Interview

„Tierschutz wird als politische Waffe benutzt“

Das Schächten von Tieren ist in Europa umstritten. Warum Muslime im Mittelpunkt dieser Debatte stehen, erklärt Fachjournalist Peter Ziegler im IslamiQ-Interview.

22
09
2019
Halal-Fleisch, Schächten
Symbolfoto: Schächten, Halal-Fleisch © Shutterstock, bearbeitet by islamiQ

IslamiQ: Sie beschäftigen sich mit dem Thema Schächten? Worüber wollen Sie die Menschen aufklären?

Peter Ziegler: Ich bin Anfang 2003 an der Al-Azhar in Kairo zum Islam konvertiert. Es lag deshalb nahe mir über meine Lebensführung Gedanken zu machen. Dazu gehörte natürlich auch die Auseinandersetzung mit den Speisegeboten. In der Jugend hatte ich auch jüdische Lehrer gehabt, und heute sage ich den militanten Tierschützern, dass das älteste Tierschutzgesetz von den Juden stammt. In der schriftlichen Tora, den Fünf Büchern Mose und der mündlichen Tora sind Gebote des schonenden Umgangs und schonenden Tötens von Tieren enthalten. Diese sind Grundlage des jüdischen Tierschutz- und Tierrechtes, wie es im Verbot, Tieren Leiden zuzufügen (Tza’ar baalei chajim), zum Ausdruck kommt.

Im Islam sind Umweltschutz und Tierschutz keine neuzeitliche Errungenschaft der Aufklärung und des zivilisatorischen Fortschritts, sondern immanenter Bestandteil des islamischen Wertesystems und integraler Teil von Lehre und Praxis. Eine ganz andere Sache ist es, dass leider viele ungebildete Muslime diese Gebote nicht achten.

IslamiQ: Warum gilt Halal-Fleisch nicht als Bio-Fleisch? Was ist die Problematik dahinter?

Ziegler: Halal-Fleisch ist für mich als Fachmann auch Bio, wenn es die Bedingungen für Bio-Zertifikate erfüllt. Punkt. Das Gerichtsurteil des EuGH, islamkonformen Fleisch dieses Gütesiegel zu verweigern, ist ein politisches und kein fachliches Urteil und dem derzeitigen Populismus und der Islamphobie geschuldet. Es wird keinen Bestand haben. Schon jetzt ist erkennbar, dass dieses Urteil dem Siegel sehr geschadet hat. Man nimmt es weniger ernst.

IslamiQ: Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine vegetarische oder vegan Ernährungsform. Denken Sie, dass eine vegetarische oder vegane Ernährung eine Alternative für Muslime ist?

Ziegler: Ich weiß von sehr vielen Muslimen, dass sie ihren Fleischkonsum reduziert haben und ihre Lieferanten kritischer hinterfragen. Die Regel: „Ich kaufe beim Türken und dort ist das Fleisch halal“, gilt schon lange nicht mehr. Logischerweise verzichten diese Muslime irgendwann ganz auf den Fleischkonsum. Es gibt bereits etliche muslimische Vegetariergruppen, auch bei mir in der Schweiz. Bekannt ist uns ja, dass vor allem im Sufismus der Verzicht auf Fleisch und Alkohol ein hohes religiöses Ideal ist und als Voraussetzung zur Verinnerlichung des Geistes und zur ekstatischen Gottesschau gilt. Ansonsten gibt es klare Regeln für die Vergabe von Halal-Zertifikaten. Diese basieren u. a. auf Beschlüssen der OIC (Anm. d. R.: Organisation von 56 islamischen Staaten).

IslamiQ: Es werden inzwischen Halal-Messen veranstaltet, sowohl in Deutschland als auch international. Denken Sie, dass trotz der Schwierigkeiten beim Schächten der Markt wächst? Wie schätzen sie dieses Wachstum ein?

Ziegler: Wir sollten uns in diesem Kontext nicht nur einseitig mit Halal-Food befassen, sondern ganzheitlich von einer „Halal-Industrie“ reden, auch wenn dies zunächst ein hässlicher Begriff ist. Er beinhaltet 1) Nahrungsmittel, Kosmetik, Kleidung, aber vor allem aber auch 2) Islamic Finance und Islamic Banking und, last but not least, den boomenden 3) Halal-Tourismus. Muslimischer Lifestyle kommt auch bei Andersgläubigen an.

Inzwischen schreibt die kuwaitisch-türkische KT Bank in Frankfurt, Mannheim, Köln und Berlin eine Erfolgsgeschichte, u. a. mit islamkonformen Krediten. Viele wertekonservative deutsche Nichtmuslime verbringen zum Schutz ihrer Kinder den Urlaub in einem türkischen Halal-Hotel, auch wenn dieses teurer ist als eine normale Herberge. Viele westliche Damen genießen es dort beim Baden unter sich zu sein.

