Racial Profiling

„Zu einfach gedacht“

Im Interview mit dem Rassismusexperten Alexander Bosch von Amnesty International geht es um „Racial Profiling“ und wie man sich bei einer Personenkontrolle verhalten sollte.

27
07
2015

Der Zug ist voll – manche stehen, manche sitzen. An einer Haltestelle steigen Beamte der Bundespolizei ein, um Personenkontrollen durchzuführen. Dabei kontrollieren sie jedoch nur Menschen mit dunkler Hautfarbe; Weiße entgehen der Überprüfung. Dieses Vorgehen heißt „Racial Profiling“ und ist in Deutschland laut Gesetz verboten. Warum es dennoch sehr häufig zu solchen Kontrollen kommt, erklärt Rassismusexperte Alexander Bosch von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International im Interview mit der der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin.

Herr Bosch, was ist „Racial Profiling“?

Alexander Bosch: Es geht darum, dass Personen nur aufgrund ihrer äußerlichen Merkmale von den Behörden kontrolliert werden. Also wegen ihrer Hautfarbe, ihres kulturellen Hintergrundes oder sichtbarer religiöser Symbole wie Kopftuch oder Turban.

Welche Personengruppen werden so am häufigsten kontrolliert?

Bosch: In Deutschland betrifft es vor allem Personen mit schwarzer Hautfarbe oder Menschen, die aus dem arabischen Raum stammen. Diese letzte Gruppe wird oft wegen vermuteter Delikte wie Diebstahl oder Hehlerei kontrolliert.

Was wollen die Behörden mit diesem „Racial Profiling“ erreichen? Wozu wird es angewandt?

Bosch: Die Bundespolizei will so vor allem illegale Einreisen feststellen. Dem darf sie auch nachgehen. Es ist aber vom Gesetz her nicht definiert, wann, wo und wie die Kontrolle stattfinden darf. Es bleibt der Polizei selbst überlassen, wen sie für einen potenziell illegal Eingereisten hält. Gerade Menschen mit dunkler Hautfarbe fallen dann in das Raster.

Das kann aber doch ein mögliches Kriterium sein…

Bosch: Wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft und man kann nicht mehr allein anhand der Hautfarbe feststellen, wer deutscher Staatsbürger ist und wer nicht. Die Bundespolizei handelt aber oft nach dem Gedanken, dass nur derjenige deutscher Bürger sein kann, der eher weiß und nordeuropäisch aussieht.

Wissen die Polizisten das?

Bosch: Die Polizisten tappen in eine Art «Rassismusfalle». Sie sind sich gar nicht bewusst, dass sie rassistisch handeln. Denn sie arbeiten nach Stereotypen, die leider jeder von uns hat. Das sind Klischees, die sich festgesetzt haben. Hier muss man selbstständig reflektieren, um sich daraus zu befreien.

Funktioniert das Gesetz also nicht richtig?

Bosch: Das Gesetz gibt nur vor, dass die illegale Einreise festgestellt werden soll. Die Polizisten müssen aber selbst entscheiden, wer illegal eingereist sein könnte. Dass dann eher dunkelhäutige als hellhäutige Menschen kontrolliert werden – das ist zu einfach gedacht.

Ist „Racial Profiling“ erlaubt?

Bosch: Die Bundesregierung behauptet, dass «Racial Profiling» nicht betrieben wird, da es gesetzlich verboten ist. In der Praxis findet es jedoch statt. Und genau da ist das Problem.

Und wie kann dieses Problem gelöst werden?

Bosch: Wir fordern, dass der Paragraf abgeschafft wird, der verdachtsunabhängige Personenkontrollen erlaubt. Und es muss mehr klare Kriterien für eine Überprüfung geben.

Andere Länder haben solche Kriterien bereits gefunden.

Bosch: Genau. In Australien wird zum Beispiel nicht mehr danach gehandelt, wie jemand aussieht, sondern wie er sich verhält: Ist er nervös, vermeidet er den Blickkontakt, verlässt er den Raum. Solche Gründe führen zu einer Kontrolle. Außerdem kann die Gepäckgröße oder die Richtung, aus der eine Person kommt, Kriterium sein. Solche Anhaltspunkte müssen jedoch im Gesetzestext festgehalten werden. Denn jede Norm, die verdachtsunabhängige Kontrollen zulässt, öffnet das Tor für persönliche Vorurteile.

Wie können Polizisten ihre Vorurteile abbauen?

Bosch: Wir empfehlen thematische Schulungen. So werden Polizisten sensibilisiert, dass sie in eine «Rassismusfalle» treten können. Ihnen wir nicht vorgeworfen, dass sie Rassisten sind, sondern dass sie von Zwängen geleitet werden. Probleme können aber nur gelöst werden, wenn man anerkennt, dass es diese Probleme auch gibt – das muss die Bundesregierung erkennen.

Und was empfehlen sie Menschen, die wegen ihres Aussehens kontrolliert werden?


Bosch:
Auf jeden Fall die Personenkontrolle über sich ergehen zu lassen, denn das ist geltendes Recht. Aber dann nach dem Grund fragen, warum man ausgewählt wurde. Falls es sich tatsächlich um „Racial Profiling“ handelt: den Fall anzeigen. Denn wir brauchen unbedingt eine ganz klare Rechtslage. (iQ, KNA)

Leserkommentare

Chris sagt:
Gegen die Polizei und gegen den Staat haben die Personen doch keine Chance wie heisst es doch so schön. Recht haben und Recht bekommen sind zweierlei Dinge. Das ganze wird nicht aufhören, da bin ich mir sicher und tagtäglich werden immer wieder Leute, die hier zur schule gegangen sind, hier gar geboren sind und sich perfekt integriert haben, durchsucht und mit HI PASSPORT PLEASE und SPRECHEN SIE DEUTSCH angesprochen eine Demütigung ohne Gleichen Danke Deutschland und das nennt sich Integration und Vielfalt
28.07.16
20:00