sehr wenige Namen, wie Ibn Hasaan ibn at-Tubi, Ibn as-Sabbag, Abu Hasan Ibn al-Khayyat sind uns davon noch bekannt – alle weiteren sind bedauerlicherweise  verlorengegangen.

Nicht nur Dichter und Literaten, sondern auch berühmte Religionsgelehrte, wie der malikitische Gelehrte, Imam al-Mazari, stammen aus Sizilien. Mazari ist im Jahre 1061 in Mazaro del Vallo geboren, hat dort studiert und ist später mit seiner Familie nach Mahdiyya, in das heutige Tunesien, ausgewandert. In Mazara del Vallo ist sogar der Platz „Piazza Imam al Mazari“ nach ihm benannt. Nicht zu vergessen ist natürlich der sogenannte „Machiavelli Siziliens“, Ibn Zafar as-Siqilli, der mit seinem Fürstenspiegel Kitab Sulwan al-muta fi Udwan al-Atba möglicherweise Machiavellis Il Principe beeinflusst haben könnte. Dieses Werk wurde schon von Michel Amari im Jahre 1851 unter dem Titel „Solwan al-mota ossiano conforti politici“ ins Italienische und später auch ins Englische und Französische übersetzt. Ibn Zafar wurde in Sizilien geboren und wanderte sehr früh aus. Später, in den 1150er Jahren, zur Zeit der normannischen Herrschaft, kehrte er nach Sizilien zurück und schrieb dort wichtige Werke. Solche bedeutende Namen aus dem Bereich der Politik, Kunst, Architektur, Dichtung und Gelehrsamkeit ließen sich beliebig fortsetzen.

Einflüsse der glanzvollen Epoche

Die Muslime haben in ihrer Geschichte, wo immer sie sich auch niederließen,  große Zivilisationen hervorgebracht. Auch in Sizilien bedeutete die arabische Epoche eine Glanzzeit, die die kulturelle Landschaft der Insel geprägt hat, wie kaum eine andere. Die Einflüsse der muslimischen Präsenz auf Sizilien  – und damit auch auf Europa, sind fast in allen Gebieten zu beobachten. Die arabische Dichtung hat wahrscheinlich nicht nur die sogenannte Sizilianische Dichterschule, die zur Zeit der beiden Könige Friedrich II und Manfred (gest. 1266) ihren Höhenpunkt erreichte, beeinflusst, sondern damit auch die weitere Entwicklung der italienischen Lyrik der Renaissance, vor allem bei Dante oder Petrarca geprägt. Auch im Bereich der Architektur, der Kunst, oder der Küchenkultur gibt es nachhaltige Einflüsse, die man in der Literatur nachlesen bzw. vor Ort besichtigen kann. Interessant ist auch die weite Verbreitung der lustigen Anekdoten Nasreddin Hodschas oder Juhas in Sizilien, dort jedoch unter dem Namen Guifà, wobei die Erzählungen sich fast eins zu eins mit den arabischen oder türkischen Versionen decken. Schon im 19. Jahrhundert betonten sizilianische Historiker wie Pietro Lanza (1807-55), Michele Amari (1806-89), Vincenzo Mortillaro (1806-88), Salvatore Morso oder Salvatore Cusa, die besondere Bedeutung der arabischen Präsenz in Sizilien für die Entstehung einer spezifisch sizilianischen Identität, die sie vom Rest Italiens und Europas unterscheide. Vieles von dieser glanzvollen Epoche ist jedoch heute unbekannt. Während die muslimische Geschichte Andalusiens sehr populär und in nahezu allen Kreisen bekannt ist, ist die muslimische Geschichte in Sizilien lediglich für besonders Interessierte ein Begriff.