Schauen wir uns die weltbekannte Hannover Messe an. Die Computermesse CeBit wurde kürzlich abgeschafft, jetzt wird es eine Halal-Messe geben. Die Halal-Industrie wird heute nicht in Milliarden, sondern in Billionen Dollar gemessen. Die Agentur Reuters meldete kürzlich: „The global halal market size is expected to reach USD 9.71 trillion by 2025.“ Das sind in deutschen Zahlen 9,71 Billionen USD oder 8,62 Billionen Euro. Da erübrigen sich doch weitere Fragen.

Explizit nochmals zum Halal-Food: Nur ein geringerer Teil aller Zertifikate für Lebensmittel betreffen die Erzeugung von Fleisch. Beispielsweise muss auf Verlangen aus Malaysia und Indonesien ab sofort auch Mineralwasser zertifiziert werden. Warum dies, Wasser ist doch Wasser? Nein! Die Abfüller von Wasser verwenden zum Filtrieren Schweineknochen. Das sei besonders effizient. Welcher Muslim, welche Muslima, möchte Wasser trinken, das zuvor durch Schweineknochen tropfte?

IslamiQ: Wie steht die deutsche Politik zum Schächten? Was könnte die Politik diesbezüglich noch unternehmen oder verändern?

Ziegler: Politiker sind in westlichen Staaten tagesaktuelle Opportunisten. Sie werden auch in dieser Sache nicht agieren, sondern nur reagieren. In der Schweiz sollte Anfang 2001 das dortige „Schächtverbot“ aufgrund einer Studie des Bundesveterinäramtes aus sachlichen Gründen aus der Verfassung gestrichen werden. Dann kam der Anschlag von 9/11 und die Angelegenheit war über Nacht erledigt. In Deutschland ist das Verhältnis zwischen Juden und Muslimen leider angespannt. In den Niederlanden und Belgien haben die Juden auch für uns Muslime gekämpft und dieses „Schächtverbot“ verhindert.

IslamiQ: Ist die rituelle Schlachtung überhaupt ein politisches Thema?

Ziegler: Das war in Deutschland schon immer ein sehr politisches Thema. Das erste Gesetz, dass die Nazis nach ihrer Machtergreifung 1933 beschlossen, war das Verbot der rituellen Schlachtung. Heute benutzt die islamfeindliche AfD den Tierschutz wieder als politische Waffe. Sie verbreitet Fake-News, erzählt Gräuelmärchen und zeigt Horrorfilme. Unsere Politiker wissen das, aber sie kommen gegen die antimuslimische Propaganda nicht an.

IslamiQ: Was müssen Muslime besser machen, damit in Europa das Schächten nicht mehr als Problem gesehen wird?

Ziegler: Wir Muslime müssen die Menschen aufklären. Es gibt ein riesiges Informationsdefizit und jede Menge gezielter Desinformationen, sogar bei Medizinern. Es gibt aber de facto auch zahlreiche wissenschaftliche Gutachten, die sachgerechtes „Schächten“ als tierschutzkonform erklären, u. a. in zahlreichen Staaten der USA. Auch von der Tierhochschule Hannover gab es in den 1960er-Jahren ebenfalls ein inzwischen berühmtes Gutachten, das heute unter Verschluss gehalten wird. Nur mit guten Beziehungen gelang es mir, dieses weltweit in englischer Übersetzung verbreitete Werk in deutscher Originalfassung zu erhalten. Was allerdings wirklich nicht geht, das ist, wenn ein sachfremder muslimischer Informatiker einen Bauern besticht und dann in dessen Scheune mit einer Art Brotmesser den Hals eines Schafes durchsäbelt. Wird eine solche Freveltat aufgedeckt, so ist es zum Schaden aller Muslime.

