Viele muslimische Studierende kennen das Dilemma: Zwischen Vorlesungen, Seminaren, Übungen und Praktika möchten sie die täglichen Gebetszeiten einhalten. Leider gibt es an den Universitäten oftmals nur dürftige oder gar keine Möglichkeiten, die Gebetswaschung vorzunehmen und anschließend das Gebet zu verrichten. Was muslimische Studierende tun können, schreibt Ali Karaca.
8.00-12:45 Laborpraktikum, 13.00-15.00 Uhr Vorlesung, 15.30-17.30 Uhr Seminar, Ab 12.52 Uhr Zeit für das Mittagsgebet. Raus aus der Vorlesung, schnell zu den Sanitäranlagen und waschen; dabei noch schräg angeguckt werden, weil man sich am Waschbecken die Füße wäscht. Einen freien Platz zwischen Bücherregalen, im Keller, unter der Treppe oder im obersten Stockwerk neben Elektroräumen und Heizungsschächten finden, um beten zu können. So oder so ähnlich sieht der alltägliche Wahnsinn aus, dem viele muslimische Studierende an deutschen Hochschulen ausgesetzt sind.
Das oben beschriebene Szenario ist keine Seltenheit in Deutschland. Gibt man die Schlagwörter Islam, Student und Universität bei Suchmaschinen ein, findet man eine Vielzahl von Internet- und Nachrichtenseiten sowie Blogs über das Problem des Mangels an Gebetsräumen für muslimische Studierende an deutschen Hochschulen.
Die bekanntesten Beispiele sind unter anderem Studenten und Studentinnen der TU Dortmund, die unter dem Treppenhaus beten müssen, und junge Muslime der Hochschule in Köln, die ihrer alltäglichen religiösen Pflicht im Keller der Universität nachgehen. Nach Aussagen der dort betenden Studierenden ist es „dunkel, dreckig und es gibt Insekten.“
Es gibt jedoch auch positive Ergebnisse, die man an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen sollte. So richtete die Ruhr-Universität Bochum schon vor etwa 17 Jahren einen Gebetsraum für muslimische Studierende ein. Die TU Berlin bietet sogar zwei getrennte Gebetsräume für männliche und weibliche Studierende an. An der RWTH Aachen können Betende einen Raum der Uniklinik nutzen, den die Klinikseelsorge zur Verfügung stellt. Auch die Hamburger Universität startete mit dem „Interreligiösen Raum der Stille“ eine erste Initiative für alle religiösen Studierenden zur Ausübung ihrer religiösen Pflichten.
Bei Recherchen nach Statistiken über die Zahl muslimischer Studierender in Deutschland – um statistisch damit zu argumentieren, dass es tatsächlich einen Bedarf für muslimische Gebetsräume an deutschen Hochschulen gibt – stößt man auf ein ganz anderes Problem: Deutsche Hochschulen können überhaupt nicht wissen, wie viele muslimische Studierende es gibt und wie groß der Bedarf nach Gebetsräumen ist.
Was kann getan werden? Statt sich auf seinen Frust zu konzentrieren, können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden, die einen gegenseitigen Dialog auf Augenhöhe fördern. Gibt es noch keine Hochschulgruppe oder einen eingetragenen muslimischen Studentenverein an einer Hochschule, kann man sich an eine der muslimischen Jugendorganisationen wenden. Diese haben in der Regel bereits Erfahrung in diesem Bereich und können beraten.
Gibt es bereits eine Hochschulgruppe oder einen eingetragenen Verein sollte man das Gespräch mit dem Rektorat suchen, ohne auf Konfrontationskurs zu gehen. Vielmehr sollte man das dringende Bedürfnis nach Wasch- und Gebetsräumen erläutern, um sowohl Muslimen beim Beten als auch den Kommilitonen und Mitarbeitern der Universität das Leben zu erleichtern, da somit keine Treppenhäuser oder Ähnliches blockiert wird. Es empfiehlt sich zudem, das Gespräch zu anderen Hochschulgruppen und Vereinen zu suchen und sich in Studierendenräten, -parlamenten und ähnlichem vorzustellen.
Fazit ist: Derzeit ist es nicht möglich, den Bedarf an Gebetsmöglichkeiten an unseren Hochschulen statistisch zu belegen, also liegt es in der Verantwortung muslimischer Studierender diesen Bedarf an der eigenen Hochschule festzustellen und diesen mit einem produktiven lösungsorientierten Ansatz mit allen Beteiligten und Verantwortlichen zu kommunizieren. Muslimische Studierende sind Teil der deutschen Hochschullandschaft, also liegt es an ihnen, auch so zu agieren.