Die unbekannte Geschichte der Muslime in Sizilien

Woran liegt es, dass Sizilien weitaus weniger bekannt ist als Andalusien? Hierzu fallen mir fünf wesentliche Gründe ein: 1. Die Größe: Andalusien ist um ein vielfaches Größer als Sizilien und dementsprechend bevölkerungsreicher 2. Die Dauer: Während die muslimische Herrschaft in Sizilien 250 Jahre dauerte, gab es in Andalusien eine ununterbrochene 800-jährige Herrschaft der Muslime, 3. Sizilien brachte zwar bedeutende Gelehrte und Intellektuelle hervor, jedoch waren sie bei weitem nicht so bekannt und wirkmächtig wie andalusische Gelehrte und Dichter wie Ibn Hazm, Ibn Arabi, al-Qurtubi, Ibn Ruschd, Ibn Tufayl, asch-Schatibi etc., 4. Der gute Umgang mit den Eroberern: Während die muslimische Kultur in Granada nach dem Ende der muslimischen Herrschaft radikal vernichtet und die Muslime vertrieben wurden, gab es in Sizilien seitens der Normannen und der Staufer eine wohlwollende und tolerante Haltung gegenüber den Muslimen, so dass der Verlust als weniger schmerzhaft empfunden wurde.  5. Mangelnde Quellenlage:  Während wir über Andalusien sehr viele Erzählungen, Berichte, Biographiesammlungen, Chroniken, Fatwas, Geschichtswerke, besitzen, die über die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse Auskunft geben, ist das Quellenmaterial zur islamischen Zeit in Sizilien sehr begrenzt, so dass wir nur bedingt die gesellschaftlichen Verhältnisse nachzeichnen können. Es existieren viel mehr nichtmuslimische Quellen, sowie Reiseberichte, aus denen wir unser Wissen über die Muslime in Sizilien beziehen.

Historische Skizze der muslimischen Präsenz in Sizilien

Die muslimische Präsenz in Sizilien und in Süditalien hatte eine Dauer von etwa 450 Jahren und kann in folgende Phasen gegliedert werden:

Eroberung Siziliens durch die Muslime (827-902) – Konsolidierung der Macht (902-948) – Blütezeit (950-1030) – Krise/Spaltung in Kleinfürstentümer (1030-1061) – Eroberung Siziliens durch die Normannen (1061-1091) – Leben in der Minderheit unter der christlichen Herrschaft (1091-1220/1245) – Spannungen und verschiedene Massaker an Muslime (1160/61) – Vertreibung eines Teils der Muslime nach Süditalien/Apulien-Lucera (1220) – zweite Welle der Vertreibung der Muslime nach Süditalien (1245) – Leben in der Minderheit in Lucera (1245-1300) – Vertreibung der Muslime aus Lucera und das Ende der muslimischen Präsenz in Sizilien und Süditalien (1300).

Das Interessante an der muslimischen Geschichte in Sizilien ist, dass der Islam und die arabische Kultur nach dem Verlust der Insel nicht aufhörten zu bestehen, sondern unter der normannischen Herrschaft zu einer neuen Blüte gelangten. Die normannischen Herrscher haben bei der Eroberung Siziliens die arabische Kultur, sowie das Verwaltungssystem, die Hofkultur und auch die Sprache zum größten Teil übernommen und weiter fortgeführt. Auch die arabische Architektur wurde weiterhin gepflegt und mit byzantinischen und lateinisch-christlichen Elementen vermischt. Die Muslime durften unter den neuen Herrschern ihren Glauben frei ausleben und hatten als die Vertreter der höherwertigen, prestigeträchtigen Kultur eine besondere Stellung im Reich. Die Normannen setzten somit die tolerante Politik ihrer arabischen Vorgänger fort, erhoben jedoch nun ihrerseits eine Kopfsteuer von Muslimen und Juden, als rechtliche Grundlage für die freie Ausübung ihrer Religion und Kultur. Die kulturelle, wissenschaftliche und wirtschaftliche Blüte, die unter der muslimischen Herrschaft – besonders ab der Mitte des 10. Jahrhunderts begann, konnte seitens der normannischen Herrscher fortgeführt werden. Sizilien war schon immer ein pluralistisches Gebiet mit sehr vielen unterschiedlichen Sprachen und Kulturen. Besonders unter der arabischen und der normannischen Herrschaft hat man es geschafft, dass die verschiedenen Gruppierungen – nämlich arabische, berberische Muslime, griechisch-orthodoxe, lateinische Christen und Juden  miteinander in friedlicher Koexistenz leben konnten.

