Interview mit Burhan Kesici

„Innerislamischen Dialog fördern“

Im Interview mit dem neuen Islamratsvorsitzenden Burhan Kesici sprechen wir über das bisherige Engagement des Islamrats, die Verdienste von Ali Kızılkaya und die angestrebten Ziele, Diskurse und Projekte des Islamrates unter der Leitung des neu gewählten Vorsitzenden.

29
04
2015
0

IslamiQ: Nach langjähriger Tätigkeit als Generealsekretär des Islamrats sind Sie nun zum Vorsitzenden gewählt worden und lösen somit Ali Kızılkaya ab. Wird es zu Veränderungen unter ihrer Federführung kommen?

Burhan Kesici: Die Arbeit des Islamrates wurde stets in Kooperation mit dem gesamten Vorstand festgelegt und durchgeführt, so dass ich in der bisherigen Arbeit intensiv eingebunden war. Aus diesem Grund wird sich die Ausrichtung des Islamrates nicht gravierend verändern.

Ali Kızılkaya hat den Islamrat durch eine sehr bewegte Zeit geführt. Hierzu gehört die erste Runde der Deutschen Islamkonferenz, die Gründung von Landesreligionsgemeinschaften und des Koordinationsrats der Muslime (KRM). Weiterhin hat Ali Kızılkaya sich auf der politischen Bühne gegen Islamfeindlichkeit und für einen intensiveren  Dialog mit den Kirchen eingesetzt, die eine zeitlang auf wackligen Füßen standen. In Kooperation mit den anderen islamischen Verbänden hat Ali Kızılkaya einen großen Beitrag geleistet. Durch seine Arbeit steht der Islamrat für Beständigkeit und Zuverlässigkeit. Ich möchte die bisherige Arbeit fortsetzen.

IslamiQ: Sie erklärten bei ihrer Antrittsrede, dass die höchste Priorität bei dem Ausbau von Dialog und Einheit unter den islamischen Verbänden läge. Wie wird diese Dialogarbeit in Zukunft von Statten gehen?

Kesici: Die Gründung des KRM, sowie der Landesreligionsgemeinschaften wie die Schuras in Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein haben uns verdeutlicht, dass wir Muslime gemeinsam mehr erreichen können. Wir arbeiten seit Jahren in der Konferenz der Islamischen Landesverbände (KILV), wo ich persönlich als Generalsekretär des Islamrates und in meiner Funktion in der Islamischen Föderation in Berlin stets teilgenommen habe.

Viele neue Mitglieder des Vorstandes sind wie ich seit Jahren im innerislamischen Dialog aktiv, so dass einer unserer Schwerpunkte in diesem Bereich sein wird. Wir sind sowohl auf der Bundesebene, als auch auf Landesebenen sehr gut aufgestellt, um aktiv den innerislamische Dialog durch unsere Arbeit zu fördern und zu unterstützen.

IslamiQ: In letzter Zeit gab es immer wieder Meldungen über einen angeblichen Streit im KRM. In einer Zeit der angeblichen Zwietracht von Einheit zu reden, erscheint als eine große Herausforderung. Was macht Sie da so zuversichtlich?

Kesici: Wo es Menschen gibt, gibt es auch unterschiedliche Positionen. Es gehört dazu, dass verschiedene Akteure unterschiedliche Meinungen haben. Ich habe die Diskussionen verfolgt und bin der Meinung, dass der KRM gestärkt durch die Diskussion herauskommen wird.

Wir sehen, dass die anfänglichen Aussagen relativiert wurden und dass alle beteiligten die Notwendigkeit einer weiteren engen Zusammenarbeit geäußert haben. Wir werden in der Zukunft eine neue Arbeits- und Diskussionskultur innerhalb des KRM entwickeln müssen. Solche Entwicklungen gehören zum Reifeprozess dazu und sollten auch nicht überbewertet werden.

IslamiQ: Sie arbeiten als Islam-Lehrer in Berlin und sind Mitglied des Beirats für islamischen Religionsunterricht in NRW. Wird das Thema „Islamischer Religionsunterricht“ nun auf der Agenda des Islamrats stärker gewichtet? Wie würden Sie die weitere Entwicklung des IRU in Deutschland bewerten und was möchte der Islamrat für seine flächendeckende Einführung tun?

Kesici: Seit knapp 15 Jahren beschäftige ich mich mit dem Islamischen Religionsunterricht und würde gerne meine Erfahrungen in die zukünftige Arbeit des Islamrates mit einbringen. Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland haben wir sehr unterschiedliche Konzepte für den Islamischen Religionsunterricht.

In Berlin, Niedersachsen und NRW haben wir überschaubare Konzepte und Ansprechpartner. In einigen Bundesländern gibt es Bestrebungen Islamischen Religionsunterricht einzuführen, wobei die Entwicklungen einige Fragen aufwerfen, die in Zukunft bereinigt werden müssten. Der Islamrat könnte die flächendeckende Einführung des Islamischen Religionsunterrichts begleiten und die Landesverbände mit Rat und Tat unterstützen.

IslamiQ: Immer mehr Bundesländer kündigen Verhandlungen über Staatsverträge mit Muslimen an. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? Welche Funktion haben Staatsverträge mit Muslimen in Ihren Augen?

Kesici: Ich benutze lieber den Begriff Verwaltungsvertrag, anstatt Staatsvertrag, da ich diese Bezeichnung zutreffender finde. Verwaltungsverträge sind ein Zeichen der Anerkennung und des Vertrauens. Verwaltungsverträge regeln die Rechte und Pflichten der Religionsgemeinschaften und sind aus diesem Grund zu begrüßen. Die Verwaltungsverträge in Hamburg und Bremen haben zu einem besseren Verhältnis zwischen den Muslimen und den Bundesländern Hamburg und Bremen geführt.

Wie ich schon gesagt habe, Verwaltungsverträge sind ein Zeichen der Anerkennung und des Vertrauens. Aus diesem Grund sollten in Zukunft bei der Unterzeichnung von Verwaltungsverträgen nicht überhastet werden. Solche Verträge bedürfen einer engen Zusammenarbeit und eine Identifikation beider Seiten, die nur einem langwierigen Arbeitsprozess erlangt werden kann. Solche Verträge müssen mehr als nur eine Symbolkraft haben. Aus diesem Grund sollten wir Muslime auch darauf achten, dass wir nicht vorschnell solch einen Vertrag abschließen und dabei wichtige Aspekte des Zusammenlebens nicht in den Vertrag aufnehmen.

Verwaltungsverträge werden mit den Bundesländern abgeschlossen. Das kann mitunter dazu führen, dass die Inhalte von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausfallen. Es sollte jedoch ein Ziel aller beteiligter Akteure sein, nach Möglichkeit einheitliche Rahmenbedingungen bzgl. muslimischen Lebens in Deutschland zu schaffen. Das erfordert einen intensiveren Dialog mit den Religionsgemeinschaften und mit der Politik, um sie hierfür zu sensibilisieren. Auch aus diesem Grund wollen wir den innermuslimischen Dialog bei unserer zukünftigen Arbeit stärker gewichten, wobei wir auch muslimische Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens stärker in die Beratungsprozesse mit einbinden möchten. Dies gilt nicht nur für Verwaltungsverträge. Denn wir brauchen auch in anderen Bereichen einheitlichere Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel der muslimischen Wohlfahrt.