Das Treffen zwischen Merz und Netanjahu wirft angesichts des IStGH-Haftbefehls grundlegende Fragen zu Deutschlands außenpolitischer Haltung und seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen auf.

Das Treffen zwischen Bundeskanzler Friedrich Merz und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Jerusalem wirft wesentliche völkerrechtliche und politische Fragen auf. Während beide Seiten die „deutsch-israelische Freundschaft“ betonen, bleiben zentrale Konfliktlinien und rechtliche Verpflichtungen weitgehend unerwähnt.
Besonders relevant ist, dass gegen Benjamin Netanjahu seit November 2024 ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen vorliegt. Israel erkennt den Gerichtshof nicht an, Deutschland hingegen schon – und wäre damit völkerrechtlich verpflichtet, Netanjahu festzunehmen, sollte er deutschen Boden betreten. Diese Tatsache steht in deutlichem Gegensatz zu der politischen Normalität, die das Treffen zu vermitteln versucht.
Die von Merz hervorgehobene „besondere Partnerschaft“ zwischen Deutschland und Israel zeigt eine deutliche Spannung zwischen diplomatischer Loyalität und den Anforderungen des Völkerrechts. Während Deutschland regelmäßig seine Wertebindung betont, bleibt es im konkreten Umgang mit einem international gesuchten Regierungschef auffällig zurückhaltend. Hinweise auf Verantwortung, Menschenrechte oder juristische Konsequenzen finden im offiziellen Auftreten kaum Raum.
Auch die politische Divergenz in Fragen des Gaza-Genozids wird rhetorisch eher beschwichtigt als klar benannt. Merz verweist allgemein auf das Recht Israels auf Selbstverteidigung, während die massive internationale Kritik am Vorgehen der israelischen Armee und die humanitäre Lage in Gaza nur am Rande angesprochen werden. Gleiches gilt für die Frage einer Zweistaatenlösung: Sie wird zwar erwähnt, aber ohne konkrete Positionierung oder Forderungen an die israelische Regierung.
Das deutsch-israelische Verhältnis zeigt damit eine deutliche Asymmetrie: Während Deutschland sicherheitspolitisch enge Kooperation bekräftigt, bleibt die Auseinandersetzung mit Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtlichen Problemen weitgehend symbolisch. Die Tatsache, dass Netanjahu trotz des Haftbefehls nicht öffentlich in Verantwortung genommen wird, verdeutlicht diese Diskrepanz und stellt die Konsistenz deutscher Außenpolitik und ihrer rechtsstaatlichen Prinzipien in Frage.