In Kooperation mit der Uni Palermo und Uni Erlangen veranstaltet das Institut für Islamische Theologie an der Uni Osnabrück mit rund 100 Teilnehmern vom 22. -29. März eine Summer School auf Sizilien

Erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts begannen durch den zunehmenden Zuzug lateinsprachiger Christen deutliche Spannungen, die in einigen Fällen zu schweren Übergriffen gegen Muslime führten. Diese Spannungen häuften sich zu Beginn des 13. Jahrhunderts, so dass die muslimischen Bürger Siziliens nach erneuten Aufständen schrittweise ab 1220 von Sizilien nach Süditalien, in die apulische Region, versetzt wurden. Es ist auch interessant, dass gerade unter Friedrich II., der als ein besonderer Freund der Muslime dargestellt wird, die Muslime aus Sizilien deportiert wurden. Diese Versetzung führte jedoch dazu, dass die Muslime in Apulien eine erneute Blütezeit erlebten, sodass die Vertreibung auch unterschiedlich bewertet wird. Das Jahr 1300 markierte jedoch das endgültige Ende einer großen muslimischen Community in Süditalien. Karl II von Anjou ließ aus auch heute noch nicht endgültig geklärten Gründen die muslimische Stadt Lucera zerstören. Die verbliebenen Muslime wurden entweder vertrieben oder zum größten Teil versklavt. Die Beziehungen zwischen Sizilien und den nordafrikanischen Staaten hörte jedoch damit nicht auf. Sizilianische Herrscher hatten aufgrund der besonderen Nähe zum heutigen Tunesien und Libyen stets sehr enge wirtschaftliche und politische Kontakte zu den muslimischen Herrschern gepflegt, so dass es nie zu einem vollständigen Abbruch der Beziehungen gekommen ist. Auch mit den Osmanen oder den Mamelucken gab es intensive diplomatische vor allem auch Handelskontakte. Sizilianisch-italienische und muslimische Herrscher, Händler oder Diplomaten standen also im ständigen Kontakt, so dass auch die gegenseitige Befruchtung auf kultureller und politischer Ebene stets vorhanden war. Von einer strikten Trennung zwischen „Europa“ und der „islamischen Welt“ kann im Mittelmeerraum deshalb nicht die Rede sein. Wenn über die islamische Geschichte in Sizilien gesprochen wird, darf natürlich Kaiser Friedrich II. nicht unerwähnt bleiben.

Die Beziehungen Friedrichs II. zum Islam

Die besondere Nähe Friedrichs II. zur islamischen Kultur und seine intensiven Beziehungen zum Orient sind allgemein bekannt. Schon in seiner Jugend machte er Bekanntschaft mit der islamischen Kultur, denn er wuchs in der weltoffenen Handelsstadt Palermo auf, welche zuvor 250 Jahre lang unter muslimischer Herrschaft stand und auch nach der normannischen Eroberung sehr stark arabisch geprägt war, weswegen Friedrich neben lateinisch und griechisch auch vermutlich sehr gut arabisch sprach. Die Bewunderung gegenüber dieser Kultur kam schon bei seinen normannischen Vorgängern deutlich zum Ausdruck. Damit stand Friedrich II. in dieser Hinsicht in einer Tradition, die schon in der Zeit seiner Vorfahren begonnen hatte. Die silberne Erdtafel, welcher der muslimische Wissenschaftler al-Idrisi im Auftrag des sizilianischen Königs Roger II. im Jahre 1154 angefertigt hatte, ist ein Indiz dafür. Al-Idrisi kam 1138 nach Palermo und lebte bis zu seinem Tod im Jahre 1165 in Sizilien, wo er verschiedene Werke, u.a. sein berühmtes Buch über Geographie, verfasste. Auch unter König Manfred (gest. 1266), dem Sohn Friedrichs II., gab es intensive Kontakte zu muslimischen Gelehrten. Als Beispiel kann der bekannte Historiker und Diplomat Ibn Wāsil genannt werden, der etwa zwei Jahre in Palermo verbrachte und sogar sein Werk über die Logik König Manfred widmete. Ein weiterer bekannter Gelehrter,  nämlich Siradschaddin al-Urmawi, der im Bereich des Kalam, Usul al-fiqh und Logik sehr viele Werke verfasst hat, verbrachte ebenfalls einige Jahre am Hofe Friderichs II. und trat in regen  Austausch mit muslimischen sowie nichtmuslimischen Gelehrten und Diplomaten.