Leserkommentare

Brad Lewis sagt:
Die Antworten hier kommen mir wie reinste Islam-Propaganda vor. Schöne neue (islamische) Welt? Islamic Banking...sonst noch was? Scharia Justiz überall? Nein danke, definitiv nicht. Islamisierungs-Beglückung in christlichen Ländern ist keine gute Idee.
22.09.19
18:54
Ulrich Dittmann sagt:
Der zum Islam konvertierte Fachanwalt(?) Ziegler irrt und agiert nur nach dem verständlichen, altbekannten Motto: "Welcher Religion ich angehörig bin, dessen Lied ich sing." ! Nicht umsonst ist betäubungsloses Schlachten/Schächten in zivilisierten Ländern verboten, bei dem die Tiere in ihrem eigenen Blut und Erbrochenem verröcheln. Laut regulärem Tierschutzgesetz (§ 4a, Abs.1) sind warmblütige Wirbeltiere vor dem Schlachten explizit zu betäuben. Punkt. Da gibt es nichts zu diskutieren. Und natürlich werden Tiere im Schlachthaus auch nicht zärtlich totgestreichelt. Doch NIEMANDEN darf per „Ausnahmegenehmigung“, (§ 4a Abs. 2, Nr. 2 TierSchG) schlicht Narrenfreiheit für ein lebensverachtendes, BEWUSSTES(!) und VORSÄTZLICHES(!) BETÄUBUNGSLOSES zu Tode quälen von Leid und Schmerz empfindenden Mitgeschöpfen zugestanden werden. Schlachten ist schlimm – BETÄUBUNGSLOSES Schächten aber eine grauenhafte Perversion des Schlachtvorgangs. Wenn die Steinzeit-Schlachtmethode des betäubungslosen Schächtens eine so geniale, schnelle und tierfreundliche Tötungsartart darstellen würde, wie von Schächtbefürwortern pharisäerhaft behauptet, warum praktiziert man diese kostengünstige Schlachtmethode dann nicht überall in der westlichen Welt und verschrottet all die teuren, offenbar „unnützen“ Betäubungsgerätschaften ? Wieso sehen sich manche schon als benachteiligt an, wenn sie nicht bevorteilt werden? „Der größte Feind des Rechts ist das Vorrecht“ konstatierte sehr richtig Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916) Rein zeitgeschichtlich kann eine Betäubung vor dem Schächten nicht als verboten aufgeführt sein, da eine heute mögliche (reversible) Elektro- Betäubungsform zur Zeit der Schriftlegung der maßgeblichen Heiligen Schriften für Muslime (und Juden), nicht einmal existent war. Eine Vorgabe „mit“ oder „ohne“ (Elektro-)Betäubung zu schächten, findet keine Erwähnung in den bindenden Hauptreligionsschriften Koran (und Thora) – kann folglich auch nicht religionsrelevant sein. Die islamische Religion schreibt bindend einen schonenden Umgang mit Tieren vor. Durch ein Festhalten an der heutzutage als anachronistisch einzustufenden Schlachtmethode des betäubungslosen Schächtens, wird diese religiöse Vorgabe explizit ins Gegenteil verkehrt! Eine heute mögliche tierschutzgerechte reversible Elektrobetäubung kann auch nicht verboten sein, da sie zu Zeiten der Schriftlegung der Heiligen Schriften von Juden und Muslimen nicht existent war. Die Religionsforderung des “vollständigen Blutentzugs” ist ohnehin unerfüllbar, da immer(!) eine Restblutmenge im Körper verbleibt. Letztlich müssten alle Strenggläubigen – Juden und Muslime – Vegetarier sein. Betäubungsloses archaisches Schächten leistet öffentlicher Verrohung Vorschub, fördert die Etablierung einer abgeschotteten Parallelgesellschaft, desavouiert hier um Integration bemühte Gläubige und Bürger, ist religionswissenschaftlich nicht begründbar, und weder mit dem Begriff "Religion", noch mit der hier geltenden Verfassungsethik zu subsumieren. In diesem Sinne beste Grüße mit Sure 2/256 : "Es gibt keinen Zwang im Glauben"!
22.09.19
20:25
Ulrich Dittmann sagt:
Nachtrag: Pardon, dass ich "Fachjournalist"(?) Peter Ziegler in meinem Kommentar vom 22.09.2019 / 20.25 Uhr zu einem "Fachanwalt"erhoben/ hochstilisiert hatte!
22.09.19
20:58
Ethiker sagt:
Islamfeinde oder Menschen die dem Islam abgeneigt sind, benutzen das Schächten im extrem negativen Kontexten. Beispielsweise sagt der Richter Daniel Aeschbach im Urteil gegen Thomas N., einem Mörder aus der Schweiz der einen Jungen sexuell missbrauchte und seinen Bruder und seine Freundin ermorderte als auch die Mutter der Kinder: "«Die Opfer wurden vom ­Beschuldigten regelrecht geschächtet». Dabei war der Richter dem Mörder in der Sozialisation, den Rituale, Gebräuchen,und Sitten viel näher als das Schächten. Das der Richter dieses Wort benutzte, zeigt, dass er eine innere Distanz zur Tat herstellen wollte. Dabei bediente er sich dem Islam und oder dem Judentum. Das zeigt aber auch, dass er eine negative bis sehr negative Einstellung zum Schächten und den dazugehörigen Religionen besitzt. Entschuldigungen für die Wortwahl des Richters sind unangebracht, weil man bei einem Richter eine gewisse Bildung voraussetzen kann.
