Chemnitz

Ayşe İrem ist Deutsche Meisterin im Poetry Slam

Vier Tage lang haben die Besten der deutschsprachigen Poetry-Slam-Szene in Chemnitz um die Krone des Dichterwettstreits gerungen. Ayşe İrem hat die deutschsprachige Meisterschaft im Poetry Slam gewonnen.

02
11
2025
Ayşe İrem © Instagram @i.slamartists
Ayşe İrem © Instagram @i.slamartists

Sie tritt mit Kopftuch auf die große Bühne, erzählt kämpferisch von Rassismus in Deutschland und dass Menschen wie sie für die Gesellschaft „nie weiß genug“ sind: Ayşe İrem hat die deutschsprachige Meisterschaft im Poetry Slam gewonnen. Die 26-jährige Muslimin aus Nordrhein-Westfalen hat sich gegen 80 Konkurrentinnen und Konkurrenten durchgesetzt und bekommt im Finale Standing Ovations von den rund 1.800 Zuhörern in Chemnitz.

Sie war für I,Slam angetreten, einer Gemeinschaft für muslimischen Poetry Slam. Die Gruppe schreibt Texte und macht bei Wettbewerben mit. Sie will, dass junge Musliminnen und Muslime selbstbewusster werden und ihre Meinung sagen.

Es sei ihr sehr wichtig, über diese ernsten Themen zu sprechen, sagte İrem nach dem Titelgewinn der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn niemand anderes darüber spricht, dann mache ich das.“ Dass sie als türkischstämmige Muslima in Chemnitz den Titel gewonnen habe, freue sie besonders. Die Stadt hatte 2018 mit Ausschreitungen von Rechtsextremen weit über Deutschland hinaus für Entsetzen gesorgt. Sie habe hier viele nette Menschen getroffen und viel Spaß gehabt, erzählte sie. „Überall gibt es böse Menschen, überall gibt es gute Menschen. Wichtig ist, dass wir zusammenhalten als Gemeinschaft.“

Auf der Bühne der Chemnitzer Stadthalle spricht die studierte Architektin vom Mut ihrer Großeltern in einem fremden Land neu anzufangen, dass Kindern von Zuwanderern verboten war auf dem Schulhof Türkisch zu sprechen und dass Menschen wie sie bestimmte Jobs und Wohnungen nicht bekommen – wegen ihres Namens. Sie spricht von den rassistischen Anschlägen in Mölln, Solingen und Hanau, vom Asylbewerber Oury Jalloh, der in Polizeigewahrsam in Sachsen-Anhalt gefesselt auf einer Matratze liegend verbrannt ist – und fragt sich, ob sie sich im Ernstfall auf die Polizei hierzulande verlassen könne.

Teilnehmer aus sieben Ländern

Vier Tage lang war Chemnitz, Europas Kulturhauptstadt 2025, Treffpunkt der deutschsprachigen Poetry-Slam-Szene. Der moderne Dichterwettstreit wurde in einem Einzel- und einem Team-Wettbewerb ausgetragen. Im Team-Finale hatte sich schon am Freitagabend Wortwin & Slamson aus Berlin durchgesetzt. Laut den Veranstaltern sicherte sich das Duo seinen dritten Team-Titel durch sprachliche Originalität, präzises Timing und mitreißende Bühnenpräsenz.

Bei einem Poetry Slam tragen Autoren und Autorinnen selbst verfasste Texte auf einer Bühne vor und stellen sich dem Urteil des Publikums. Die Texte können kritisch, humorvoll, traurig, politisch und auch persönlich sein. So ging es im Einzelfinale etwa um sexuelle Gewalt gegen Frauen, um Pollenallergie, die Ideologie von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sowie die Bedeutung von Steinen. Für ihren Vortrag haben die Teilnehmer maximal sechs Minuten Zeit. Während Hilfsmittel wie Kostüme oder Requisiten tabu sind, darf mit Mimik und Gestik gearbeitet und der Text auch gerappt werden.

Die Meisterschaft wurde zum 29. Mal ausgetragen. Die Teilnehmer kamen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Belgien, Liechtenstein und Luxemburg. Die Plätze 2 und 3 im Einzelwettbewerb errangen Julius Althoetmar aus Bayern und Lia Hartl aus Österreich. Im kommenden Jahr wird der Wettbewerb im September in Hannover ausgetragen.

Leserkommentare

Yusuf Bahri Korkmaz sagt:
Ob Türkin oder nicht ob Muslimin oder nicht, wir müssen endlich verstehen, das es bei ungerechten und unterdrückten ums Menschen geht, egal wie und wo, die Welt in der wir Leben braucht Starke stimmen. Bin Stolz auf Ayse Irem Tuncer (Korkmaz). Möge Sie uns lange erhalten bleiben und mit Ihrem Mut und Engagement viele weitere Texte Schreiben und veröffentlichen
03.11.25
15:38