Roger II. und  dessen Enkel Friedrich II. von Hohenstaufen wurden aufgrund ihrer Aufgeschlossenheit als die beiden „christlich getauften Sultane“ Siziliens bezeichnet, da ihre Lebensführung auf die Zeitgenossen eher muslimisch als christlich wirkte. Vor allem erinnerte der Hof Friedrichs II. mit seinen muslimischen Leibgarden und Kämmerern eher an einen Sultanshof als an den eines Kaisers des Heiligen Römischen Reiches. Seine fremdartigen orientalischen Gewohnheiten fielen den Zeitgenossen besonders auf. Es gibt Berichte aus christlichen Quellen, wonach er „ungläubige Mohammedaner“ zu seinen Kämmerern und vertrautesten Dienern machte, sich in vielen Dingen an die Sitten und Gebräuche der Sarazenen hielte, mit dem Sultan al-Kamil Geschenke austauschte, viele Buhlerinnen und Mamelucken nach der Art der Sarazenen und auch sarazenische Tänzerinnen in seinem Hof hielte. In der kaiserlichen Kanzlei gab es ein eigenes arabisches Büro, und der Einfluss des Arabischen schlug sich in der gesamten Kanzleiarbeit nieder – sogar in den Lektionen, für die das Lateinische als Amtssprache vorgesehen war. Zu den Muslimen im eigenen Land verhielt er sich äußerst tolerant und gewährte ihnen weitestgehend die gleichen Rechte wie der christlichen Bevölkerung. Selbst bei der Niederschlagung der „Sarazenenaufstände“ und der nachfolgenden Deportation der muslimischen Bevölkerung von Sizilien ging er fürsorglich mit ihnen um. Anstatt sie gnadenlos zu verfolgen, ließ er sie am Leben und unterstützte sie  bemerkenswerterweise beim Aufbau ihrer neuen Heimat. Durch diese Umsiedlung erlebte der Islam in Apulien eine neue Blüte.

Er pflegte stets ein gutes Verhältnis zu den muslimischen Staatsmännern. Vor allem ist seine Freundschaft mit dem bereits angesprochenen Sultan al-Kamil ziemlich bekannt. Kaiser Friedrich war ein Freund der Wissenschaft. An seinem Hof in Palermo verkehrte er mit Wissenschaftlern und Dichtern aus aller Welt. Dazu gehörte der berühmte Michael Scotus, der etliche arabische Werke ins Lateinische übersetzt hatte oder der herausragende Gelehrte Theodor Antiochia, sowie der marokkanische Gelehrte Ibn Sabʿin, der Autor der berühmten Sizilianischen Fragen oder die vielen Dichter der sogenannten Sizilianischen Dichterschule.

