Kurz vor Ferienbeginn wollen Familien verreisen – aus einem einfachen Grund: Die Reisen sind dann günstiger. Doch statt Verständnis zu zeigen, verhängt der Staat Bußgelder. Ein Gastbeitrag.

Skandal! Eltern fliehen mit ihren Kindern zwei Tage vor Ferienbeginn in den Sommerurlaub! Und das auch noch ohne behördliche Genehmigung! Was kommt als Nächstes? Selbstgekochtes Schulbrot statt Cateringsystem? Eigenständiges Denken?
Willkommen in Deutschland – dem Land, in dem man problemlos Waffen exportieren, Milliarden mit Rüstung verdienen, Cum-Ex durchwinken und Lobbyismus als Berufsbezeichnung führen kann – aber wehe, du holst dein Kind zwei Tage vor dem offiziellen Ferienbeginn aus dem Unterricht, um gemeinsam mit der Familie in einem Stück Urlaub zu machen. Dann bist du kein fürsorglicher Elternteil. Nein: Du bist Gesetzesbrecher, Bildungsfeind, Staatsproblem.
Denn Bildung – so heißt es gebetsmühlenartig – ist unser höchstes Gut. Und wie schützen wir dieses Gut? Mit Arbeitsblättern in Woche 6 und Anwesenheitskontrollen kurz vor Ferienbeginn. Nicht mit Neugier, Begegnung oder gar Familie. Gott bewahre.
Am schlimmsten wird’s, wenn Kinder ins „Herkunftsland“ fliegen – also dorthin, wo Oma noch echten Tee kocht und nicht alles in Amazon-Pappkartons kommt. Da schnaubt das Schulamt besonders eifrig: Integrationsverweigerung! Kulturflucht! Gefährdung des Curriculums!
Was für eine groteske Farce: Da diskutiert man sich bundesweit wund über „Wertevermittlung“, „Sozialkompetenz“ und „interkulturelle Kompetenz“, aber wenn Eltern ihrem Nachwuchs mal etwas echte Welt und familiäre Bindung zeigen wollen, wird sofort die Bußgeldpeitsche gezückt. 1.000 Euro pro Kind – das ist kein Erziehungsgeld, das ist eine verpackte Absurdität mit Absender „Behördlicher Starrsinn“.
Dass viele Familien schlicht gezwungen sind, früher zu reisen, weil Flugpreise sich sprunghaft vervielfachen (Stichwort: Ferienpreiserpressung) – egal. Dass Großeltern am anderen Ende der Welt nicht „mal eben“ auf einen Samstagbesuch warten können – irrelevant. Dass Kinder, die Familie über Landesgrenzen hinweg erleben, dabei oft mehr lernen als in der x-ten Gruppenarbeit zum Thema „Was bedeutet Heimat?“ – offensichtlich nicht messbar. Und wenn’s nicht messbar ist, kann’s nicht zählen.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Familie zur Privatsache erklärt wurde, solange sie bitte nicht stört. Aber wehe, jemand nimmt das wörtlich – und setzt Familie mal vor Schulstempel und Anwesenheitsliste.
Wie wäre es mit einem neuen Ansatz? Wie wäre es, wenn wir Familien nicht drangsalieren, sondern stärken? Wenn wir Reisen zu Verwandten nicht bestrafen, sondern als Teil von Bildung begreifen? Vielleicht müssen Kinder gar nicht jeden Vormittag in einem überfüllten Raum sitzen, um etwas fürs Leben zu lernen. Vielleicht reicht es manchmal, mit den Großeltern durch Olivenhaine zu spazieren und dabei Geschichten zu hören, die kein Schulbuch drucken kann.
Aber gut. Lasst uns ruhig weiter Geld kassieren für jedes „Fehlverhalten“. Schließlich ist nichts gefährlicher als ein Kind, das außerhalb deutscher Klassenzimmer etwas über sich selbst lernt.
Und wer weiß – vielleicht kommt es noch mit einem eigenen Willen zurück. Das wär ja noch schöner.