Kommentar

Wäre es auch so still, wenn es keine Moschee gewesen wäre?

Nach Angriffen auf zwei Moscheen in Hannover schweigt die Polizei – ein Schweigen, das Fragen nach Gleichbehandlung und öffentlicher Verantwortung aufwirft. Ein Kommentar von IslamiQ-Chefredakteur Muhammed Suiçmez.

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IGMG-Moschee in Hannover mit politischen Parolen beschmiert
IGMG-Moschee in Hannover mit politischen Parolen beschmiert

Stellen wir uns für einen Moment Folgendes vor: In Hannover würden die Fassaden von zwei Synagogen mit politischen Parolen wie „Hamas“ und „Palästina“ beschmiert. Am nächsten Morgen entdecken Gemeindemitglieder die Schmierereien. Sie sind erschüttert, verängstigt, fassungslos. Sie rufen sofort die Polizei, die – selbstverständlich – die Ermittlungen aufnimmt.

Allerdings würde die Polizei nichts über diesen Vorfall öffentlich kommunizieren. Keine Meldung. Kein Hinweis. Kein öffentlicher Aufruf. Keine Information an die Zivilgesellschaft. Einfach: Schweigen.

Allein dieser Gedanke irritiert. Er wirkt absurd und zeigt, wie schwer es dann für die Opfer sein muss, die dieses Schweigen tatsächlich erleben.

Denn genau das ist in Hannover geschehen. Nur richteten sich die Schmierereien nicht gegen Synagogen, sondern gegen zwei Moscheen. Gegen eine Moschee der IGMG und die DITIB-Zentralmoschee. Beide wurden über Nacht mit den Schriftzügen „IDF“ und „Israel“ großflächig beschmiert. Sachbeschädigung, politischer Bezug, religiöse Einrichtungen – alles erfüllt, was in jedem anderen Kontext sofort Alarmbereitschaft erzeugen würde.

Doch diesmal bleibt es still

Die Polizei Hannover bestätigte zwar auf Nachfrage von IslamiQ die Vorfälle, entschied sich aber bewusst gegen eine öffentliche Polizeimeldung. Man habe „zunächst auf eine aktive Veröffentlichung verzichtet“, da die Straftat „Sachbeschädigung für sich genommen keine verpflichtende Öffentlichkeitswarnung oder Sensibilisierung der Bevölkerung begründe“. Gründe: Ermittlungsgründe und Taktik.

Ein Blick in die aktuellen Pressemeldungen der Polizei Hannover zeigt jedoch ein völlig anderes Bild: Da finden sich Meldungen über den Diebstahl eines Teleskopladers, über Verkehrsunfälle, über eingeschlagene Scheiben an einer Tankstelle. All das scheint – anders als der Angriff auf Moscheen – offenbar sehr wohl mitteilungswürdig.

Die Aussage, es gebe keinen Anlass für Öffentlichkeitsarbeit, ist also kein Prinzip. Sie ist eine Entscheidung. Und sie fällt in diesem Fall zu Lasten muslimischer Gemeinden.

Muslime verlangen keine Sonderbehandlung. Sie verlangen lediglich die gleiche Ernsthaftigkeit, die jeder anderen religiösen Gemeinschaft in Deutschland selbstverständlich eingeräumt wird. Angriffe auf Gotteshäuser – egal welche – schaden dem gesellschaftlichen Klima. Sie sind keine Nebensachen, sondern politische Botschaften, die Angst erzeugen sollen.

Muslime bleiben im toten Winkel

930 islamfeindliche Straftaten wurden allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2025 dokumentiert. 930! Das ist kein Randphänomen, sondern nur die Spitze des Eisbergs. Und jede Bagatellisierung, jede Verzögerung, jedes kommunikative Wegducken wirkt wie ein weiterer Schlag ins Gesicht der Betroffenen.

Polizeiliche Kommunikation ist nicht nur Ermittlungstaktik. Sie ist auch demokratische Verantwortung. Sie schafft Transparenz, sie signalisiert Präsenz, sie vermittelt das Gefühl: „Wir sehen euch. Wir stehen an eurer Seite.“

Wenn aber gerade bei sensiblen Fällen geschwiegen wird, entsteht der gegenteilige Eindruck: dass manche Gruppen sichtbarer Schutz genießen, während andere im toten Winkel bleiben.

Das Schweigen der Polizei Hannover ist fatal. Es sendet ein Signal – ob gewollt oder nicht – dass Angriffe auf Moscheen nicht die gleiche gesellschaftliche Relevanz haben wie Angriffe auf andere religiöse Orte. Die betroffenen Gemeinden in Hannover haben ein Recht auf mehr als nur Ermittlungen im Hintergrund. Sie haben ein Recht auf öffentliche Solidarität, auf klare Kommunikation, auf sichtbares Engagement.

Bei dem aktuellen Fall in Hannover, stellt sich aber eine einzige Frage, die einen faden Beigeschmack hat:

Wäre es auch so still geblieben, wenn es keine Moscheen gewesen wären?