Er sprach mindestens fünf Sprachen, ließ die Universität in Neapel gründen, schrieb Bücher, unterhielt sich mit Philosophen und Gelehrten aus verschiedenen Gegenden. Das sind alles Merkmale, die untypisch für einen deutschen Kaiser waren. Er bevorzugte es, obwohl er auch deutscher König gewesen war, im Süden des Reiches zu leben. Sizilien war nach der iberischen Halbinsel die wichtigste Region in Bezug auf den Transfer der arabischen Wissenschaften in das europäische Festland. Sizilien war eine weltoffene, multikulturelle mit arabischen, griechischen und byzantinischen Elementen geprägte Region, in der, insbesondere in Palermo, die arabischen Elemente überwogen. Wie nahe er wirklich zu den Muslimen stand, war schon immer ein höchst umstrittenes Thema. Seine Gegner an der päpstlichen Kurie beschimpften ihn mit Worten wie „getaufter Sultan“ oder „Emir“ und warfen ihm Unglauben vor. Vor seinem erfolgreichen Kreuzzug nach Jerusalem wurde er vom Papst exkommuniziert, so dass er diesen als Exkommunizierter antrat. Papst Gregor IX., sein entschiedenster Gegner, beschwerte sich bei ihm, weil der Kaiser den Sarazenen viel zu viele Freiheiten einräume, obwohl sie für die Christen in einer gefährlichen Nachbarschaft stünden und Schrecken verursachten. Außerdem warf man ihm von der päpstlichen Seite immer wieder vor, dass er die „Mohammedaner“ mehr ehre als die Christen. Eberhard Horst macht in seinem Buch „Der König von Lucera“ eine interessante Anmerkung. Als die Sarkophage im Jahre 1781 unter der Aufsicht der Königlichen Altertumsverwaltung geöffnet wurden, sei zu sehen gewesen,  dass der in der grauen Zisterzienserkutte gestorbene christliche Kaiser arabische Seitengewänder getragen habe, bestickt mit den kaiserlichen Adlern, einem leinenden Untergewand, besetzt mit kufischen Lettern, die Friedrich ausdrücklich als Sultan huldigten. Sein Schwert steckte in einer sarazenischen Scheide. Ihm zur Seite lägen auf Lederkissen seine Krone und die Weltkugel, ohne das auf den kaiserlichen Siegeln stets vorhandene Kreuz.

Jedoch muss man auch beachten, dass obwohl Friedrich II. der mächtigste Mann in Europa war, er ständig mit Auseinandersetzungen päpstlicher und regionaler Mächte konfrontiert war. Als sizilianischer König konnte er sich keine Feindschaft mit seinen muslimischen Nachbarn leisten, da er ohnehin schon viele Probleme in Europa hatte. Das Verhältnis zu den Muslimen war deshalb sicherlich mit viel politischem Kalkül versehen. Hans Martin Schaller betont außerdem die christliche Frömmigkeit des Kaisers, der sich stets in dieser Tradition gesehen haben soll, und für den der Kreuzzugsgedanke ebenfalls prägend gewesen sei,  wie auch der Endzeitgedanke. Der Kaiser wird jedoch immer wieder in Verbindung mit dem Islam gebracht und es wird nicht selten die These vertreten, er sei insgeheim ein Muslim gewesen. Gegen Ende seines Lebens ließ er in Apulien das Castel del Monde errichten, welches sehr viele Ähnlichkeiten mit dem Felsendom in Jerusalem haben soll. Dem Umweltwissenschaftler Gerhard Goldmann zufolge sei dies sogar ein eindeutiges Zugeständnis für seine muslimische Gesinnung. Seines Erachtens seien die teils widersprüchlichen Handlungen des Kaisers, durch die Grundannahme, der Staufer sei ein Muslim gewesen, beseitigt. Eine zwar interessante, aber dann wohl doch zu weit hergeholte Interpretation, die ihre Wurzeln vermutlich in der muslimischen Geschichtsschreibung hat. Die Beziehungen Friedrichs II. zu den Muslimen werden in der einschlägigen Literatur sehr kontrovers diskutiert, so dass ein abschließendes Urteil derzeit nicht möglich zu sein scheint.

