Baden-Württemberg

Stiftung als Träger des islamischen Religionsunterrichts?

Künftig soll der islamische Religionsunterricht in Baden-Württemberg von einer Stiftung in staatlicher Trägerschaft angeboten werden. Die einen sehen in dem umstrittenen Modell einen massiven Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht islamischer Religionsgemeinschaften. Andere sehen keine andere Möglichkeit, um Religionsunterricht anzubieten.

15
02
2019
0
Symbolbild: Stiftung, Vertrag © shutterstock
Symbolbild: Stiftung, Vertrag © shutterstock

In Baden-Württemberg wird seit 2005 islamischer Religionsunterricht im Rahmen eines Modellprojekts erteilt, der zum Ende des Schuljahres 2018/2019 ausläuft. Die Landesregierung möchte Islamunterricht zum Schuljahr 2019/20 neu organisieren und gründet dafür eine Stiftung unter seinem Dach. Der ensprechende Vertragsentwurf wurde innermuslimisch stark diskutiert und kritisiert. Nach wochenlangen Gesprächen haben sich zwei von vier islamischen Religionsgemeinschaften für die Beteiligung an dieser Stiftung ausgesprochen.

Während die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) und die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW) eine Teilnahme abgelehnt haben, haben der Landesverband der Islamischen Kulturzentren Baden-Württemberg (LVIKZ) und die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland  (IGBD) erklärt, bei der Stiftung mitmachen zu wollen.

„Es gibt keine andere Möglichkeit“

DITIB und IGBW halten dem Land vor, eine staatliche Einrichtung zu schaffen, um Religionsunterricht zu erteilen. Das sei verfassungswidrig. „Dieses Modell hebelt die Neutralitätspflicht des Staates aus und greift massiv in die Religionsfreiheit und in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften ein.“

Auf die Frage wie der baden-württembergische Landesvorsitzende der LVIKZ, Yavuz Kazanç, die Entscheidung von DITIB und IGBW beurteilt, erklärt er gegenüber IslamiQ, dass er wisse, „dass das Stiftungsmodell nicht unbedingt verfassungskonform sei“, weil der Staat in das Selbstbestimmungsrecht der islamischen Religionsgemeinschaft eingreift. Doch gebe es „zurzeit keine andere Möglichkeit (…), dass der Religionsunterricht weitergeführt wird“, so Kazanç.

„Wir können damit leben“

Auch der Landesvorsitzende der IGBD zeigt sich optimistisch. „Wir können damit leben“, erklärt Bilal Hodzic, Imam der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD) auf Anfrage von IslamiQ. Das Stiftungsmodell sei im Sinne der Religionsgemeinschaften keine Ideallösung. Aufgrund der Tatsache, dass keiner der Religionsgemeinschaften rechtlich anerkannt sei und der Staat den islamischen Religionsunterricht nicht ohne die Religionsgemeinschaften anbieten kann, bleibe als einzige Lösung die Kooperation. „Deshalb finden wir nicht, dass ein massiver Angriff in die Religionsfreiheit vorhanden ist“, so Hodzic weiter.

Land hat Stimmmehrheit

Im Vorstand der Stiftung sollen neben Vertretern der Religionsgemeinschaften auch Experten und staatliche Vertreter (Geschäftsführer) sitzen, die unter Einstimmigkeit von Land und Religionsgemeinschaften gewählt werden. Drei Mitglieder sind beschlussfähig.

Ungeachtet der Bedenken und der Mitwirkungsmöglichkeiten der Landesregierung habe der LVIKZ „seine Bereitschaft für die Trägerschaft des IRU gemäß Art. 7 Abs. 3 GG mehrmals bekräftigt und sieht es als Vorteil an, die nächsten 5 Jahren die Trägerschaft des islamischen Religionsunterricht fortzuführen“, erklärt Yavuz Kazanç.

„Fortbestehen gewährleisten, trotz schwieriger Umstände“

Anders als Kazanç sieht Hodzic den Vorteil der Stiftung darin, dass nun eine „starke Organisation und eine dauerhafte Finanzierung“ durch den Staat gewährleistet werde. „Als wir im Beirat für IRU waren, haben wir nur eine beratende Funktion gehabt, jetzt können wir die Entscheidungen mit anderen Mitglieder des Vorstands treffen“, sagt Hodzic.

Zudem bedauere die IGBD die Entscheidung von DITIB und IGBW. „Wir tragen das Stiftungsmodell mit, da wir den Religionsunterricht für sehr wichtig erachten und unserer Verantwortung für ein Fortbestehen des Projekts gerecht werden wollen. Auch unter diesen schwierigen Umständen“, erklärt Hodzic.

DITIB und IGBW kündigten an, eine „unabhängige Expertenkommission“ einsetzen zu wollen, um die verfassungsbedenklichen Punkte des Stiftungsmodells offenzulegen und Alternativen vorzuschlagen. (dpa, iQ)