Die UN schlagen Alarm: Erstmals wird im Gazastreifen offiziell eine Hungersnot festgestellt – Hunderttausende sind betroffen, vor allem Kinder. Israel weist die Vorwürfe zurück, internationale Kritik wächst.

Die Vereinten Nationen haben erstmals eine Hungersnot im Gazastreifen festgestellt. Betroffen ist der Bezirk Gaza mit Gaza-Stadt, wo mehr als eine halbe Million Menschen hungern. Laut dem neuesten Bericht der „Integrated Food Security Phase Classification“ (IPC) sind besonders Kinder gefährdet: 132.000 unter Fünfjährige leiden an Unterernährung, 41.000 von ihnen in lebensbedrohlichem Ausmaß – doppelt so viele wie noch im Mai.
Die Lage könnte sich in den kommenden Wochen auf weitere Regionen wie Deir al-Balah und Chan Junis ausweiten.
Es ist das erste Mal, dass im Nahen Osten eine Hungersnot nach internationalen Kriterien festgestellt wurde. Zuvor gab es solche Einstufungen nur in Somalia, dem Südsudan und dem Sudan. Eine Hungersnot wird laut UN erst dann erklärt, wenn mindestens 20 Prozent der Haushalte extremen Nahrungsmangel haben, 30 Prozent der Kinder akut mangelernährt sind und täglich Menschen an Hunger oder durch Unterernährung verursachte Krankheiten sterben.
UN-Nothilfekoordinator Thomas Fletcher beschuldigte Israel, Hunger gezielt als Kriegswaffe einzusetzen, indem es Hilfslieferungen blockiere. Auch UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk sprach von einem „direkten Ergebnis israelischer Politik“. Israel weist diese Vorwürfe entschieden zurück. Das Außenministerium erklärte, es gebe „keine Hungersnot in Gaza“. Hilfslieferungen seien in großer Zahl erfolgt, Märkte seien gut versorgt, der IPC-Bericht stütze sich auf „falsche Hamas-Angaben“.
Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD) forderte indes deutlich mehr Hilfe und kritisierte Israel scharf: „Immer mehr Menschen – und vor allem Kinder – verhungern vor unseren Augen. Die Hungersnot ist ausschließlich menschengemacht.“ Sie plädierte für einen sofortigen Waffenstillstand und die Freilassung aller Geiseln.
Ein weiteres Expertengremium, das Famine Review Committee, bestätigte die Einschätzung der UN. Während akuter Hunger selten direkt tödlich sei, sterben laut Experten deutlich mehr Menschen an der Kombination aus Unterernährung, Krankheiten und Mangelversorgung.