Mehr als vier Jahrhunderte lang galt Sizilien als ein Ort des friedlichen Miteinanders von Menschen mit verschiedenen Religionen, Kulturen und Sprachen und zwar sowohl unter muslimischer als auch unter christlicher Herrschaft. Deshalb lohnt es sich um so mehr  mit dieser vergessenen Epoche europäischer Geschichte intensiver zu befassen. Die christlichen Eroberer hatten von Anfang an im Vergleich zu anderen Gebieten Europas ein sehr wohlwollendes Verhältnis zu den Muslimen aufgebaut. Roger I., Roger II., Friedrich II. und sein Sohn Manfred sind nur einige Beispiele dafür. Betrachten wir  zum Abschluss den Bericht des muslimischen Reisenden,Ibn Ǧubayr, der zwischen Dezember 1184 und März 1185 das christliche Sizilien unter König Wilhelm besuchte:

„Die schönste Stadt auf Sizilien und der Sitz ihres Herrschers heißt bei den Muslimen al-Madina, bei den Christen Palermo (Balarma). Dort wohnen die städtischen Muslime; sie haben in den Vororten Moscheen und eigene Märkte…Ihr König Wilhelm verdient Bewunderung wegen seines gerechten Verhaltens den Muslimen gegenüber; er setzt sie für seine Belange ein, wählt aus ihren Reihen seine engsten Bediensteten, die alle oder fast alle ihren Glauben verbergen und dabei fest im Islam verharren. Er setzt großes Vertrauen in die Muslime in all seinen Angelegenheiten und den wichtigsten Geschäften, sogar der Aufseher seiner Küche ist ein Muslim. Er hält eine Truppe von schwarzen muslimischen Sklaven, die von einem Kommandeur aus ihren Reihen befehligt wird. Seine Minister und Kammerherren sucht er unter seinen Eunuchen aus, von denen er eine große Zahl hat. Sie sind seine Verwaltungsbeamten und engsten Vertrauten.

In vieler Hinsicht ähnelt Wilhelm den muslimischen Königen: in der Art, wie er sich in die Annehmlichkeiten seines Reiches vertieft, in der Gesetzgebung, dem Erlass von Verfahrensvorschriften, der Bestimmung der Ränge seiner Verwaltungsbeamten, der Darstellung seines königlichen Pomps und der Zuschaustellung seines Prunks.

Seine Verwaltungsbeamten fasten ohne Ausnahme freiwillig im heiligen Monat Ramadan für den himmlischen Lohn und geben Almosen, damit sie Gott näher sein mögen. Sie kaufen Gefangene los, kümmern sich um ihre Kinder, vermitteln ihre Heirat und tun alles, was ihnen möglich ist. So groß ist die Sorge Gottes um die Muslime auf dieser Insel.“[2]

 

[1] Die deutsche Übersetzung stammt aus der Onlinequelle http://www.folker.de/200806/13ettascollo.htm

[2] Ibn Dschubair, Tagebuch eines Mekkapilgers, Aus dem Arbischen übertragen  und bearbeitet von Regina Günther, München 2004, S. 240-242.