22.09.19
21:17
Emanuel Schaub- sagt:
Leider kann man resp.das Tier/Opfer auf die sogenannte "Betäubung " nicht (immer) verlassen...(Pardon für diesen ungewollten ,aber dem Sachverhalt entsprechende Zynismus ) Im Info Material des "Vegan Streiters" Dr. Henrich werden u.a. Originalberichte um die Verrohung der Angestellten von Schlachthöfen(anders als mit einer dicken haut kann das dort .. wohl kaum Tag für Tag durchstehen ..??) Da ist die Wahrscheinlichkeit nach dem Schächten noch Empfindungsfähigkeit beim Tier zu konsta- tieren vielleicht geringer. Wie der Vorgang ...vom Tier selbst erlebt/erlitten wird ,kann wohl nur dasjenige beurteilen, leider uns nicht (zur "Gewissensberuhigung") mehr mitteilen. Wäre doch so schön ,wenn die Tiere so bereitwillig ,wie z.b. Äpfel sich von uns verspeisen liessen ,oder? gruß emanuel
23.09.19
11:41
Ute Fabel sagt:
„Die Religionsforderung des “vollständigen Blutentzugs” ist ohnehin unerfüllbar.“ Sollte man nicht besser die Frage stellen, ob diese religiöse Forderung vielleicht abänderbar ist, da sie jeglicher Sinnhaftigkeit entbehrt. Ich nehme man an, dass man im Altertum herausgefunden hat, dass gut ausgeblutetes Fleisch länger haltbar ist. Inzwischen wurden Kühlschränke, Tiefkühltruhen und zahlreiche andere Konservierungsmethoden erfunden. Die Welt bewegt sich weiter, aber religiöse Dogmen sind für manche Ewiiggestrigen leider ein unverrückbarer Selbstzweck.
23.09.19
19:35
grege sagt:
Bei Meinungsverschiedenheiten oder unerwünschten Urteilssprüchen treten einige Muslime sofort mit der Keule der Islamfeindlichkeit auf. Mit diesen stereotypschen Vorwürfen der Islamfeindlichkeit in der Marnier von Aiman Mazyek zeigen diese Muslime genau ihre Toleranzdefizite.
24.09.19
20:43
Johannes Disch sagt:
Sich über das Schächten aufzuregen, aber die unwürdigen Zustände in deutschen Schlachthöfen zu verschweigen, das ist Heuchelei! Glaubt man Fachleuten, dass ist fachgerecht ausgeführtes schächten humaner als die Methoden, die es in deutschen Schlachthöfen gibt. Zudem: Man kann einer Religion nicht verbieten, was man einer anderen erlaubt. Auch Juden dürfen in Deutschland schächten. Wer sich tatsächlich ehrlich über das Schächten aufregt, der müsste sich nicht nur auf den Islam konzentrieren, sondern auch auf die jüdische Religion. Das passiert hier aber nicht. Erneut: Heuchelei! Wie das Kopftuch, so ist auch das Schächten nur ein Aufhänger für Islamfeindlichkeit.
25.09.19
10:35
Ethiker sagt:
Islamfeinde oder Islamgegner gibt es überall, sie offenbaren sich, da muss man nicht muslimischen Glaubens sein, um das zu erkennen, grege. Ihre eklatanten Mängel in ihren Aussagen häufen sich. Inkompetenz! Von gewünschten Urteilssprüchen kann keine Rede sein. Islamfeindlichkeit erkennt man, sie sind ein Beispiel hierfür, lesen sie mal ihre Posts genau durch. Lesen sie bitte auch durch was Steroetype, Vorurteile und Toleranz bedeuten Das hilft für ein konstruktives Miteinander.
26.09.19
12:52
Ute Fabel sagt:
@Johannes Disch: "Auch Juden dürfen in Deutschland schächten. Wer sich tatsächlich ehrlich über das Schächten aufregt, der müsste sich nicht nur auf den Islam konzentrieren, sondern auch auf die jüdische Religion.Das passiert hier aber nicht. Erneut: Heuchelei!" Weder Juden noch Moslems noch sonst jemand soll das Recht haben aufgrund von religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen Tiere zu quälen. Weder Juden noch Moslems noch sonst jemand soll das Recht haben aufgrund von religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen an den Genitalien herumzuschnipseln. Gleiche Rechten, gleiche Pflichten für alle!
26.09.19
13:58
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