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Ist der Bau von Kirchen in muslimischen Ländern verboten?

Nach Angriffen auf Moscheen wird immer wieder derselbe Satz vorgebracht: „Bei denen daheim kannste auch keine Kirche bauen.“ Doch stimmt diese Behauptung überhaupt? Ein Faktencheck.

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Symbolbild: Kirche in der Türkei © shutterstock, bearbeitet by iQ
Symbolbild: Kirche in der Türkei © shutterstock, bearbeitet by iQ

Immer wieder taucht die Behauptung auf: In muslimischen Ländern dürfe man keine Kirchen bauen. Besonders nach Angriffen auf Moscheen wird dieser Satz in sozialen Medien, Kommentarspalten oder Leserbriefen angeführt: „Bei denen daheim kannst du auch keine Kirchen bauen.“

Doch stimmt diese pauschale Annahme überhaupt? Ein genauer Blick auf die Fakten zeigt ein differenziertes Bild.

Die Aussage, der Bau von Kirchen sei in muslimischen Ländern grundsätzlich verboten, ist falsch. Es gibt kein einheitliches Verbot – die rechtliche Lage unterscheidet sich stark von Staat zu Staat. Historische, politische und gesellschaftliche Faktoren prägen die Regelungen zur Religionsfreiheit.

Zahlreiche Beispiele belegen, dass Christen in vielen Ländern mit muslimischer Mehrheit eigene Gotteshäuser haben.

Kirchen neben Moscheen

Der Begriff „muslimische Länder“ ist irreführend, weil er eine homogene Rechts- oder Religionsordnung suggeriert. In Wirklichkeit umfasst er sehr unterschiedliche Staaten: von säkularen Republiken über konstitutionelle Monarchien bis hin zu streng religiös geprägten Staaten. Dementsprechend variieren auch die Gesetze und Regelungen zur Religionsausübung deutlich.

In vielen Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit existieren seit Jahrhunderten Kirchen, Klöster und andere nichtmuslimische Gebetshäuser. Ein anschauliches Beispiel ist Istanbul: Im Stadtteil Kuzguncuk stehen Moschee, Kirche und Synagoge nebeneinander. Diese Nachbarschaft ist nicht nur symbolisch, sondern Ausdruck einer langjährigen Koexistenz verschiedener religiöser Gemeinschaften – vom Osmanischen Reich bis in die heutige Türkei.

Ein Blick auf konkrete Zahlen widerlegt die pauschale Annahme eines generellen Kirchenbauverbots. Am Beispiel der Türkei zeigt sich auch, dass christliche Sakralbauten historisch breit verankert sind. Landesweit sind 1.388 Kirchen offiziell registriert, viele davon als denkmalgeschützte Bauwerke. Die größte Dichte findet sich in Istanbul mit 158 Kirchen. Es folgen Nevşehir mit 92, Gümüşhane mit 78 und Mardin mit 69 Kirchen.

Zugleich ist zu berücksichtigen, dass nicht alle dieser Gebäude heute aktiv genutzt werden. Demnach waren im Jahr 2020 landesweit rund 435 Kirchen, Synagogen und andere nichtmuslimische Gebetshäuser tatsächlich für den Gottesdienst geöffnet. Ein erheblicher Teil der historischen Kirchen dient heute als Museum, Kulturstätte oder steht unter Denkmalschutz.

Auch in Jordanien, Libanon, Ägypten oder Indonesien gibt es aktive christliche Gemeinden mit Kirchengebäuden, oft mit staatlicher Anerkennung. In einigen Ländern ist der Neubau von Kirchen zwar an behördliche Genehmigungen gebunden. Das entspricht jedoch einer administrativen Regelung – vergleichbar mit den Vorschriften für Moscheebauten in vielen europäischen Ländern. Einschränkungen sind also eher politischer oder bürokratischer Natur als religiös motiviert.

Einschränkungen der Religionsfreiheit

Gleichzeitig gibt es Staaten, in denen die Religionsfreiheit für Christen deutlich eingeschränkt ist – etwa in Saudi-Arabien, Pakistan oder Teilen der Arabischen Halbinsel. In diesen Ländern sind öffentliche nicht-muslimische Gottesdienste stark reguliert, der Bau neuer Kirchen ist faktisch nicht möglich, und Gläubige können nur eingeschränkt ihren Glauben ausüben.

Solche Einschränkungen sind staatlich oder gesellschaftlich bedingt, nicht eine allgemeingültige Vorschrift des Islam. Sie zeigen, dass Religionsfreiheit in manchen Ländern begrenzt ist, aber keineswegs pauschal für alle muslimischen Länder.

Fazit

Die Behauptung, Kirchenbau sei in muslimischen Ländern grundsätzlich verboten, hält einer Faktenprüfung nicht stand. Die Realität ist deutlich komplexer: Sie reicht von historisch gewachsener religiöser Vielfalt bis hin zu restriktiven Sonderfällen. Pauschale Aussagen verzerren diese Vielfalt und tragen eher zur Polarisierung als zur Aufklärung bei.