Leserkommentare

Manuel sagt:
Das war das goldene Zeitalter des Islam, leider ist die heutige Islamische Welt meilenweit davon entfernt, HEUTE regiert fast nur Engstirnigkeit, Intoleranz gegenüber Andersgläubigen, Dogmatismus und sexuelle Unterdrückung. So haben beispielsweise die Kalifen rauschende Feste mit Musik, "Singmädchen", Bauchtanz und sogar mit Wein gefeiert; Pragmatismus, Toleranz, Wissenschaft und Forschung waren maßgeblich und nicht die buchstabengetreue Befolgung von Gesetzen, die sich gegen die Vernunft stellen. Der heutige Islam sollte man wieder aus seiner eignen Geschichte lernen, würde ihm echt nicht schaden.
19.03.16
18:31
Charley sagt:
831 n.Chr.Moslemische Truppen erobern und brandschatzen die sizilianische Stadt Palermo. 37’000 der 70’000 Einwohner werden getötet. 835 n.Chr. Von Sizilien setzen die Muslime auf das Festland über und verwüsten Kalabrien.840 n.Chr. Tarent und Bari fallen in die Hände moslemischer Invasoren. Beide Städte werden aufs schwerste geplündert und gebrandschatzt. Tausende geraten in Sklaverei. 841 n.Chr. Capua (Kampanien/Italien) wird nach kurzer Belagerung vollständig zerstört und geplündert.843 n.Chr Moslemische Truppen erobern und brandschatzen die sizilianische Stadt Messina.843 n.Chr. Arabische Eroberungsversuche auf Rom scheitern. Die Stadt und das Umland werden geplündert bzw. gebrandschatzt, die Bevölkerung gefangen und versklavt.844 n.Chr.Eroberung der sizilianischen Stadt Modica.848 n.Chr. Im August wird die Stadt Ragusa auf Sizilien von den Arabern geplündert und zerstört, trotz der Tatsache (laut Ibn al-Athir), daß die Bewohner mit den Arabern Frieden geschlossen und ihnen die Stadt überlassen hatten.851- 852 n.Chr. Das kurzfristig befreite Benevent (Kampanien/Italien) wird erneut von den Muslimen besetzt. Die Besatzer richten ein Blutbad unter der Bevölkerung an.856 n.Chr. (243 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Arabische Invasoren attackierten und zerstörten die Kathedrale von Canossa in Apulien. Die Stadt wird geplündert und Sklaven genommen.860 n.Chr. (239 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Eroberung von Pamplona.861 n.Chr. (238 Jahre vor Beginn der christlichen Kreuzzüge): Eroberung von Ascoli. 882 n.Chr. Muslimische Invasoren errichten an der Mündung des Garigliano zwischen Neapel und Rom, eine Basis von dem sie aus Kampanien sowie Sabinia im Latium angegriffen.884 n.Chr. Rametta erobert, Kloster Monte Cassino bei Rom zerstört, Syrakus nach neunmonatiger Belagerung erobert – Ermordung Tausender.902 n.Chr. Moslemische Truppen erobern und brandschatzen die sizilianische Stadt Taormina.918 n.Chr. Moslemische Truppen erobern und brandschatzen von Sizilien aus das auf dem benachbarten Festland liegende Reggio in Kalabrien.935 n.Chr. Genua und La Spezia werden erneut von Muslimen überfallen, ausgeraubt und niedergebrannt.964 n.Chr. Moslemische Truppen erobern und brandschatzen von Sizilien aus das auf dem Festland liegende Rometta.1002 n.Chr. Genua wird von Arabern erobert und geplündert.1004 n.Chr. Pisa wird von Arabern erobert und geplündert.1480: Ein muslimisches Heer erobert Otranto in Italien. Die Stadt wird besetzt und der Willkür der muslimischen Eroberer preisgegeben. Zurück bleiben ausgebrannte Mauern und Straßen voller Gebeine. 17’000 Menschen werden ermordet.
19.03.16
18:32
H. Arslan sagt:
Die Kommentare habe ich jetzt erst bemerkt:). @Charley Sehr schön die blutrünstigen Ereignisse aus dem Blog des Rechtspopulisten Michael Mannheimer kopiert. Natürlich sterben Menschen bei Eroberungszügen. Als die Normannen ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts die Muslime zurückdrängten und Sizilien Schritt für Schritt eroberten sind ebenfalls zehntausende Menschen gestorben. In Zeiten ohne Völkerrecht und internationale Vereinbarungen waren Eroberungskriege ein legitimes Mittel zur Gebietserweiterung. Wichtig ist, was nach den Eroberungen passiert ist. Und hier ist festzuhalten, dass die Muslime im Vergleich zu christlichen Herrschern stets toleranter gegenüber Andersgläubigen waren. Ohne es unnötig romantisieren zu wollen. Sizilien ist nur ein Beispiel dafür!
18.07.17
1:22
Lutz sagt:
Arslan, demnach waren die Kreuzzüge legitim.
02.08.22
10:55